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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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und fast immer verspäteten Anordnungen in die Hände des Feindes fallen,
theils endlich auf die frechste Weise von einzelnen Unverschämter vergeuden oder
gar durch schändliche Lieferanten und pflichtvergessene, betrügerische Beamte
entwenden und verfuhr endlich bei der Anschaffung aller dieser Vorräthe auf
eine allen gesunden Begriffen widerstreitende Weise. Die Staatsfinanzen wurden
in einem solchen Grade in Anspruch genommen, wie in keinem früheren Kriege;
den inländischen Producenten, zumal den kleineren, kam von allen den gro߬
artigen Lieferungen nichts zu Gute, da diese Lieferungen entweder eben nur
aus dem Papier abgeschlossen und ausgeführt wurden, oder an ausländische
Firmen oder an einige wenige inländische Speculanten der schlechtesten Sorte
(Weilweiß, Richter, Sanetty u, a.) vergeben wurden, und endlich wurden
die Bewohner des eigenen Landes, zumal der italienischen Provinzen, mit
Requisitionen, Lieferungen und Vorspannleistungen fast erdrückt, wiewohl die
Truppen an allem Mangel litten, weil entweder die Bedürfnisse gar nicht vor¬
handen waren oder die Zufuhren nicht zur rechten Zeit eintrafen. Daß alle
diese traurigen Uebelstände den Kommissären, von welchen man -- freilich ohne
Grund -- seit ihrer Umgestaltung Wunderdinge erwartet hatte, zugeschrieben
werden mußten, sah man bald ein und es wurde über den Mangel an Kennt¬
nissen und Erfahrung, sowie über die geringe Dienstgewandtheit und die Nach¬
lässigkeit der Commissäre, sowie über die verfehlte Organisation des ganzen
Instituts vielfach bittere Klage geführt, wenn man auch an einen schlechten
Willen nicht glaubte.

Um aber dem Ganzen die Krone aufzusetzen, zeigte es sich zuletzt, daß die aller-
schändlichsten und großartigsten Betrügereien mit dem Wissen, ja unter der directen
Leitung derer, welche für den Vortheil des Staates und seiner einzelnen Bürger
hätten einstehen sollen, verübt worden waren, und daß ein kaiserlicher Generalfeld-
marschalllieutenant und ein Generalkriegscvmmissär an der Spi^e jener Schurken
standen, welche die Ehre ihres Landes verrathen, ihre wackeren, vor dem Feinde
stehenden Waffengefährten ohne Unterstützung gelassen, den Staatsfinanzen eine fast
unheilbare Wunde geschlagen und den Betrug auf die höchste Stufe der Vollendung
gebracht hatten! -- Für den ersten Augenblick schien es, als ob auch in dieser
Beziehung der öffentlichen Meinung Rechnung getragen werden sollte, wenigstens
wurde wiederholt von "großer Entrüstung in maßgebenden Kreisen", von
strenger Untersuchung und Bestrafung nicht nur aller mit dem Betrüge ein¬
verstandener und straffälligen, sondern auch der nur nachlässigen Individuen,
ja sogar von Auflösung der ganzen Branche gesprochen. Aber dabei blieb es
auch und man mußte es als eine besondere Ersparung ansehen, daß man einige
in der letzten Zeit erledigte höhere Stellen nicht besetzte. Erst im verflossenen
December wurden einige Veränderungen angeordnet, indem der Stand des
Personals festgestellt und gleichzeitig eine Vereinfachung des Geschäftsganges


und fast immer verspäteten Anordnungen in die Hände des Feindes fallen,
theils endlich auf die frechste Weise von einzelnen Unverschämter vergeuden oder
gar durch schändliche Lieferanten und pflichtvergessene, betrügerische Beamte
entwenden und verfuhr endlich bei der Anschaffung aller dieser Vorräthe auf
eine allen gesunden Begriffen widerstreitende Weise. Die Staatsfinanzen wurden
in einem solchen Grade in Anspruch genommen, wie in keinem früheren Kriege;
den inländischen Producenten, zumal den kleineren, kam von allen den gro߬
artigen Lieferungen nichts zu Gute, da diese Lieferungen entweder eben nur
aus dem Papier abgeschlossen und ausgeführt wurden, oder an ausländische
Firmen oder an einige wenige inländische Speculanten der schlechtesten Sorte
(Weilweiß, Richter, Sanetty u, a.) vergeben wurden, und endlich wurden
die Bewohner des eigenen Landes, zumal der italienischen Provinzen, mit
Requisitionen, Lieferungen und Vorspannleistungen fast erdrückt, wiewohl die
Truppen an allem Mangel litten, weil entweder die Bedürfnisse gar nicht vor¬
handen waren oder die Zufuhren nicht zur rechten Zeit eintrafen. Daß alle
diese traurigen Uebelstände den Kommissären, von welchen man — freilich ohne
Grund — seit ihrer Umgestaltung Wunderdinge erwartet hatte, zugeschrieben
werden mußten, sah man bald ein und es wurde über den Mangel an Kennt¬
nissen und Erfahrung, sowie über die geringe Dienstgewandtheit und die Nach¬
lässigkeit der Commissäre, sowie über die verfehlte Organisation des ganzen
Instituts vielfach bittere Klage geführt, wenn man auch an einen schlechten
Willen nicht glaubte.

Um aber dem Ganzen die Krone aufzusetzen, zeigte es sich zuletzt, daß die aller-
schändlichsten und großartigsten Betrügereien mit dem Wissen, ja unter der directen
Leitung derer, welche für den Vortheil des Staates und seiner einzelnen Bürger
hätten einstehen sollen, verübt worden waren, und daß ein kaiserlicher Generalfeld-
marschalllieutenant und ein Generalkriegscvmmissär an der Spi^e jener Schurken
standen, welche die Ehre ihres Landes verrathen, ihre wackeren, vor dem Feinde
stehenden Waffengefährten ohne Unterstützung gelassen, den Staatsfinanzen eine fast
unheilbare Wunde geschlagen und den Betrug auf die höchste Stufe der Vollendung
gebracht hatten! — Für den ersten Augenblick schien es, als ob auch in dieser
Beziehung der öffentlichen Meinung Rechnung getragen werden sollte, wenigstens
wurde wiederholt von „großer Entrüstung in maßgebenden Kreisen", von
strenger Untersuchung und Bestrafung nicht nur aller mit dem Betrüge ein¬
verstandener und straffälligen, sondern auch der nur nachlässigen Individuen,
ja sogar von Auflösung der ganzen Branche gesprochen. Aber dabei blieb es
auch und man mußte es als eine besondere Ersparung ansehen, daß man einige
in der letzten Zeit erledigte höhere Stellen nicht besetzte. Erst im verflossenen
December wurden einige Veränderungen angeordnet, indem der Stand des
Personals festgestellt und gleichzeitig eine Vereinfachung des Geschäftsganges


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/432>, abgerufen am 24.07.2024.