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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Schleswig zu räumen, sind als ein guter Erfolg von allen Parteien in Deutsch¬
land begrüßt worden. Zunächst gaben sie eine kleine Probe, -- die für unser
Vertrauen nicht nöthig war -- daß das preußische und östreichische Heer sich
auch gegen einen größern Feind, soweit es auf die Güte der Truppen ankommt,
brav schlagen werden. Dann ist jedenfalls ein Gewinn für die Gegenwart und
kann noch bessere Folgen für die Zukunft haben, daß unsere Landsleute in
Schleswig vorläufig von den dänischen Subjecten befreit wurden, welche in
Kirche, Schule und Verwaltung endlose kleine Nichtswürdigkeiten geübt haben.
Vom militärischen und politischen Standpunkt aber ist der bisherige Erfolg
noch keineswegs ein bedeutender. Die Sache lag einfach so. Die UnHaltbarkeit
des Dannewerk gegen ernsthafte Angriffe einer starken Armee war keinem Mili¬
tär zweifelhaft. Die Dänen vermochten bei hartnäckiger Vertheidigung aller¬
dings der preußisch-östreichischen Armee beträchtliche Verluste zuzufügen, aber
sie setzten ihr eigenes Heer der Wahrscheinlichkeit aus, zerrissen, umgangen und
gefangen zu werden. Der dänische Generalstab hat bessere Politik getrieben
als die Fanatiker von Kopenhagen, als er das Heer in eine wirklich feste
Stellung zurückzog. Das Schleswig-holsteinische Generalcommando verdankt also
die bisherigen Erfolge zunächst dem schnellen dänischen Rückzug, dann der
mannhaften Verfolgung. Einzelnen wurde Gelegenheit besondere Tüchtigkeit zu
zeigen, im Ganzen ist kein Grund zum Vorwurf, keiner zum Stolze. Es war
vortrefflich, daß Feldmarschall Wrangel so schnell in Schleswig einrückte; es
war cur schlimmer Umstand, daß Feldmarschalllieutenant v. Gabelenz zu spät
von dem Rückzug der Dänen Nachricht erhielt, um in der Verfolgung wesent¬
liche Vortheile zu erreichen, und noch schlimmer war der Umstand, daß Prinz
Friedrich Karl vor Missunde über einer sogenannten Recognoscirung zuviel
Menschen und Zeit verlor, während eine Strecke weiter abwärts der Ueber¬
gang und ein Umgehen der dänischen Armee mit geringern Schwierigkeiten
möglich war. Beides ist kein Vorwurf für die militärische Leitung, es sind Zu¬
fälle, wie sie in jedem Kriege trotz Energie und Umsicht unvermeidlich vor¬
kommen. Es ist dadurch aber allerdings vereitelt worden, was der Campagne
einen entscheidenden Einfluß auf die politische Sachlage gegeben hätte. Daß
die, großen Staaten Preußen und Oestreich die dänische Armee aus Schleswig
hinauszuschlagen vermochten, das galt in ganz Europa, etwa Kopenhagen aus¬
genommen, für zweifellos und dieser Erfolg vergrößert weder die Scheu vor
der Heeresmacht der beiden Großmächte, noch bricht er die dänischen Ansprüche.
Die Campagne konnte nur dann entscheidend auf die politische Lage wirken, wenn
es gelang, die dänische Armee selbst zu vernichten oder gefangen zu nehmen.

Was bis jetzt geschehen, hat zunächst die Folge gehabt, die Frage noch
mehr zu verwirren. Die Pause, welche jetzt eingetreten ist, erscheint vor Europa
wie eine Unsicherheit über die nächsten militärischen Operationen. Und diese


Grenzboten I. 1864. 46

Schleswig zu räumen, sind als ein guter Erfolg von allen Parteien in Deutsch¬
land begrüßt worden. Zunächst gaben sie eine kleine Probe, — die für unser
Vertrauen nicht nöthig war — daß das preußische und östreichische Heer sich
auch gegen einen größern Feind, soweit es auf die Güte der Truppen ankommt,
brav schlagen werden. Dann ist jedenfalls ein Gewinn für die Gegenwart und
kann noch bessere Folgen für die Zukunft haben, daß unsere Landsleute in
Schleswig vorläufig von den dänischen Subjecten befreit wurden, welche in
Kirche, Schule und Verwaltung endlose kleine Nichtswürdigkeiten geübt haben.
Vom militärischen und politischen Standpunkt aber ist der bisherige Erfolg
noch keineswegs ein bedeutender. Die Sache lag einfach so. Die UnHaltbarkeit
des Dannewerk gegen ernsthafte Angriffe einer starken Armee war keinem Mili¬
tär zweifelhaft. Die Dänen vermochten bei hartnäckiger Vertheidigung aller¬
dings der preußisch-östreichischen Armee beträchtliche Verluste zuzufügen, aber
sie setzten ihr eigenes Heer der Wahrscheinlichkeit aus, zerrissen, umgangen und
gefangen zu werden. Der dänische Generalstab hat bessere Politik getrieben
als die Fanatiker von Kopenhagen, als er das Heer in eine wirklich feste
Stellung zurückzog. Das Schleswig-holsteinische Generalcommando verdankt also
die bisherigen Erfolge zunächst dem schnellen dänischen Rückzug, dann der
mannhaften Verfolgung. Einzelnen wurde Gelegenheit besondere Tüchtigkeit zu
zeigen, im Ganzen ist kein Grund zum Vorwurf, keiner zum Stolze. Es war
vortrefflich, daß Feldmarschall Wrangel so schnell in Schleswig einrückte; es
war cur schlimmer Umstand, daß Feldmarschalllieutenant v. Gabelenz zu spät
von dem Rückzug der Dänen Nachricht erhielt, um in der Verfolgung wesent¬
liche Vortheile zu erreichen, und noch schlimmer war der Umstand, daß Prinz
Friedrich Karl vor Missunde über einer sogenannten Recognoscirung zuviel
Menschen und Zeit verlor, während eine Strecke weiter abwärts der Ueber¬
gang und ein Umgehen der dänischen Armee mit geringern Schwierigkeiten
möglich war. Beides ist kein Vorwurf für die militärische Leitung, es sind Zu¬
fälle, wie sie in jedem Kriege trotz Energie und Umsicht unvermeidlich vor¬
kommen. Es ist dadurch aber allerdings vereitelt worden, was der Campagne
einen entscheidenden Einfluß auf die politische Sachlage gegeben hätte. Daß
die, großen Staaten Preußen und Oestreich die dänische Armee aus Schleswig
hinauszuschlagen vermochten, das galt in ganz Europa, etwa Kopenhagen aus¬
genommen, für zweifellos und dieser Erfolg vergrößert weder die Scheu vor
der Heeresmacht der beiden Großmächte, noch bricht er die dänischen Ansprüche.
Die Campagne konnte nur dann entscheidend auf die politische Lage wirken, wenn
es gelang, die dänische Armee selbst zu vernichten oder gefangen zu nehmen.

