Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und tgi. sind nahezu viertausend Offiziere und höhere Unteroffiziere angestellt.
Letztere erhielten die Benennung "Stabsfeldwebel" und werden mitunter auf
Posten verwendet, welche früher von provisorisch hierzu commandirten Gemeinen
irgendeiner Linientruppe versehen wurden.

Und ähnlich verhalt es sich auch mit den höheren Stellen. Auf dem Platze,
welchen ein Lieutenant mit zwei Schreibern ganz gut ausfüllen würde, sitzen
mehre Hauptleute und vielleicht ein halbes Dutzend Beamte von gleichem oder
höherem Range, denen wieder zur besseren Ueberwachung ein Oberst und zwei
Majore vorgesetzt werden. Ueberall Mißtrauen gegen den guten Willen und
die Befähigung der Untergebenen und darum eine bis ins Unendliche fortgesetzte
Beaufsichtigung und Nachspürerei, so daß auf zwei Gehorchende sicher mindestens
ein Befehlender kommt und die blos die inneren Dienstangelegenheiten dieses
Personals betreffenden Geschäfte oft eine solche Ausdehnung annehmen, daß
der eigentliche Zweck des betreffenden Institutes ganz vernachlässigt wird und
sich der schon so oft ausgestellte Satz, "daß in Oestreich der Staat nur wegen
der Existenz der Beamten da sei", von Neuem zu bewahrheiten scheint.

Man klagt über die geringe Anzahl der Offiziere bei den kämpfenden
Truppen; und in der That ist keine Armee vor dem Feinde in Betreff ihrer
Führer (selbstverständlich ist hier nur von deren Zahl die Rede, denn über die
Qualität, zumal der höheren Befehlshaber hat der letzte Krieg die genügendsten
Beweise geliefert) übler bestellt, als eben die östreichische. Würde man aber
die sogenannten stabilen Militärs zu den bei den Truppen befindlichen Befehls¬
habern hinzuzählen, so würde sich das Verhältniß als ein ganz anderes heraus¬
stellen. Wären diese Militärs dem eigentlichen Truppcnstande angehörend, so
könnte wenigstens unter gewissen Umständen aus ihre Herbeiziehung gerechnet
werden. Aber sie sind fast durchwegs permanent und nur für ihren speciellen
Dienstzweig placirt, so daß wenn letzterer ihre Thätigkeit aus irgendeiner
Ursache für längere Zeit nicht in Anspruch nimmt, sie dem gesetzlichen Müßig¬
gange anheimfallen.

Dieses war z. B. wiederholt bei den verschiedenen Akademien und Unter¬
richtsanstalten der Fall. Obwohl der größte Theil der Zöglinge in dem Drange
der Umstände ausgemustert und mit Nachsicht der vorgeschriebenen Prüfungen in
die Armee eingetheilt werden mußte, blieben doch die Lehrer (Stabsoffiziere und
Offiziere) ganz ruhig auf ihren Posten. Hingegen mußten die Lehrer des früheren
Bombardiercorps und der Jngenieurakademie(und es befanden sich auch unter diesen
Offizieren manche ganz ausgezeichnete Kapacitäten) im Kriege, wenn die Reihe
an sie kam, gleich den übrigen Offizieren vor den Feind*).



Der große Mathematiker Vega machte fast alle Feldzüge von 178S--1800 mit. Bei
der Belagerung von Valenciennes fand man ihn eines Tages in einem Laufgraben mit der

und tgi. sind nahezu viertausend Offiziere und höhere Unteroffiziere angestellt.
Letztere erhielten die Benennung „Stabsfeldwebel" und werden mitunter auf
Posten verwendet, welche früher von provisorisch hierzu commandirten Gemeinen
irgendeiner Linientruppe versehen wurden.

Und ähnlich verhalt es sich auch mit den höheren Stellen. Auf dem Platze,
welchen ein Lieutenant mit zwei Schreibern ganz gut ausfüllen würde, sitzen
mehre Hauptleute und vielleicht ein halbes Dutzend Beamte von gleichem oder
höherem Range, denen wieder zur besseren Ueberwachung ein Oberst und zwei
Majore vorgesetzt werden. Ueberall Mißtrauen gegen den guten Willen und
die Befähigung der Untergebenen und darum eine bis ins Unendliche fortgesetzte
Beaufsichtigung und Nachspürerei, so daß auf zwei Gehorchende sicher mindestens
ein Befehlender kommt und die blos die inneren Dienstangelegenheiten dieses
Personals betreffenden Geschäfte oft eine solche Ausdehnung annehmen, daß
der eigentliche Zweck des betreffenden Institutes ganz vernachlässigt wird und
sich der schon so oft ausgestellte Satz, „daß in Oestreich der Staat nur wegen
der Existenz der Beamten da sei", von Neuem zu bewahrheiten scheint.

