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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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und wie flink und gewandt diese preußischen Pontoniere auch Glied an Glied
zu fügen verstanden, erst gegen zehn Uhr war das Wert vollendet, und erst
jetzt, nachdem die Dänen volle vierzehn Stunden abgezogen, konnte der Ueber¬
gang beginnen. Zuerst passirten die Prinzen mit ihrem Gefolge die Brücke,
dann Ziethen-Husaren, endlich Infanterie, Kürassiere und was sonst für die
Verfolgung bestimmt war.

"Für mich existirt kein Zweifel," so schließt mein Berichterstatter, der in
mehr als einer Beziehung als Sachverständiger bezeichnet werden kann, und der
überdies gut preußisch gesinnt ist. ebendeshalb aber Zustände, die ihm schäd¬
lich für die preußische Schlagkraft erscheinen, nicht verschweigen zu dürfen meint,
"für mich giebt es kaum einen Zweifel, daß der Uebergang über die Schlei
schon um ein, mindestens um drei Uhr Nachts hätte bewerkstelligt werden
tonnen, wo dann die Verfolgung der Dänen ein ganz anderes Resultat gehabt
haben würde, als es auf die hier beliebte Art hatte. Allermindestens -- um
jeden Vorwurf vorschnellen und unvorsichtigen Urtheilens zu vermeiden -- be¬
haupte ich, daß man vor Tagesgrauen die Brücke hätte fertig haben sollen, wo
die preußischen Reiter, die dann trotz des tiefen Schnees in den Redderwegcn
so rasch durch Angeln flogen, wahrscheinlich die dänische Nachhut vor Flens-
burg abgeschnitten hätten. In der Nacht nach zwei Uhr kam dem Gutsbesitzer,
der mir Herberge gegeben, durch einen Boten die völlig sichere Kunde von dem
Abmarsch der Feinde aus Amis und Koppeln zu, und auf der Stelle ver¬
anlaßten wir, daß diese Nachricht dem Generalstab der Cavallerie übermittelt
wurde. Dann näherten wir uns dem Gute, wo derselbe sein Quartier ge¬
nommen, in der Hoffnung, ihn ohne Aufenthalt aufbrechen zu sehen und ihm
folgen zu dürfen. Aber eine Stunde nach der andern verfloß, ohne daß es
sich in dem Gute regte, und schon wähnte ich, die Meldung unsres Boten sei
unwahr, als gegen zehn Uhr Vormittags der Generalstab an uns vorüber und
nach dem Wasser hinabritt. Ich sah meinen Wirth fragend an. "Was denken
Sie davon?" --"Hin," erwiderte er, "was denken Sie davon? -- "Hin, hin!"
-- "Hin, hin!" war das Einzige, was wir schweren Herzens herausbringen
konnten.

Was wir damals im Hinblick auf frühere Zeiten mißtrauisch vermutheten,
hat sich Gott Lob! nicht entfernt bestätigt. Man hat die Dänen nicht ent¬
kommen lassen wollen. Aber entkommen sind sie, und es giebt -- wider¬
willig und ohne irgendwie beizustimmen sage ichs nach -- hier im Lande mehr
als eine Stimme, die da meint, den Oestreichern wären sie nicht entkommen." --

Ich füge hinzu, daß nur die Unmöglichkeit, den Uebergang der Preußen
über die Schlei zu hindern, nicht die kleinen Erfolge der Oestreicher südlich und
südöstlich von der eigentlichen Dannewertstellung, de Meza veranlaßten, sich
nach Düppel und Alsen zurückzuziehen. Die östreichischen Truppen haben sich


und wie flink und gewandt diese preußischen Pontoniere auch Glied an Glied
zu fügen verstanden, erst gegen zehn Uhr war das Wert vollendet, und erst
jetzt, nachdem die Dänen volle vierzehn Stunden abgezogen, konnte der Ueber¬
gang beginnen. Zuerst passirten die Prinzen mit ihrem Gefolge die Brücke,
dann Ziethen-Husaren, endlich Infanterie, Kürassiere und was sonst für die
Verfolgung bestimmt war.

„Für mich existirt kein Zweifel," so schließt mein Berichterstatter, der in
mehr als einer Beziehung als Sachverständiger bezeichnet werden kann, und der
überdies gut preußisch gesinnt ist. ebendeshalb aber Zustände, die ihm schäd¬
lich für die preußische Schlagkraft erscheinen, nicht verschweigen zu dürfen meint,
„für mich giebt es kaum einen Zweifel, daß der Uebergang über die Schlei
schon um ein, mindestens um drei Uhr Nachts hätte bewerkstelligt werden
tonnen, wo dann die Verfolgung der Dänen ein ganz anderes Resultat gehabt
haben würde, als es auf die hier beliebte Art hatte. Allermindestens — um
jeden Vorwurf vorschnellen und unvorsichtigen Urtheilens zu vermeiden — be¬
haupte ich, daß man vor Tagesgrauen die Brücke hätte fertig haben sollen, wo
die preußischen Reiter, die dann trotz des tiefen Schnees in den Redderwegcn
so rasch durch Angeln flogen, wahrscheinlich die dänische Nachhut vor Flens-
burg abgeschnitten hätten. In der Nacht nach zwei Uhr kam dem Gutsbesitzer,
der mir Herberge gegeben, durch einen Boten die völlig sichere Kunde von dem
Abmarsch der Feinde aus Amis und Koppeln zu, und auf der Stelle ver¬
anlaßten wir, daß diese Nachricht dem Generalstab der Cavallerie übermittelt
wurde. Dann näherten wir uns dem Gute, wo derselbe sein Quartier ge¬
nommen, in der Hoffnung, ihn ohne Aufenthalt aufbrechen zu sehen und ihm
folgen zu dürfen. Aber eine Stunde nach der andern verfloß, ohne daß es
sich in dem Gute regte, und schon wähnte ich, die Meldung unsres Boten sei
unwahr, als gegen zehn Uhr Vormittags der Generalstab an uns vorüber und
nach dem Wasser hinabritt. Ich sah meinen Wirth fragend an. „Was denken
Sie davon?" —„Hin," erwiderte er, „was denken Sie davon? — „Hin, hin!"
— „Hin, hin!" war das Einzige, was wir schweren Herzens herausbringen
konnten.

Was wir damals im Hinblick auf frühere Zeiten mißtrauisch vermutheten,
hat sich Gott Lob! nicht entfernt bestätigt. Man hat die Dänen nicht ent¬
kommen lassen wollen. Aber entkommen sind sie, und es giebt — wider¬
willig und ohne irgendwie beizustimmen sage ichs nach — hier im Lande mehr
als eine Stimme, die da meint, den Oestreichern wären sie nicht entkommen." —

Ich füge hinzu, daß nur die Unmöglichkeit, den Uebergang der Preußen
über die Schlei zu hindern, nicht die kleinen Erfolge der Oestreicher südlich und
südöstlich von der eigentlichen Dannewertstellung, de Meza veranlaßten, sich
nach Düppel und Alsen zurückzuziehen. Die östreichischen Truppen haben sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/388>, abgerufen am 24.07.2024.