Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

keit entgegenkommt. Nun wird es zwar dem Ministerium wenig darauf an¬
kommen, ob einige Hundert Schleswiger, durch die preußische Verwaltung com-
Promittirt, später Opfer der restituirten Dänen werden, aber nicht ganz so
leicht ist mit dem preußischen Heere fertig zu werden, und mit den Erinnerungen
an die Jahre 1848 bis 50. Wer von preußischen Soldaten in die Herzogthümer
geschickt wurde, der kommt mit sehr wenigen Ausnahmen in wackerer, schief-'
wig-holstcinscher Gesinnung zurück. Auch den Offizieren der Regimenter und
des Stabes werden dort die Vorurtheile, welche sie in ihrer Garnison aus der
befohlenen Lectüre der schlechtesten preußischen Zeitung mitbrachten, durch die
Wirklichkeit schnell zerstört. Die Preußen werden aus dem Felde anders heim¬
kehren, als sie hingegangen sind, und es wird nach dieser Campagne nicht
rathsam sein, das Heer als willenloses Werkzeug einer zügellosen Reaction zu
betrachten. Selbst der höchste Kriegsherr wird sich sagen, daß das Blut seiner
Preußen nicht zum zweiten Mal vergossen werden dürfe, um die dänische Herr¬
schaft in ähnlicher Weise dort zu befestigen, wie vor vierzehn Jahren geschah.

Was soll also die Campagne? Vielleicht Schleswig für Preußen erobern.
Nun, wir sind weit preußischer als Herr v. Bismark, und unser ganzer be¬
scheidener Widerspruch gegen seine innere und äußere Politik hat keinen andern
Grund, als daß es seinem Ministerium noch in keinem Augenblicke gelungen
ist, Preußens Autorität, Macht und Einfluß in Europa zu vergrößern. Und
wir sind allerdings überzeugt, daß das auf seinem Wege unmöglich ist. Wäre
es denkbar, die Herzogthümer jetzt mit freiem Willen der Bevölkerung, mit
Schonung der Erbansprüche seines Herzogs, welche die öffentliche Meinung
Deutschlands anerkannt hat. mit Preußen zu verbinden, so würden wir diesen
Erfolg für einen so hohen und segensreichen halten, daß er die größten Opfer
rechtfertigte. Und es war vor einigen Jahren möglich dieses Ziel zu erreichen,
für die Gegenwart ist alle Mühe verloren. Ein Staat, der im Innern sich so
unfertig erweist, als der preußische in diesen Jahren, eine Regierung, welche
leider die unpopulärste in ganz Europa ist, kann nur schwer selbst einen diplo¬
matischen Erfolg durchsetzen, sie ist ganz machtlos in solchen Fällen, wo das
Rechtsbewußtsein und die Zuneigung eines Volkes das letzte Entscheidende sein
müssen. Wohl ist nicht zu läugnen, daß unter Umständen in irgendeiner Zu¬
kunft eine enge Verbindung der Herzogthümer mit Preußen durchgesetzt werden
könnte. Und es giebt dafür vielleicht auch einen Modus, welcher den Erfolg
wahrscheinlich macht, insofern er alle zunächst Betheiligten zufrieden stellt. Aber
die Voraussetzung ist ein ganz anderes System in Preußen selbst. Und es ist
unnütz, jetzt darüber ein Wort zu verlieren.

Gegenwärtig bleibt, wie gern man in Berlin auch dieser Illusion sich hingeben
mag, nichts übrig als das einfache Naheliegende zu thun, d. h. das gebotene
rechtliche Mittel der Abtrennung zu benutzen und den Herzog in seinem Lande


46"

keit entgegenkommt. Nun wird es zwar dem Ministerium wenig darauf an¬
kommen, ob einige Hundert Schleswiger, durch die preußische Verwaltung com-
Promittirt, später Opfer der restituirten Dänen werden, aber nicht ganz so
leicht ist mit dem preußischen Heere fertig zu werden, und mit den Erinnerungen
an die Jahre 1848 bis 50. Wer von preußischen Soldaten in die Herzogthümer
geschickt wurde, der kommt mit sehr wenigen Ausnahmen in wackerer, schief-'
wig-holstcinscher Gesinnung zurück. Auch den Offizieren der Regimenter und
des Stabes werden dort die Vorurtheile, welche sie in ihrer Garnison aus der
befohlenen Lectüre der schlechtesten preußischen Zeitung mitbrachten, durch die
Wirklichkeit schnell zerstört. Die Preußen werden aus dem Felde anders heim¬
kehren, als sie hingegangen sind, und es wird nach dieser Campagne nicht
rathsam sein, das Heer als willenloses Werkzeug einer zügellosen Reaction zu
betrachten. Selbst der höchste Kriegsherr wird sich sagen, daß das Blut seiner
Preußen nicht zum zweiten Mal vergossen werden dürfe, um die dänische Herr¬
schaft in ähnlicher Weise dort zu befestigen, wie vor vierzehn Jahren geschah.

