Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Gelegenheit zur Erwerbung von Grundbesitz und bei der fehlenden Freizügig'
keit die niedere Volksclasse in den Rittergütern stehe, noch die Ausübung einer
ganz unbegrenzten Polizeigewalt Seitens des Gutsbesitzers hinzutreten. Und
diese Gewalt solle Personen übertragen werden, die auf ihr Amt nicht beeidigt
und keiner Controle unterworfen sind, die keine Oberbchörde haben als ein
fernwohnendes Ministerium, welches nur im Falle des Recurses von einem
polizeilichen Straferkenntniß Kunde erhalte. Ja nach dem Vorschlage des Co¬
mite solle deren Befugniß sich sogar auf Verurteilungen bis zu fünf Thlr.
Geldstrafe, achttägigen Gefängniß und selbst körperlicher Züchtigung erstrecken.
Die Regierung wolle die "Autorität des Gutsherrn" dadurch stärken, die "so
wichtige Subordination der Gutsleute unter die Gutsobrigkeit" vermehren.
Die Gutsbesitzer bedürften aber einer so traurigen Hilfe nicht. Sie hätten in
dem Princip der Accordarbeit, in der Austheilung von Belohnungen und Wohl¬
thaten, in dem Recht der Kündigung und Dienstentlassung und in der Klage
vor Gericht genug Mittel in den Händen, um ihre Leute zur Erfüllung ihrer
Pflicht anzuhalten. Es sei auch nicht anzunehmen, daß die Arbeiter der iknen
in dem Gesetzentwurf zugedachten Behandlung sich willig unterwerfen würden
Aus allen diesen Gründen könne er nur für eine Verwerfung der Vorlage
stimmen.

Die übrigen anwesenden Ritter aber waren ganz entgegengesetzter Ansicht
und konnten nicht genug des Lobes für die Bestimmungen des Gesetzentwurfs
finden. Kammerherr v. Oertzen auf Kvtelow meinte: es handle sich hier
darum, Ordnung und Zucht unter den ritterschaftlichen Hintersassen zu erhalten.
Die Besorgniß. daß das Privatinteresse der Gutsherrschaft sich bei der Hand-
hcibung des Gesetzes geltend machen werde, sei ganz unbegründet. Ein anderer
Ritter, Herr v. Nußbaum auf Ziesendvrf, bestätigte dies mit der Versicherung
wenn er eine polizeiliche Handlung vornehmen würde, die sein eigenes Interesse
berühre, dann würde er erst recht "difficil" darin verfahren. Er wünschte aber
noch eine Erweiterung der Competenz des Gutsherrn -auf die Fälle civilrecht¬
licher Natur, wo es sich um die contractlichen Verpflichtungen der Arbeiter und
Arbeitgeber handle, da die Gutsherren sonst zu sehr beschränkt sein würden.
Ihm sei es noch während der letzten Ernte begegnet, daß sämmtliche fremde
Arbeiter plötzlich die Arbeit verlassen hätren. Wenn der Gutsherr nicht befugt
sein solle, in solchen Fällen selbst als Polizeirichter zu fungiren, dann könne
ihm das ganze Gesetz nichts helfen/ und er selbst werde dann gegen dasselbe
stimmen. Noch .fanden sich mehrere Mitglieder der Ritterschaft, welche die dem
Gutsherrn ertheilte Befugniß zur Verhängung körperlicher Züchtigung lobend
hervorhoben. Das, meinten sie, wirke mehr, als wenn die Leute von Gerichts¬
wegen eingesperrt würdea.

Da jedoch die zum großen Theile als Patrimonialrichter fungirenden Bürger-


Grenzbotm I. 1864. 48

Gelegenheit zur Erwerbung von Grundbesitz und bei der fehlenden Freizügig'
keit die niedere Volksclasse in den Rittergütern stehe, noch die Ausübung einer
ganz unbegrenzten Polizeigewalt Seitens des Gutsbesitzers hinzutreten. Und
diese Gewalt solle Personen übertragen werden, die auf ihr Amt nicht beeidigt
und keiner Controle unterworfen sind, die keine Oberbchörde haben als ein
fernwohnendes Ministerium, welches nur im Falle des Recurses von einem
polizeilichen Straferkenntniß Kunde erhalte. Ja nach dem Vorschlage des Co¬
mite solle deren Befugniß sich sogar auf Verurteilungen bis zu fünf Thlr.
Geldstrafe, achttägigen Gefängniß und selbst körperlicher Züchtigung erstrecken.
Die Regierung wolle die „Autorität des Gutsherrn" dadurch stärken, die „so
wichtige Subordination der Gutsleute unter die Gutsobrigkeit" vermehren.
Die Gutsbesitzer bedürften aber einer so traurigen Hilfe nicht. Sie hätten in
dem Princip der Accordarbeit, in der Austheilung von Belohnungen und Wohl¬
thaten, in dem Recht der Kündigung und Dienstentlassung und in der Klage
vor Gericht genug Mittel in den Händen, um ihre Leute zur Erfüllung ihrer
Pflicht anzuhalten. Es sei auch nicht anzunehmen, daß die Arbeiter der iknen
in dem Gesetzentwurf zugedachten Behandlung sich willig unterwerfen würden
Aus allen diesen Gründen könne er nur für eine Verwerfung der Vorlage
stimmen.