Was bis jetzt geschehen, hat zunächst die Folge gehabt, die Frage noch
mehr zu verwirren. Die Pause, welche jetzt eingetreten ist, erscheint vor Europa
wie eine Unsicherheit über die nächsten militärischen Operationen. Und diese


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[0367] Schleswig zu räumen, sind als ein guter Erfolg von allen Parteien in Deutsch¬ land begrüßt worden. Zunächst gaben sie eine kleine Probe, — die für unser Vertrauen nicht nöthig war — daß das preußische und östreichische Heer sich auch gegen einen größern Feind, soweit es auf die Güte der Truppen ankommt, brav schlagen werden. Dann ist jedenfalls ein Gewinn für die Gegenwart und kann noch bessere Folgen für die Zukunft haben, daß unsere Landsleute in Schleswig vorläufig von den dänischen Subjecten befreit wurden, welche in Kirche, Schule und Verwaltung endlose kleine Nichtswürdigkeiten geübt haben. Vom militärischen und politischen Standpunkt aber ist der bisherige Erfolg noch keineswegs ein bedeutender. Die Sache lag einfach so. Die UnHaltbarkeit des Dannewerk gegen ernsthafte Angriffe einer starken Armee war keinem Mili¬ tär zweifelhaft. Die Dänen vermochten bei hartnäckiger Vertheidigung aller¬ dings der preußisch-östreichischen Armee beträchtliche Verluste zuzufügen, aber sie setzten ihr eigenes Heer der Wahrscheinlichkeit aus, zerrissen, umgangen und gefangen zu werden. Der dänische Generalstab hat bessere Politik getrieben als die Fanatiker von Kopenhagen, als er das Heer in eine wirklich feste Stellung zurückzog. Das Schleswig-holsteinische Generalcommando verdankt also die bisherigen Erfolge zunächst dem schnellen dänischen Rückzug, dann der mannhaften Verfolgung. Einzelnen wurde Gelegenheit besondere Tüchtigkeit zu zeigen, im Ganzen ist kein Grund zum Vorwurf, keiner zum Stolze. Es war vortrefflich, daß Feldmarschall Wrangel so schnell in Schleswig einrückte; es war cur schlimmer Umstand, daß Feldmarschalllieutenant v. Gabelenz zu spät von dem Rückzug der Dänen Nachricht erhielt, um in der Verfolgung wesent¬ liche Vortheile zu erreichen, und noch schlimmer war der Umstand, daß Prinz Friedrich Karl vor Missunde über einer sogenannten Recognoscirung zuviel Menschen und Zeit verlor, während eine Strecke weiter abwärts der Ueber¬ gang und ein Umgehen der dänischen Armee mit geringern Schwierigkeiten möglich war. Beides ist kein Vorwurf für die militärische Leitung, es sind Zu¬ fälle, wie sie in jedem Kriege trotz Energie und Umsicht unvermeidlich vor¬ kommen. Es ist dadurch aber allerdings vereitelt worden, was der Campagne einen entscheidenden Einfluß auf die politische Sachlage gegeben hätte. Daß die, großen Staaten Preußen und Oestreich die dänische Armee aus Schleswig hinauszuschlagen vermochten, das galt in ganz Europa, etwa Kopenhagen aus¬ genommen, für zweifellos und dieser Erfolg vergrößert weder die Scheu vor der Heeresmacht der beiden Großmächte, noch bricht er die dänischen Ansprüche. Die Campagne konnte nur dann entscheidend auf die politische Lage wirken, wenn es gelang, die dänische Armee selbst zu vernichten oder gefangen zu nehmen. Was bis jetzt geschehen, hat zunächst die Folge gehabt, die Frage noch mehr zu verwirren. Die Pause, welche jetzt eingetreten ist, erscheint vor Europa wie eine Unsicherheit über die nächsten militärischen Operationen. Und diese Grenzboten I. 1864. 46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/367>, abgerufen am 04.07.2024.