Man klagt über die geringe Anzahl der Offiziere bei den kämpfenden
Truppen; und in der That ist keine Armee vor dem Feinde in Betreff ihrer
Führer (selbstverständlich ist hier nur von deren Zahl die Rede, denn über die
Qualität, zumal der höheren Befehlshaber hat der letzte Krieg die genügendsten
Beweise geliefert) übler bestellt, als eben die östreichische. Würde man aber
die sogenannten stabilen Militärs zu den bei den Truppen befindlichen Befehls¬
habern hinzuzählen, so würde sich das Verhältniß als ein ganz anderes heraus¬
stellen. Wären diese Militärs dem eigentlichen Truppcnstande angehörend, so
könnte wenigstens unter gewissen Umständen aus ihre Herbeiziehung gerechnet
werden. Aber sie sind fast durchwegs permanent und nur für ihren speciellen
Dienstzweig placirt, so daß wenn letzterer ihre Thätigkeit aus irgendeiner
Ursache für längere Zeit nicht in Anspruch nimmt, sie dem gesetzlichen Müßig¬
gange anheimfallen.

Dieses war z. B. wiederholt bei den verschiedenen Akademien und Unter¬
richtsanstalten der Fall. Obwohl der größte Theil der Zöglinge in dem Drange
der Umstände ausgemustert und mit Nachsicht der vorgeschriebenen Prüfungen in
die Armee eingetheilt werden mußte, blieben doch die Lehrer (Stabsoffiziere und
Offiziere) ganz ruhig auf ihren Posten. Hingegen mußten die Lehrer des früheren
Bombardiercorps und der Jngenieurakademie(und es befanden sich auch unter diesen
Offizieren manche ganz ausgezeichnete Kapacitäten) im Kriege, wenn die Reihe
an sie kam, gleich den übrigen Offizieren vor den Feind*).