Die übrigen anwesenden Ritter aber waren ganz entgegengesetzter Ansicht
und konnten nicht genug des Lobes für die Bestimmungen des Gesetzentwurfs
finden. Kammerherr v. Oertzen auf Kvtelow meinte: es handle sich hier
darum, Ordnung und Zucht unter den ritterschaftlichen Hintersassen zu erhalten.
Die Besorgniß. daß das Privatinteresse der Gutsherrschaft sich bei der Hand-
hcibung des Gesetzes geltend machen werde, sei ganz unbegründet. Ein anderer
Ritter, Herr v. Nußbaum auf Ziesendvrf, bestätigte dies mit der Versicherung
wenn er eine polizeiliche Handlung vornehmen würde, die sein eigenes Interesse
berühre, dann würde er erst recht „difficil" darin verfahren. Er wünschte aber
noch eine Erweiterung der Competenz des Gutsherrn -auf die Fälle civilrecht¬
licher Natur, wo es sich um die contractlichen Verpflichtungen der Arbeiter und
Arbeitgeber handle, da die Gutsherren sonst zu sehr beschränkt sein würden.
Ihm sei es noch während der letzten Ernte begegnet, daß sämmtliche fremde
Arbeiter plötzlich die Arbeit verlassen hätren. Wenn der Gutsherr nicht befugt
sein solle, in solchen Fällen selbst als Polizeirichter zu fungiren, dann könne
ihm das ganze Gesetz nichts helfen/ und er selbst werde dann gegen dasselbe
stimmen. Noch .fanden sich mehrere Mitglieder der Ritterschaft, welche die dem
Gutsherrn ertheilte Befugniß zur Verhängung körperlicher Züchtigung lobend
hervorhoben. Das, meinten sie, wirke mehr, als wenn die Leute von Gerichts¬
wegen eingesperrt würdea.