Was soll also die Campagne? Vielleicht Schleswig für Preußen erobern.
Nun, wir sind weit preußischer als Herr v. Bismark, und unser ganzer be¬
scheidener Widerspruch gegen seine innere und äußere Politik hat keinen andern
Grund, als daß es seinem Ministerium noch in keinem Augenblicke gelungen
ist, Preußens Autorität, Macht und Einfluß in Europa zu vergrößern. Und
wir sind allerdings überzeugt, daß das auf seinem Wege unmöglich ist. Wäre
es denkbar, die Herzogthümer jetzt mit freiem Willen der Bevölkerung, mit
Schonung der Erbansprüche seines Herzogs, welche die öffentliche Meinung
Deutschlands anerkannt hat. mit Preußen zu verbinden, so würden wir diesen
Erfolg für einen so hohen und segensreichen halten, daß er die größten Opfer
rechtfertigte. Und es war vor einigen Jahren möglich dieses Ziel zu erreichen,
für die Gegenwart ist alle Mühe verloren. Ein Staat, der im Innern sich so
unfertig erweist, als der preußische in diesen Jahren, eine Regierung, welche
leider die unpopulärste in ganz Europa ist, kann nur schwer selbst einen diplo¬
matischen Erfolg durchsetzen, sie ist ganz machtlos in solchen Fällen, wo das
Rechtsbewußtsein und die Zuneigung eines Volkes das letzte Entscheidende sein
müssen. Wohl ist nicht zu läugnen, daß unter Umständen in irgendeiner Zu¬
kunft eine enge Verbindung der Herzogthümer mit Preußen durchgesetzt werden
könnte. Und es giebt dafür vielleicht auch einen Modus, welcher den Erfolg
wahrscheinlich macht, insofern er alle zunächst Betheiligten zufrieden stellt. Aber
die Voraussetzung ist ein ganz anderes System in Preußen selbst. Und es ist
unnütz, jetzt darüber ein Wort zu verlieren.

Gegenwärtig bleibt, wie gern man in Berlin auch dieser Illusion sich hingeben
mag, nichts übrig als das einfache Naheliegende zu thun, d. h. das gebotene
rechtliche Mittel der Abtrennung zu benutzen und den Herzog in seinem Lande


