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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Mittwoch. den 3. in Eckernförde angekommen, war ich bis gegen elf Uhr
Morgens des strömenden Regens Kälber außer Stande, etwas zu unternehmen.
Auch gingen die Ansichten Aller, selbst der Militärs, soweit auseinander, daß
der rechte Punkt, auf dem etwas zu sehen und zu erleben, nicht wohl zu er¬
rathen war. Gegen die zwölfte Stunde klärte sich der Himmel, und als der
Regen aufgehört, schlenderte ich durch die Straßen, zunächst nur, um nach den
unbehaglichen Stunden, die ich in dem mit Tabaksqualm erfüllten Saale des
Gasthofs verlebt, etwas frische Luft zu schöpfen. Da sehe ich draußen am
Mühlenberg den kielcr Hafenmeister mit den Booten, welche zum Uebergang
über die Schlei benutzt werden sollten, den Weg nach Osten einschlagen. Wo
die hingehen, dachte ich, muß jedenfalls Wichtiges beabsichtigt sein, und so
war mein Entschluß rasch gefaßt, ich folgte ihnen. Bald erfuhr ich, daß das
Gut Maasleben, eine starke Meile südlich von Amis, der nächste Bestimmungs¬
ort der Wagen mit den Booten sei, und ich richtete meinen Marsch darnach ein.

Am Donnerstag blieb alles ruhig. Die Boote mit ihrer Begleitung
waren, eine Patrouille von Husaren ausgenommen, die in Sieseby lag, um die
Bewegungen des Feindes am jenseitigen Schleiufer zu beobachten, meines
Wissens der am weitesten vorgeschobene Posten.

Am Freitag früh heftiger Schneefall. Zwischen elf und zwölf Uhr fing es
an, in der Gegend lebendig zu werden, indem die ersten Pickelhauben von
Eckernförde eintrafen, und bald folgten mehre, Bataillon auf Bataillon, Schwa¬
dron auf Schwadron, ein Artilleriepark nach dem andern, desgleichen Muni-
tionscolonnen und der ganze ungeheure Train und Troß, der zu dem Corps
gehörte. Ununterbrochen dauerte der Vorübermarsch der Soldaten fort bis gegen
vier Uhr. Zwei Stunden später waren die letzten Truppen in der Nähe der
beiden Orte aufgestellt, wo der Uebergang stattfinden sollte. schrägüber von
dem Fischerdorfe Amis bei der Fährstclle sollte eine Pontonbrücke geschlagen
werden, weiter nördlich, bei dem Flecken Kappeln, die Brigade Roter und die
Avantgarde auf den erwähnten Booten übersetzen. Gegen hundert Geschütze,
darunter eine beträchtliche Anzahl gezogene, waren aufgefahren, um diese Opera¬
tionen zu unterstützen, die durch zwei anscheinend gut armirte dänische Schanzen
bei Amis und Kappeln bedroht waren. Das Hauptquartier des Prinzen
Friedrich Karl war in Karlsburg, einem Jagdschloß des Herzogs Karl von Glücks¬
burg, welches etwa fünfzehnhundert Schritt von der hier circa Vierthalbhundert
Ellen breiten Schlei liegt. Um halb fünf Uhr des nächsten Morgens sollte, so
hieß es, der Anfang mit dem Brückenschlag gemacht werden. "Ein harter
Kampf steht uns bevor," hörte ich von verschiedenen Seiten äußern, "aber Gott
sei Dank, daß es endlich einmal Ernst wird." Man erwartete mindestens eine
Vertheidigung wie bei Missunde, und man glaubte, daß sich an derselben auch
dänische Kanonenboote betheiligen würden.


Mittwoch. den 3. in Eckernförde angekommen, war ich bis gegen elf Uhr
Morgens des strömenden Regens Kälber außer Stande, etwas zu unternehmen.
Auch gingen die Ansichten Aller, selbst der Militärs, soweit auseinander, daß
der rechte Punkt, auf dem etwas zu sehen und zu erleben, nicht wohl zu er¬
rathen war. Gegen die zwölfte Stunde klärte sich der Himmel, und als der
Regen aufgehört, schlenderte ich durch die Straßen, zunächst nur, um nach den
unbehaglichen Stunden, die ich in dem mit Tabaksqualm erfüllten Saale des
Gasthofs verlebt, etwas frische Luft zu schöpfen. Da sehe ich draußen am
Mühlenberg den kielcr Hafenmeister mit den Booten, welche zum Uebergang
über die Schlei benutzt werden sollten, den Weg nach Osten einschlagen. Wo
die hingehen, dachte ich, muß jedenfalls Wichtiges beabsichtigt sein, und so
war mein Entschluß rasch gefaßt, ich folgte ihnen. Bald erfuhr ich, daß das
Gut Maasleben, eine starke Meile südlich von Amis, der nächste Bestimmungs¬
ort der Wagen mit den Booten sei, und ich richtete meinen Marsch darnach ein.

Am Donnerstag blieb alles ruhig. Die Boote mit ihrer Begleitung
waren, eine Patrouille von Husaren ausgenommen, die in Sieseby lag, um die
Bewegungen des Feindes am jenseitigen Schleiufer zu beobachten, meines
Wissens der am weitesten vorgeschobene Posten.

Am Freitag früh heftiger Schneefall. Zwischen elf und zwölf Uhr fing es
an, in der Gegend lebendig zu werden, indem die ersten Pickelhauben von
Eckernförde eintrafen, und bald folgten mehre, Bataillon auf Bataillon, Schwa¬
dron auf Schwadron, ein Artilleriepark nach dem andern, desgleichen Muni-
tionscolonnen und der ganze ungeheure Train und Troß, der zu dem Corps
gehörte. Ununterbrochen dauerte der Vorübermarsch der Soldaten fort bis gegen
vier Uhr. Zwei Stunden später waren die letzten Truppen in der Nähe der
beiden Orte aufgestellt, wo der Uebergang stattfinden sollte. schrägüber von
dem Fischerdorfe Amis bei der Fährstclle sollte eine Pontonbrücke geschlagen
werden, weiter nördlich, bei dem Flecken Kappeln, die Brigade Roter und die
Avantgarde auf den erwähnten Booten übersetzen. Gegen hundert Geschütze,
darunter eine beträchtliche Anzahl gezogene, waren aufgefahren, um diese Opera¬
tionen zu unterstützen, die durch zwei anscheinend gut armirte dänische Schanzen
bei Amis und Kappeln bedroht waren. Das Hauptquartier des Prinzen
Friedrich Karl war in Karlsburg, einem Jagdschloß des Herzogs Karl von Glücks¬
burg, welches etwa fünfzehnhundert Schritt von der hier circa Vierthalbhundert
Ellen breiten Schlei liegt. Um halb fünf Uhr des nächsten Morgens sollte, so
hieß es, der Anfang mit dem Brückenschlag gemacht werden. „Ein harter
Kampf steht uns bevor," hörte ich von verschiedenen Seiten äußern, „aber Gott
sei Dank, daß es endlich einmal Ernst wird." Man erwartete mindestens eine
Vertheidigung wie bei Missunde, und man glaubte, daß sich an derselben auch
dänische Kanonenboote betheiligen würden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/386>, abgerufen am 24.07.2024.