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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Wie vertrüge es sich wohl mit dieser Stellung, wenn ich die Leitung und
Verwaltung eines hochwichtigen Zweiges des öffentlichen Dienstes und die da¬
mit verbundene persönliche Verantwortung übernähme, ein Exccutivbeamter der
Krone würde, die Befehle der Königin durch ihre Staatssekretäre entgegen¬
nähme u. s. w.?! Ich bin gewiß, hätte ich einmal die Verantwortung über¬
nommen, so würde ich mich nicht damit begnügen, die wirkliche Arbeit den
Händen eines Andern (des Chefs des Stabes) zu überlassen, sondern ich würde
es für meine Pflicht halten, selbst thätig zu sein. Aber während ich so Pflichten
erfüllte, die gewiß jeder fähige General, welcher Erfahrungen im Felde ge¬
sammelt hat, besser zu erfüllen vermöchte als ich, der ich nicht den Vortheil
dieser Erfahrung habe: würden hochwichtige, die Wohlfahrt der Krone nahe
berührende Pflichten unerfüllt bleiben, die niemand erfüllen kann als ich. Ich
fürchte daher, daß ich den verlockenden Gedanken, den Oberbefehl über die
englische Armee zu übernehmen, von mir weisen muß."




Zur Geschichte des Urchristentums.
3. Von Strauß zu Baur.

Man muß, sagt Baur, die Periode des Straußfeder Buchs selbst durchlebt
haben, um sich eine Vorstellung von der Bewegung machen zu können, die es
hervorrief. Nicht leicht hat eine Erscheinung so schnell und so allgemein so
großes Aufsehen erregt, und alle Streitkräfte mit so regem Interesse auf den
Kampfplatz gerufen. Das straußsche Leben Jesu war der zündende Funke,
durch welchen der schon lange zusammengehäufte Brennstoffen lichterlohe Flammen
gerieth.

Wir Jüngere, die wir jene Periode nicht selbst erlebt, können wenigstens
aus der polemischen Literatur, die sich an dem Buche entzündete, seine Wirkung
ermessen, und die denkwürdige Bewegung uns vergegenwärtigen, in welcher
Strauß den von allen Seiten gegen ihn erhobenen Kampf aufnahm und fast
allein stehend siegreich durchführte. Den eigentlichen Gegenstand, um den es
sich handelte, hat der ganze Streit im Grunde wenig weiter geführt, aber er
hat dazu gedient, die Ueberlegenheit. welche Strauß den bisherigen Richtungen
gegenüber behauptete, in das volle Licht zu setzen. Schon sein literarisches


Grenzboten II. 1864. 12

Wie vertrüge es sich wohl mit dieser Stellung, wenn ich die Leitung und
Verwaltung eines hochwichtigen Zweiges des öffentlichen Dienstes und die da¬
mit verbundene persönliche Verantwortung übernähme, ein Exccutivbeamter der
Krone würde, die Befehle der Königin durch ihre Staatssekretäre entgegen¬
nähme u. s. w.?! Ich bin gewiß, hätte ich einmal die Verantwortung über¬
nommen, so würde ich mich nicht damit begnügen, die wirkliche Arbeit den
Händen eines Andern (des Chefs des Stabes) zu überlassen, sondern ich würde
es für meine Pflicht halten, selbst thätig zu sein. Aber während ich so Pflichten
erfüllte, die gewiß jeder fähige General, welcher Erfahrungen im Felde ge¬
sammelt hat, besser zu erfüllen vermöchte als ich, der ich nicht den Vortheil
dieser Erfahrung habe: würden hochwichtige, die Wohlfahrt der Krone nahe
berührende Pflichten unerfüllt bleiben, die niemand erfüllen kann als ich. Ich
fürchte daher, daß ich den verlockenden Gedanken, den Oberbefehl über die
englische Armee zu übernehmen, von mir weisen muß."




Zur Geschichte des Urchristentums.
3. Von Strauß zu Baur.