Der große Mathematiker Vega machte fast alle Feldzüge von 178S—1800 mit. Bei
der Belagerung von Valenciennes fand man ihn eines Tages in einem Laufgraben mit der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0434" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116900"/>
          <p xml:id="ID_1336" prev="#ID_1335"> und tgi. sind nahezu viertausend Offiziere und höhere Unteroffiziere angestellt.<lb/>
Letztere erhielten die Benennung &#x201E;Stabsfeldwebel" und werden mitunter auf<lb/>
Posten verwendet, welche früher von provisorisch hierzu commandirten Gemeinen<lb/>
irgendeiner Linientruppe versehen wurden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1337"> Und ähnlich verhalt es sich auch mit den höheren Stellen. Auf dem Platze,<lb/>
welchen ein Lieutenant mit zwei Schreibern ganz gut ausfüllen würde, sitzen<lb/>
mehre Hauptleute und vielleicht ein halbes Dutzend Beamte von gleichem oder<lb/>
höherem Range, denen wieder zur besseren Ueberwachung ein Oberst und zwei<lb/>
Majore vorgesetzt werden. Ueberall Mißtrauen gegen den guten Willen und<lb/>
die Befähigung der Untergebenen und darum eine bis ins Unendliche fortgesetzte<lb/>
Beaufsichtigung und Nachspürerei, so daß auf zwei Gehorchende sicher mindestens<lb/>
ein Befehlender kommt und die blos die inneren Dienstangelegenheiten dieses<lb/>
Personals betreffenden Geschäfte oft eine solche Ausdehnung annehmen, daß<lb/>
der eigentliche Zweck des betreffenden Institutes ganz vernachlässigt wird und<lb/>
sich der schon so oft ausgestellte Satz, &#x201E;daß in Oestreich der Staat nur wegen<lb/>
der Existenz der Beamten da sei", von Neuem zu bewahrheiten scheint.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1338"> Man klagt über die geringe Anzahl der Offiziere bei den kämpfenden<lb/>
Truppen; und in der That ist keine Armee vor dem Feinde in Betreff ihrer<lb/>
Führer (selbstverständlich ist hier nur von deren Zahl die Rede, denn über die<lb/>
Qualität, zumal der höheren Befehlshaber hat der letzte Krieg die genügendsten<lb/>
Beweise geliefert) übler bestellt, als eben die östreichische. Würde man aber<lb/>
die sogenannten stabilen Militärs zu den bei den Truppen befindlichen Befehls¬<lb/>
habern hinzuzählen, so würde sich das Verhältniß als ein ganz anderes heraus¬<lb/>
stellen. Wären diese Militärs dem eigentlichen Truppcnstande angehörend, so<lb/>
könnte wenigstens unter gewissen Umständen aus ihre Herbeiziehung gerechnet<lb/>
werden. Aber sie sind fast durchwegs permanent und nur für ihren speciellen<lb/>
Dienstzweig placirt, so daß wenn letzterer ihre Thätigkeit aus irgendeiner<lb/>
Ursache für längere Zeit nicht in Anspruch nimmt, sie dem gesetzlichen Müßig¬<lb/>
gange anheimfallen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1339"> Dieses war z. B. wiederholt bei den verschiedenen Akademien und Unter¬<lb/>
richtsanstalten der Fall. Obwohl der größte Theil der Zöglinge in dem Drange<lb/>
der Umstände ausgemustert und mit Nachsicht der vorgeschriebenen Prüfungen in<lb/>
die Armee eingetheilt werden mußte, blieben doch die Lehrer (Stabsoffiziere und<lb/>
Offiziere) ganz ruhig auf ihren Posten. Hingegen mußten die Lehrer des früheren<lb/>
Bombardiercorps und der Jngenieurakademie(und es befanden sich auch unter diesen<lb/>
Offizieren manche ganz ausgezeichnete Kapacitäten) im Kriege, wenn die Reihe<lb/>
an sie kam, gleich den übrigen Offizieren vor den Feind*).</p><lb/>
          <note xml:id="FID_33" place="foot" next="#FID_34"> Der große Mathematiker Vega machte fast alle Feldzüge von 178S&#x2014;1800 mit. Bei<lb/>
der Belagerung von Valenciennes fand man ihn eines Tages in einem Laufgraben mit der</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0434] und tgi. sind nahezu viertausend Offiziere und höhere Unteroffiziere angestellt. Letztere erhielten die Benennung „Stabsfeldwebel" und werden mitunter auf Posten verwendet, welche früher von provisorisch hierzu commandirten Gemeinen irgendeiner Linientruppe versehen wurden. Und ähnlich verhalt es sich auch mit den höheren Stellen. Auf dem Platze, welchen ein Lieutenant mit zwei Schreibern ganz gut ausfüllen würde, sitzen mehre Hauptleute und vielleicht ein halbes Dutzend Beamte von gleichem oder höherem Range, denen wieder zur besseren Ueberwachung ein Oberst und zwei Majore vorgesetzt werden. Ueberall Mißtrauen gegen den guten Willen und die Befähigung der Untergebenen und darum eine bis ins Unendliche fortgesetzte Beaufsichtigung und Nachspürerei, so daß auf zwei Gehorchende sicher mindestens ein Befehlender kommt und die blos die inneren Dienstangelegenheiten dieses Personals betreffenden Geschäfte oft eine solche Ausdehnung annehmen, daß der eigentliche Zweck des betreffenden Institutes ganz vernachlässigt wird und sich der schon so oft ausgestellte Satz, „daß in Oestreich der Staat nur wegen der Existenz der Beamten da sei", von Neuem zu bewahrheiten scheint. Man klagt über die geringe Anzahl der Offiziere bei den kämpfenden Truppen; und in der That ist keine Armee vor dem Feinde in Betreff ihrer Führer (selbstverständlich ist hier nur von deren Zahl die Rede, denn über die Qualität, zumal der höheren Befehlshaber hat der letzte Krieg die genügendsten Beweise geliefert) übler bestellt, als eben die östreichische. Würde man aber die sogenannten stabilen Militärs zu den bei den Truppen befindlichen Befehls¬ habern hinzuzählen, so würde sich das Verhältniß als ein ganz anderes heraus¬ stellen. Wären diese Militärs dem eigentlichen Truppcnstande angehörend, so könnte wenigstens unter gewissen Umständen aus ihre Herbeiziehung gerechnet werden. Aber sie sind fast durchwegs permanent und nur für ihren speciellen Dienstzweig placirt, so daß wenn letzterer ihre Thätigkeit aus irgendeiner Ursache für längere Zeit nicht in Anspruch nimmt, sie dem gesetzlichen Müßig¬ gange anheimfallen. Dieses war z. B. wiederholt bei den verschiedenen Akademien und Unter¬ richtsanstalten der Fall. Obwohl der größte Theil der Zöglinge in dem Drange der Umstände ausgemustert und mit Nachsicht der vorgeschriebenen Prüfungen in die Armee eingetheilt werden mußte, blieben doch die Lehrer (Stabsoffiziere und Offiziere) ganz ruhig auf ihren Posten. Hingegen mußten die Lehrer des früheren Bombardiercorps und der Jngenieurakademie(und es befanden sich auch unter diesen Offizieren manche ganz ausgezeichnete Kapacitäten) im Kriege, wenn die Reihe an sie kam, gleich den übrigen Offizieren vor den Feind*). Der große Mathematiker Vega machte fast alle Feldzüge von 178S—1800 mit. Bei der Belagerung von Valenciennes fand man ihn eines Tages in einem Laufgraben mit der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/434
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/434>, abgerufen am 24.07.2024.