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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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ist am Schlüsse noch ein Wort über das sogenannte abgekürzte Verfahren
zu sagen.

Was das erste Verfahren anlangt, so gestaltet sich dasselbe in Han¬
nover bei den Obergerichten in folgender Weise"). Ein bei dem Proce߬
gerichte angestellter Anwalt hat schriftliche Klaganträge zu entwerfen. Sie ent¬
halten eine gedrängte Darstellung der Thatsachen, auf welchen der geltend ge¬
machte Anspruch rechtlich beruht, und die genaue Bezeichnung des geforderten
Gegenstandes oder der begehrten Leistung oder Unterlassung. Weitere Aus¬
einandersetzungen der thatsächlichen Verhältnisse, sowie Rechtsausführungen
dürfen die schriftlichen Parteianträge überhaupt und fo auch die Klaganträge
nicht enthalten. Zugleich wird der, den Kläger vertretende Anwalt benannt
und der Gegner aufgefordert, an dem vom Gerichtsvorsitzenden festgesetzten
Gerichtstage, und zwar vertreten durch einen bei dem Proceßgerichte bestellten
Anwalt, vor diesem zu erscheinen. Der klägerische Anwalt läßt das Original
und eine Abschrift der Klaganträge aus der Gerichtsschrciberei überreichen. Die
Abschrift wird Theil der Gerichtsacten, das Original erhält der Anwalt dagegen
binnen vierundzwanzig Stunden zurück, nachdem der Gerichtsvorsitzende
ohne irgendwelche Sachprüfung unter demselben ganz kurz den Gerichts¬
tag eigenhändig bemerkt hat. Nachdem der klägerische Anwalt sodann diese
Bemerkung aus eine zweite Abschrift der Klaganträge übertragen hat. läßt er
dieselbe dem Gegner durch einen Gerichtsvogt behändigen und die erfolgte
Behändigung unter dem Originale der Klaganträge bescheinigen. Der Beklagte
hat bei Vermeidung der Kosten des verzögerten Processes durch den von ihm
gewählten Anwalt schriftliche Gegenanträge -- welche insbesondere eine bestimmte
und vollständige Erklärung auf die thatsächlichen Behauptungen des Gegners
und die thatsächliche Begründung etwaiger Einreden enthalten -- abzufassen
("verhandeln") und eine Abschrift derselben auf der Gerichtsschreiberei über
reichen, eine zweite Abschrift aber mindestens eine Woche vor dem festgesetzten
Gerichtstage dem klägerischen Anwalt behändigen zu lassen.

Auf Grund dieser, lediglich vorbereitenden schriftlichen Anträge, deren
für das Gericht bestimmte Abschriften der Gerichtsschreiber zeitig dem Gerichts¬
vorsitzenden vorzulegen hat, geht die mündliche Verhandlung der Sache in
öffentlicher Sitzung vor sich.

Die mündliche Verhandlung beginnt damit, daß beide Theile die Schlu߬
gesuche ihrer Anträge stellen. Hieran schließen sich sodann die Vortrüge der
Parteien in freier geordneter Rede, ohne daß die Bezugnahme auf die schrift-



man deren gerade genug mit sechs. In Frankreich hält man es für einen Vorzug des
ordentlichen Verfahrens, daß es so ziemlich für alle Streitigkeiten ausreicht -- mich dünkt
mit Recht.
') Vgl. Leonhardt a, a. O, S. 18 ff.

ist am Schlüsse noch ein Wort über das sogenannte abgekürzte Verfahren
zu sagen.

Was das erste Verfahren anlangt, so gestaltet sich dasselbe in Han¬
nover bei den Obergerichten in folgender Weise"). Ein bei dem Proce߬
gerichte angestellter Anwalt hat schriftliche Klaganträge zu entwerfen. Sie ent¬
halten eine gedrängte Darstellung der Thatsachen, auf welchen der geltend ge¬
machte Anspruch rechtlich beruht, und die genaue Bezeichnung des geforderten
Gegenstandes oder der begehrten Leistung oder Unterlassung. Weitere Aus¬
einandersetzungen der thatsächlichen Verhältnisse, sowie Rechtsausführungen
dürfen die schriftlichen Parteianträge überhaupt und fo auch die Klaganträge
nicht enthalten. Zugleich wird der, den Kläger vertretende Anwalt benannt
und der Gegner aufgefordert, an dem vom Gerichtsvorsitzenden festgesetzten
Gerichtstage, und zwar vertreten durch einen bei dem Proceßgerichte bestellten
Anwalt, vor diesem zu erscheinen. Der klägerische Anwalt läßt das Original
und eine Abschrift der Klaganträge aus der Gerichtsschrciberei überreichen. Die
Abschrift wird Theil der Gerichtsacten, das Original erhält der Anwalt dagegen
binnen vierundzwanzig Stunden zurück, nachdem der Gerichtsvorsitzende
ohne irgendwelche Sachprüfung unter demselben ganz kurz den Gerichts¬
tag eigenhändig bemerkt hat. Nachdem der klägerische Anwalt sodann diese
Bemerkung aus eine zweite Abschrift der Klaganträge übertragen hat. läßt er
dieselbe dem Gegner durch einen Gerichtsvogt behändigen und die erfolgte
Behändigung unter dem Originale der Klaganträge bescheinigen. Der Beklagte
hat bei Vermeidung der Kosten des verzögerten Processes durch den von ihm
gewählten Anwalt schriftliche Gegenanträge — welche insbesondere eine bestimmte
und vollständige Erklärung auf die thatsächlichen Behauptungen des Gegners
und die thatsächliche Begründung etwaiger Einreden enthalten — abzufassen
(„verhandeln") und eine Abschrift derselben auf der Gerichtsschreiberei über
reichen, eine zweite Abschrift aber mindestens eine Woche vor dem festgesetzten
Gerichtstage dem klägerischen Anwalt behändigen zu lassen.

