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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Zudem war der Commissär ein reiner Beamter, für den Militär also ein Civilist.
Und in dieser Eigenschaft konnte er weit sicherer und rücksichtsloser auftreten,
als es, wenn er selbst einen ziemlich hohen militärischen Grad begleitet hätte,
möglich gewesen wäre; er stand nicht unter der militärischen Disciplin und
konnte, ohne die Subordination zu verletzen und ohne seine Zukunft zu gefähr¬
den, die ungesetzlichen Zumuthungen hochgestellter Militärs in ziemlich derber
Weise zurückweisen. Der durch seine bizarren Einfälle bekannte General S-- sagte
einst, es wäre ihm leichter trotz seiner siebzig Jahre zehn Jungfrauen zu erobern,
als von einem Commissär eine Gefälligkeit zu erlangen. Gewiß ein aner¬
kennendes Zeugniß der strengen Rechtlichkeit und Willensfestigkeit der östreichischen '
Kriegskommissare jener Zeit.

Vermuthlich war es eben diese Ungefügigkeit, welche endlich zu der für die
Armee so verhängnißvollen Reorganisation der Kriegscommissäre führte; doch
mögen auch hierzu, sowie zu manchen andern verkehrten Maßregeln, die über¬
mäßige Centralisationssucht, die dem Kaiser und den meisten Personen seiner
Umgebung anhängende Soldatenliebhaberei, oder richtiger gesagt Soldaten¬
spielerei, und das Streben, immer neue Uniformen zu ersinnen, die Veran¬
lassung geboten haben.

Das Commissariat wurde ganz militärisch organisirt. Die Commissäre
erhielten den Rang und die Abzeichen der Offiziere. Schleppsäbel und Sporen,
das Offiziersporte6p6e und ein Sturmhut mit wallendem Federbusche stafsirten
die äußere Erscheinung eines solchen Amphibiums (denn man zählte sie weder
zu den Militärparteien noch vollkommen zu den Offizieren) auf das stattlichste
heraus, es wurde nicht nur ihre Stellung außerordentlich verbessert, sondern
es wurden ihnen auch für die Folge das glänzendste Avancement und andere
günstige Bestimmungen zugesichert. Der Stand wurde vermehrt und ihr
Wirkungskreis vergrößert. Desto trauriger sah es aber mit der innern Beschaffen¬
heit und mit dem Nutzen, den diese so kostspielige Schöpfung brachte, aus.
Bei der Zusammensetzung des Personals ging man von den früheren Grund¬
sätzen ganz ab und daher konnte auch wohl nichts Gutes erwartet werden.
Der Kandidat brauchte keine juridischen Kenntnisse zu besitzen, sondern nur
einige militärische Routine und vielleicht (man sagte solches natürlich nicht,
handelte aber darnach) die gewisse schablonenmäßige, auf allen officiellen bild¬
lichen Darstellungen vorkommende und unter dem Ausdrucke "Commißgesicht"
bekannte Gesichtsbildung. Es kam wenigstens vor, daß der Graf Grünn e
einen Offizier, welcher um die Aufnahme in das Commissariat ansuchte, unter
einem nichtigen Vorwande abfertigte, nachher aber bemerkte, daß "dieser Mensch
überhaupt gar kein militärisches Gesicht (!) habe". Hatten doch viele Offiziere
ihre vorzeitige Pensionirung nur ihren grauen Haaren zu verdanken, indem letztere
nach der Ansicht einer gewissen Persönlichkeit "zu manchen Uniformen nicht gut


Zudem war der Commissär ein reiner Beamter, für den Militär also ein Civilist.
Und in dieser Eigenschaft konnte er weit sicherer und rücksichtsloser auftreten,
als es, wenn er selbst einen ziemlich hohen militärischen Grad begleitet hätte,
möglich gewesen wäre; er stand nicht unter der militärischen Disciplin und
konnte, ohne die Subordination zu verletzen und ohne seine Zukunft zu gefähr¬
den, die ungesetzlichen Zumuthungen hochgestellter Militärs in ziemlich derber
Weise zurückweisen. Der durch seine bizarren Einfälle bekannte General S— sagte
einst, es wäre ihm leichter trotz seiner siebzig Jahre zehn Jungfrauen zu erobern,
als von einem Commissär eine Gefälligkeit zu erlangen. Gewiß ein aner¬
kennendes Zeugniß der strengen Rechtlichkeit und Willensfestigkeit der östreichischen '
Kriegskommissare jener Zeit.

Vermuthlich war es eben diese Ungefügigkeit, welche endlich zu der für die
Armee so verhängnißvollen Reorganisation der Kriegscommissäre führte; doch
mögen auch hierzu, sowie zu manchen andern verkehrten Maßregeln, die über¬
mäßige Centralisationssucht, die dem Kaiser und den meisten Personen seiner
Umgebung anhängende Soldatenliebhaberei, oder richtiger gesagt Soldaten¬
spielerei, und das Streben, immer neue Uniformen zu ersinnen, die Veran¬
lassung geboten haben.