46"
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0369" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116835"/>
          <p xml:id="ID_1113" prev="#ID_1112"> keit entgegenkommt. Nun wird es zwar dem Ministerium wenig darauf an¬<lb/>
kommen, ob einige Hundert Schleswiger, durch die preußische Verwaltung com-<lb/>
Promittirt, später Opfer der restituirten Dänen werden, aber nicht ganz so<lb/>
leicht ist mit dem preußischen Heere fertig zu werden, und mit den Erinnerungen<lb/>
an die Jahre 1848 bis 50. Wer von preußischen Soldaten in die Herzogthümer<lb/>
geschickt wurde, der kommt mit sehr wenigen Ausnahmen in wackerer, schief-'<lb/>
wig-holstcinscher Gesinnung zurück. Auch den Offizieren der Regimenter und<lb/>
des Stabes werden dort die Vorurtheile, welche sie in ihrer Garnison aus der<lb/>
befohlenen Lectüre der schlechtesten preußischen Zeitung mitbrachten, durch die<lb/>
Wirklichkeit schnell zerstört. Die Preußen werden aus dem Felde anders heim¬<lb/>
kehren, als sie hingegangen sind, und es wird nach dieser Campagne nicht<lb/>
rathsam sein, das Heer als willenloses Werkzeug einer zügellosen Reaction zu<lb/>
betrachten. Selbst der höchste Kriegsherr wird sich sagen, daß das Blut seiner<lb/>
Preußen nicht zum zweiten Mal vergossen werden dürfe, um die dänische Herr¬<lb/>
schaft in ähnlicher Weise dort zu befestigen, wie vor vierzehn Jahren geschah.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1114"> Was soll also die Campagne? Vielleicht Schleswig für Preußen erobern.<lb/>
Nun, wir sind weit preußischer als Herr v. Bismark, und unser ganzer be¬<lb/>
scheidener Widerspruch gegen seine innere und äußere Politik hat keinen andern<lb/>
Grund, als daß es seinem Ministerium noch in keinem Augenblicke gelungen<lb/>
ist, Preußens Autorität, Macht und Einfluß in Europa zu vergrößern. Und<lb/>
wir sind allerdings überzeugt, daß das auf seinem Wege unmöglich ist. Wäre<lb/>
es denkbar, die Herzogthümer jetzt mit freiem Willen der Bevölkerung, mit<lb/>
Schonung der Erbansprüche seines Herzogs, welche die öffentliche Meinung<lb/>
Deutschlands anerkannt hat. mit Preußen zu verbinden, so würden wir diesen<lb/>
Erfolg für einen so hohen und segensreichen halten, daß er die größten Opfer<lb/>
rechtfertigte. Und es war vor einigen Jahren möglich dieses Ziel zu erreichen,<lb/>
für die Gegenwart ist alle Mühe verloren. Ein Staat, der im Innern sich so<lb/>
unfertig erweist, als der preußische in diesen Jahren, eine Regierung, welche<lb/>
leider die unpopulärste in ganz Europa ist, kann nur schwer selbst einen diplo¬<lb/>
matischen Erfolg durchsetzen, sie ist ganz machtlos in solchen Fällen, wo das<lb/>
Rechtsbewußtsein und die Zuneigung eines Volkes das letzte Entscheidende sein<lb/>
müssen. Wohl ist nicht zu läugnen, daß unter Umständen in irgendeiner Zu¬<lb/>
kunft eine enge Verbindung der Herzogthümer mit Preußen durchgesetzt werden<lb/>
könnte. Und es giebt dafür vielleicht auch einen Modus, welcher den Erfolg<lb/>
wahrscheinlich macht, insofern er alle zunächst Betheiligten zufrieden stellt. Aber<lb/>
die Voraussetzung ist ein ganz anderes System in Preußen selbst. Und es ist<lb/>
unnütz, jetzt darüber ein Wort zu verlieren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1115" next="#ID_1116"> Gegenwärtig bleibt, wie gern man in Berlin auch dieser Illusion sich hingeben<lb/>
mag, nichts übrig als das einfache Naheliegende zu thun, d. h. das gebotene<lb/>
rechtliche Mittel der Abtrennung zu benutzen und den Herzog in seinem Lande</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 46"</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0369] keit entgegenkommt. Nun wird es zwar dem Ministerium wenig darauf an¬ kommen, ob einige Hundert Schleswiger, durch die preußische Verwaltung com- Promittirt, später Opfer der restituirten Dänen werden, aber nicht ganz so leicht ist mit dem preußischen Heere fertig zu werden, und mit den Erinnerungen an die Jahre 1848 bis 50. Wer von preußischen Soldaten in die Herzogthümer geschickt wurde, der kommt mit sehr wenigen Ausnahmen in wackerer, schief-' wig-holstcinscher Gesinnung zurück. Auch den Offizieren der Regimenter und des Stabes werden dort die Vorurtheile, welche sie in ihrer Garnison aus der befohlenen Lectüre der schlechtesten preußischen Zeitung mitbrachten, durch die Wirklichkeit schnell zerstört. Die Preußen werden aus dem Felde anders heim¬ kehren, als sie hingegangen sind, und es wird nach dieser Campagne nicht rathsam sein, das Heer als willenloses Werkzeug einer zügellosen Reaction zu betrachten. Selbst der höchste Kriegsherr wird sich sagen, daß das Blut seiner Preußen nicht zum zweiten Mal vergossen werden dürfe, um die dänische Herr¬ schaft in ähnlicher Weise dort zu befestigen, wie vor vierzehn Jahren geschah. Was soll also die Campagne? Vielleicht Schleswig für Preußen erobern. Nun, wir sind weit preußischer als Herr v. Bismark, und unser ganzer be¬ scheidener Widerspruch gegen seine innere und äußere Politik hat keinen andern Grund, als daß es seinem Ministerium noch in keinem Augenblicke gelungen ist, Preußens Autorität, Macht und Einfluß in Europa zu vergrößern. Und wir sind allerdings überzeugt, daß das auf seinem Wege unmöglich ist. Wäre es denkbar, die Herzogthümer jetzt mit freiem Willen der Bevölkerung, mit Schonung der Erbansprüche seines Herzogs, welche die öffentliche Meinung Deutschlands anerkannt hat. mit Preußen zu verbinden, so würden wir diesen Erfolg für einen so hohen und segensreichen halten, daß er die größten Opfer rechtfertigte. Und es war vor einigen Jahren möglich dieses Ziel zu erreichen, für die Gegenwart ist alle Mühe verloren. Ein Staat, der im Innern sich so unfertig erweist, als der preußische in diesen Jahren, eine Regierung, welche leider die unpopulärste in ganz Europa ist, kann nur schwer selbst einen diplo¬ matischen Erfolg durchsetzen, sie ist ganz machtlos in solchen Fällen, wo das Rechtsbewußtsein und die Zuneigung eines Volkes das letzte Entscheidende sein müssen. Wohl ist nicht zu läugnen, daß unter Umständen in irgendeiner Zu¬ kunft eine enge Verbindung der Herzogthümer mit Preußen durchgesetzt werden könnte. Und es giebt dafür vielleicht auch einen Modus, welcher den Erfolg wahrscheinlich macht, insofern er alle zunächst Betheiligten zufrieden stellt. Aber die Voraussetzung ist ein ganz anderes System in Preußen selbst. Und es ist unnütz, jetzt darüber ein Wort zu verlieren. Gegenwärtig bleibt, wie gern man in Berlin auch dieser Illusion sich hingeben mag, nichts übrig als das einfache Naheliegende zu thun, d. h. das gebotene rechtliche Mittel der Abtrennung zu benutzen und den Herzog in seinem Lande 46"

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/369
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/369>, abgerufen am 29.06.2024.