Da jedoch die zum großen Theile als Patrimonialrichter fungirenden Bürger-


Grenzbotm I. 1864. 48
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0383" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116849"/>
          <p xml:id="ID_1157" prev="#ID_1156"> Gelegenheit zur Erwerbung von Grundbesitz und bei der fehlenden Freizügig'<lb/>
keit die niedere Volksclasse in den Rittergütern stehe, noch die Ausübung einer<lb/>
ganz unbegrenzten Polizeigewalt Seitens des Gutsbesitzers hinzutreten. Und<lb/>
diese Gewalt solle Personen übertragen werden, die auf ihr Amt nicht beeidigt<lb/>
und keiner Controle unterworfen sind, die keine Oberbchörde haben als ein<lb/>
fernwohnendes Ministerium, welches nur im Falle des Recurses von einem<lb/>
polizeilichen Straferkenntniß Kunde erhalte. Ja nach dem Vorschlage des Co¬<lb/>
mite solle deren Befugniß sich sogar auf Verurteilungen bis zu fünf Thlr.<lb/>
Geldstrafe, achttägigen Gefängniß und selbst körperlicher Züchtigung erstrecken.<lb/>
Die Regierung wolle die &#x201E;Autorität des Gutsherrn" dadurch stärken, die &#x201E;so<lb/>
wichtige Subordination der Gutsleute unter die Gutsobrigkeit" vermehren.<lb/>
Die Gutsbesitzer bedürften aber einer so traurigen Hilfe nicht. Sie hätten in<lb/>
dem Princip der Accordarbeit, in der Austheilung von Belohnungen und Wohl¬<lb/>
thaten, in dem Recht der Kündigung und Dienstentlassung und in der Klage<lb/>
vor Gericht genug Mittel in den Händen, um ihre Leute zur Erfüllung ihrer<lb/>
Pflicht anzuhalten. Es sei auch nicht anzunehmen, daß die Arbeiter der iknen<lb/>
in dem Gesetzentwurf zugedachten Behandlung sich willig unterwerfen würden<lb/>
Aus allen diesen Gründen könne er nur für eine Verwerfung der Vorlage<lb/>
stimmen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1158"> Die übrigen anwesenden Ritter aber waren ganz entgegengesetzter Ansicht<lb/>
und konnten nicht genug des Lobes für die Bestimmungen des Gesetzentwurfs<lb/>
finden. Kammerherr v. Oertzen auf Kvtelow meinte: es handle sich hier<lb/>
darum, Ordnung und Zucht unter den ritterschaftlichen Hintersassen zu erhalten.<lb/>
Die Besorgniß. daß das Privatinteresse der Gutsherrschaft sich bei der Hand-<lb/>
hcibung des Gesetzes geltend machen werde, sei ganz unbegründet. Ein anderer<lb/>
Ritter, Herr v. Nußbaum auf Ziesendvrf, bestätigte dies mit der Versicherung<lb/>
wenn er eine polizeiliche Handlung vornehmen würde, die sein eigenes Interesse<lb/>
berühre, dann würde er erst recht &#x201E;difficil" darin verfahren. Er wünschte aber<lb/>
noch eine Erweiterung der Competenz des Gutsherrn -auf die Fälle civilrecht¬<lb/>
licher Natur, wo es sich um die contractlichen Verpflichtungen der Arbeiter und<lb/>
Arbeitgeber handle, da die Gutsherren sonst zu sehr beschränkt sein würden.<lb/>
Ihm sei es noch während der letzten Ernte begegnet, daß sämmtliche fremde<lb/>
Arbeiter plötzlich die Arbeit verlassen hätren. Wenn der Gutsherr nicht befugt<lb/>
sein solle, in solchen Fällen selbst als Polizeirichter zu fungiren, dann könne<lb/>
ihm das ganze Gesetz nichts helfen/ und er selbst werde dann gegen dasselbe<lb/>
stimmen. Noch .fanden sich mehrere Mitglieder der Ritterschaft, welche die dem<lb/>
Gutsherrn ertheilte Befugniß zur Verhängung körperlicher Züchtigung lobend<lb/>
hervorhoben. Das, meinten sie, wirke mehr, als wenn die Leute von Gerichts¬<lb/>
wegen eingesperrt würdea.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1159" next="#ID_1160"> Da jedoch die zum großen Theile als Patrimonialrichter fungirenden Bürger-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbotm I. 1864. 48</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0383] Gelegenheit zur Erwerbung von Grundbesitz und bei der fehlenden Freizügig' keit die niedere Volksclasse in den Rittergütern stehe, noch die Ausübung einer ganz unbegrenzten Polizeigewalt Seitens des Gutsbesitzers hinzutreten. Und diese Gewalt solle Personen übertragen werden, die auf ihr Amt nicht beeidigt und keiner Controle unterworfen sind, die keine Oberbchörde haben als ein fernwohnendes Ministerium, welches nur im Falle des Recurses von einem polizeilichen Straferkenntniß Kunde erhalte. Ja nach dem Vorschlage des Co¬ mite solle deren Befugniß sich sogar auf Verurteilungen bis zu fünf Thlr. Geldstrafe, achttägigen Gefängniß und selbst körperlicher Züchtigung erstrecken. Die Regierung wolle die „Autorität des Gutsherrn" dadurch stärken, die „so wichtige Subordination der Gutsleute unter die Gutsobrigkeit" vermehren. Die Gutsbesitzer bedürften aber einer so traurigen Hilfe nicht. Sie hätten in dem Princip der Accordarbeit, in der Austheilung von Belohnungen und Wohl¬ thaten, in dem Recht der Kündigung und Dienstentlassung und in der Klage vor Gericht genug Mittel in den Händen, um ihre Leute zur Erfüllung ihrer Pflicht anzuhalten. Es sei auch nicht anzunehmen, daß die Arbeiter der iknen in dem Gesetzentwurf zugedachten Behandlung sich willig unterwerfen würden Aus allen diesen Gründen könne er nur für eine Verwerfung der Vorlage stimmen. Die übrigen anwesenden Ritter aber waren ganz entgegengesetzter Ansicht und konnten nicht genug des Lobes für die Bestimmungen des Gesetzentwurfs finden. Kammerherr v. Oertzen auf Kvtelow meinte: es handle sich hier darum, Ordnung und Zucht unter den ritterschaftlichen Hintersassen zu erhalten. Die Besorgniß. daß das Privatinteresse der Gutsherrschaft sich bei der Hand- hcibung des Gesetzes geltend machen werde, sei ganz unbegründet. Ein anderer Ritter, Herr v. Nußbaum auf Ziesendvrf, bestätigte dies mit der Versicherung wenn er eine polizeiliche Handlung vornehmen würde, die sein eigenes Interesse berühre, dann würde er erst recht „difficil" darin verfahren. Er wünschte aber noch eine Erweiterung der Competenz des Gutsherrn -auf die Fälle civilrecht¬ licher Natur, wo es sich um die contractlichen Verpflichtungen der Arbeiter und Arbeitgeber handle, da die Gutsherren sonst zu sehr beschränkt sein würden. Ihm sei es noch während der letzten Ernte begegnet, daß sämmtliche fremde Arbeiter plötzlich die Arbeit verlassen hätren. Wenn der Gutsherr nicht befugt sein solle, in solchen Fällen selbst als Polizeirichter zu fungiren, dann könne ihm das ganze Gesetz nichts helfen/ und er selbst werde dann gegen dasselbe stimmen. Noch .fanden sich mehrere Mitglieder der Ritterschaft, welche die dem Gutsherrn ertheilte Befugniß zur Verhängung körperlicher Züchtigung lobend hervorhoben. Das, meinten sie, wirke mehr, als wenn die Leute von Gerichts¬ wegen eingesperrt würdea. Da jedoch die zum großen Theile als Patrimonialrichter fungirenden Bürger- Grenzbotm I. 1864. 48

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/383
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/383>, abgerufen am 24.07.2024.