Man muß, sagt Baur, die Periode des Straußfeder Buchs selbst durchlebt
haben, um sich eine Vorstellung von der Bewegung machen zu können, die es
hervorrief. Nicht leicht hat eine Erscheinung so schnell und so allgemein so
großes Aufsehen erregt, und alle Streitkräfte mit so regem Interesse auf den
Kampfplatz gerufen. Das straußsche Leben Jesu war der zündende Funke,
durch welchen der schon lange zusammengehäufte Brennstoffen lichterlohe Flammen
gerieth.

Wir Jüngere, die wir jene Periode nicht selbst erlebt, können wenigstens
aus der polemischen Literatur, die sich an dem Buche entzündete, seine Wirkung
ermessen, und die denkwürdige Bewegung uns vergegenwärtigen, in welcher
Strauß den von allen Seiten gegen ihn erhobenen Kampf aufnahm und fast
allein stehend siegreich durchführte. Den eigentlichen Gegenstand, um den es
sich handelte, hat der ganze Streit im Grunde wenig weiter geführt, aber er
hat dazu gedient, die Ueberlegenheit. welche Strauß den bisherigen Richtungen
gegenüber behauptete, in das volle Licht zu setzen. Schon sein literarisches


Grenzboten II. 1864. 12
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[0106] Wie vertrüge es sich wohl mit dieser Stellung, wenn ich die Leitung und Verwaltung eines hochwichtigen Zweiges des öffentlichen Dienstes und die da¬ mit verbundene persönliche Verantwortung übernähme, ein Exccutivbeamter der Krone würde, die Befehle der Königin durch ihre Staatssekretäre entgegen¬ nähme u. s. w.?! Ich bin gewiß, hätte ich einmal die Verantwortung über¬ nommen, so würde ich mich nicht damit begnügen, die wirkliche Arbeit den Händen eines Andern (des Chefs des Stabes) zu überlassen, sondern ich würde es für meine Pflicht halten, selbst thätig zu sein. Aber während ich so Pflichten erfüllte, die gewiß jeder fähige General, welcher Erfahrungen im Felde ge¬ sammelt hat, besser zu erfüllen vermöchte als ich, der ich nicht den Vortheil dieser Erfahrung habe: würden hochwichtige, die Wohlfahrt der Krone nahe berührende Pflichten unerfüllt bleiben, die niemand erfüllen kann als ich. Ich fürchte daher, daß ich den verlockenden Gedanken, den Oberbefehl über die englische Armee zu übernehmen, von mir weisen muß." Zur Geschichte des Urchristentums. 3. Von Strauß zu Baur. Man muß, sagt Baur, die Periode des Straußfeder Buchs selbst durchlebt haben, um sich eine Vorstellung von der Bewegung machen zu können, die es hervorrief. Nicht leicht hat eine Erscheinung so schnell und so allgemein so großes Aufsehen erregt, und alle Streitkräfte mit so regem Interesse auf den Kampfplatz gerufen. Das straußsche Leben Jesu war der zündende Funke, durch welchen der schon lange zusammengehäufte Brennstoffen lichterlohe Flammen gerieth. Wir Jüngere, die wir jene Periode nicht selbst erlebt, können wenigstens aus der polemischen Literatur, die sich an dem Buche entzündete, seine Wirkung ermessen, und die denkwürdige Bewegung uns vergegenwärtigen, in welcher Strauß den von allen Seiten gegen ihn erhobenen Kampf aufnahm und fast allein stehend siegreich durchführte. Den eigentlichen Gegenstand, um den es sich handelte, hat der ganze Streit im Grunde wenig weiter geführt, aber er hat dazu gedient, die Ueberlegenheit. welche Strauß den bisherigen Richtungen gegenüber behauptete, in das volle Licht zu setzen. Schon sein literarisches Grenzboten II. 1864. 12

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/106>, abgerufen am 23.07.2024.