Auf Grund dieser, lediglich vorbereitenden schriftlichen Anträge, deren
für das Gericht bestimmte Abschriften der Gerichtsschreiber zeitig dem Gerichts¬
vorsitzenden vorzulegen hat, geht die mündliche Verhandlung der Sache in
öffentlicher Sitzung vor sich.

Die mündliche Verhandlung beginnt damit, daß beide Theile die Schlu߬
gesuche ihrer Anträge stellen. Hieran schließen sich sodann die Vortrüge der
Parteien in freier geordneter Rede, ohne daß die Bezugnahme auf die schrift-



man deren gerade genug mit sechs. In Frankreich hält man es für einen Vorzug des
ordentlichen Verfahrens, daß es so ziemlich für alle Streitigkeiten ausreicht — mich dünkt
mit Recht.
') Vgl. Leonhardt a, a. O, S. 18 ff.
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[0461] ist am Schlüsse noch ein Wort über das sogenannte abgekürzte Verfahren zu sagen. Was das erste Verfahren anlangt, so gestaltet sich dasselbe in Han¬ nover bei den Obergerichten in folgender Weise"). Ein bei dem Proce߬ gerichte angestellter Anwalt hat schriftliche Klaganträge zu entwerfen. Sie ent¬ halten eine gedrängte Darstellung der Thatsachen, auf welchen der geltend ge¬ machte Anspruch rechtlich beruht, und die genaue Bezeichnung des geforderten Gegenstandes oder der begehrten Leistung oder Unterlassung. Weitere Aus¬ einandersetzungen der thatsächlichen Verhältnisse, sowie Rechtsausführungen dürfen die schriftlichen Parteianträge überhaupt und fo auch die Klaganträge nicht enthalten. Zugleich wird der, den Kläger vertretende Anwalt benannt und der Gegner aufgefordert, an dem vom Gerichtsvorsitzenden festgesetzten Gerichtstage, und zwar vertreten durch einen bei dem Proceßgerichte bestellten Anwalt, vor diesem zu erscheinen. Der klägerische Anwalt läßt das Original und eine Abschrift der Klaganträge aus der Gerichtsschrciberei überreichen. Die Abschrift wird Theil der Gerichtsacten, das Original erhält der Anwalt dagegen binnen vierundzwanzig Stunden zurück, nachdem der Gerichtsvorsitzende ohne irgendwelche Sachprüfung unter demselben ganz kurz den Gerichts¬ tag eigenhändig bemerkt hat. Nachdem der klägerische Anwalt sodann diese Bemerkung aus eine zweite Abschrift der Klaganträge übertragen hat. läßt er dieselbe dem Gegner durch einen Gerichtsvogt behändigen und die erfolgte Behändigung unter dem Originale der Klaganträge bescheinigen. Der Beklagte hat bei Vermeidung der Kosten des verzögerten Processes durch den von ihm gewählten Anwalt schriftliche Gegenanträge — welche insbesondere eine bestimmte und vollständige Erklärung auf die thatsächlichen Behauptungen des Gegners und die thatsächliche Begründung etwaiger Einreden enthalten — abzufassen („verhandeln") und eine Abschrift derselben auf der Gerichtsschreiberei über reichen, eine zweite Abschrift aber mindestens eine Woche vor dem festgesetzten Gerichtstage dem klägerischen Anwalt behändigen zu lassen. Auf Grund dieser, lediglich vorbereitenden schriftlichen Anträge, deren für das Gericht bestimmte Abschriften der Gerichtsschreiber zeitig dem Gerichts¬ vorsitzenden vorzulegen hat, geht die mündliche Verhandlung der Sache in öffentlicher Sitzung vor sich. Die mündliche Verhandlung beginnt damit, daß beide Theile die Schlu߬ gesuche ihrer Anträge stellen. Hieran schließen sich sodann die Vortrüge der Parteien in freier geordneter Rede, ohne daß die Bezugnahme auf die schrift- man deren gerade genug mit sechs. In Frankreich hält man es für einen Vorzug des ordentlichen Verfahrens, daß es so ziemlich für alle Streitigkeiten ausreicht — mich dünkt mit Recht. ') Vgl. Leonhardt a, a. O, S. 18 ff.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/461>, abgerufen am 24.07.2024.