Das Commissariat wurde ganz militärisch organisirt. Die Commissäre
erhielten den Rang und die Abzeichen der Offiziere. Schleppsäbel und Sporen,
das Offiziersporte6p6e und ein Sturmhut mit wallendem Federbusche stafsirten
die äußere Erscheinung eines solchen Amphibiums (denn man zählte sie weder
zu den Militärparteien noch vollkommen zu den Offizieren) auf das stattlichste
heraus, es wurde nicht nur ihre Stellung außerordentlich verbessert, sondern
es wurden ihnen auch für die Folge das glänzendste Avancement und andere
günstige Bestimmungen zugesichert. Der Stand wurde vermehrt und ihr
Wirkungskreis vergrößert. Desto trauriger sah es aber mit der innern Beschaffen¬
heit und mit dem Nutzen, den diese so kostspielige Schöpfung brachte, aus.
Bei der Zusammensetzung des Personals ging man von den früheren Grund¬
sätzen ganz ab und daher konnte auch wohl nichts Gutes erwartet werden.
Der Kandidat brauchte keine juridischen Kenntnisse zu besitzen, sondern nur
einige militärische Routine und vielleicht (man sagte solches natürlich nicht,
handelte aber darnach) die gewisse schablonenmäßige, auf allen officiellen bild¬
lichen Darstellungen vorkommende und unter dem Ausdrucke „Commißgesicht"
bekannte Gesichtsbildung. Es kam wenigstens vor, daß der Graf Grünn e
einen Offizier, welcher um die Aufnahme in das Commissariat ansuchte, unter
einem nichtigen Vorwande abfertigte, nachher aber bemerkte, daß „dieser Mensch
überhaupt gar kein militärisches Gesicht (!) habe". Hatten doch viele Offiziere
ihre vorzeitige Pensionirung nur ihren grauen Haaren zu verdanken, indem letztere
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[0430] Zudem war der Commissär ein reiner Beamter, für den Militär also ein Civilist. Und in dieser Eigenschaft konnte er weit sicherer und rücksichtsloser auftreten, als es, wenn er selbst einen ziemlich hohen militärischen Grad begleitet hätte, möglich gewesen wäre; er stand nicht unter der militärischen Disciplin und konnte, ohne die Subordination zu verletzen und ohne seine Zukunft zu gefähr¬ den, die ungesetzlichen Zumuthungen hochgestellter Militärs in ziemlich derber Weise zurückweisen. Der durch seine bizarren Einfälle bekannte General S— sagte einst, es wäre ihm leichter trotz seiner siebzig Jahre zehn Jungfrauen zu erobern, als von einem Commissär eine Gefälligkeit zu erlangen. Gewiß ein aner¬ kennendes Zeugniß der strengen Rechtlichkeit und Willensfestigkeit der östreichischen ' Kriegskommissare jener Zeit. Vermuthlich war es eben diese Ungefügigkeit, welche endlich zu der für die Armee so verhängnißvollen Reorganisation der Kriegscommissäre führte; doch mögen auch hierzu, sowie zu manchen andern verkehrten Maßregeln, die über¬ mäßige Centralisationssucht, die dem Kaiser und den meisten Personen seiner Umgebung anhängende Soldatenliebhaberei, oder richtiger gesagt Soldaten¬ spielerei, und das Streben, immer neue Uniformen zu ersinnen, die Veran¬ lassung geboten haben. Das Commissariat wurde ganz militärisch organisirt. Die Commissäre erhielten den Rang und die Abzeichen der Offiziere. Schleppsäbel und Sporen, das Offiziersporte6p6e und ein Sturmhut mit wallendem Federbusche stafsirten die äußere Erscheinung eines solchen Amphibiums (denn man zählte sie weder zu den Militärparteien noch vollkommen zu den Offizieren) auf das stattlichste heraus, es wurde nicht nur ihre Stellung außerordentlich verbessert, sondern es wurden ihnen auch für die Folge das glänzendste Avancement und andere günstige Bestimmungen zugesichert. Der Stand wurde vermehrt und ihr Wirkungskreis vergrößert. Desto trauriger sah es aber mit der innern Beschaffen¬ heit und mit dem Nutzen, den diese so kostspielige Schöpfung brachte, aus. Bei der Zusammensetzung des Personals ging man von den früheren Grund¬ sätzen ganz ab und daher konnte auch wohl nichts Gutes erwartet werden. Der Kandidat brauchte keine juridischen Kenntnisse zu besitzen, sondern nur einige militärische Routine und vielleicht (man sagte solches natürlich nicht, handelte aber darnach) die gewisse schablonenmäßige, auf allen officiellen bild¬ lichen Darstellungen vorkommende und unter dem Ausdrucke „Commißgesicht" bekannte Gesichtsbildung. Es kam wenigstens vor, daß der Graf Grünn e einen Offizier, welcher um die Aufnahme in das Commissariat ansuchte, unter einem nichtigen Vorwande abfertigte, nachher aber bemerkte, daß „dieser Mensch überhaupt gar kein militärisches Gesicht (!) habe". Hatten doch viele Offiziere ihre vorzeitige Pensionirung nur ihren grauen Haaren zu verdanken, indem letztere nach der Ansicht einer gewissen Persönlichkeit „zu manchen Uniformen nicht gut

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/430>, abgerufen am 24.07.2024.