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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Knicks, die Koppelthore, die Scheuerpfähle und anderes zur Feuerung verwend¬
bare Eigenthum der benachbarten Höfe übel dabei gefahren.

In Fleckeby, dem nächsten größeren Orte, zeigte man uns links von der
Chaussee in einem geschmackvoll gebauten Landhause die bisherige Wohnung
des Hardesvogts Blaunfeldt. Die Vorhänge waren niedergelassen, mehre der
Fenster mit Läden geschlossen. Knaben brachten mit Jubelgeschrei die Ruder"
der weiß und roth angestrichenen Stange geschleppt, auf welcher bisher vor dem
Hause zum Aerger der Ortsbewohner der Dannebrog geweht. Weiterhin vor
dem Gasthause des Dorfes flackerte ein Feuer. Wir fragten, was es bedeute.
Die Antwort der Jungen war: "Blaunfeldt syn täusche Seezug werd afbrennt."
Es war wirklich so. Ein Mann zersägte emsig die von den Knaben herbeige¬
schafften Stücke und antwortete, als ich meinte, der große Holzhausen brauche
nicht so verwüstet zu werden und man könne sich drei Wochen lang seine Suppe
dabei kochen: von solchem Holz wollte er keine Suppe gekocht haben, und das
müßte öffentlich und unter freiem Himmel verbrannt werden "as en Schand
und Swinerie." Wischte sich drauf den Schweiß mit der verkehrten Hand von
der Stirn, schob einen neuen mit Theer getränkten Strohwisch unter die Bruch¬
stücke der Flaggenstange und sägte dann tapfer weiter, als ob es die Verbindung
zwischen den Herzogthümern und Dänemark zu zersägen gälte. Der hier statio-
nirte preußische Dragonerofsizier sah dem Autodafe gleichgiltig zu, die Soldaten
zündeten sich daran ihre Pfeifen an.

Im Gasthause wurde gefrühstückt. Dann brachen wir auf, um nach dem
Rathe des Wirths nicht, wie bis dahin unser Plan, auf der Chaussee bis
Fahrdorf, sondern, beim letzten Hause Fleckebys links abbiegend nach Es-
prchm und von dort nach Obcrselk zu gehen. Der Dragonerofsizier erwie¬
derte auf unsre Frage, ob es erlaubt sei, weiter vorzudringen, das könne er
nicht sagen; wir möchten getrost bis zu den letzten Vedetten gehen und sehen,
ob die uns durchlicßen.

Die letzten Vedetten -- es waren zwei preußische Dragoner, die beim
Chausseehaus von Fleckeby postirt waren -- ließen uns ohne Einspruch weiter¬
gehen. Wir wanderten, die große Straße verlassend, auf dem von Knicks ein¬
geschlossenen Wege nach Esprehm weiter. Nachdem wir ungefähr vierhundert
Schritt zurückgelegt, kam uns ein östreichischer Offizier zu Pferde, hinter dem
drei Windischgrätz-Dragoner in weißen Mänteln ritten, entgegen, der uns fragte,
wie weit es noch bis Fleckeby sei. Wir erwiederten: einen Büchsenschuß, und
er hatte sonst nichts zu erinnern. Noch etwa vierhundert Schritt weiter er¬
schienen vor uns auf der Höhe des bergan führenden Wegs plötzlich die Bajon-
nete und Federhute östreichischer Jäger, erst einige, dann mehr, bis wir end¬
lich inne wurden, daß wir ein ganzes Bataillon vor uns hatten, und daß
dem Bataillon ein Regiment Linieninfanterie, eine Batterie und mehre Schoa-


Knicks, die Koppelthore, die Scheuerpfähle und anderes zur Feuerung verwend¬
bare Eigenthum der benachbarten Höfe übel dabei gefahren.

In Fleckeby, dem nächsten größeren Orte, zeigte man uns links von der
Chaussee in einem geschmackvoll gebauten Landhause die bisherige Wohnung
des Hardesvogts Blaunfeldt. Die Vorhänge waren niedergelassen, mehre der
Fenster mit Läden geschlossen. Knaben brachten mit Jubelgeschrei die Ruder«
der weiß und roth angestrichenen Stange geschleppt, auf welcher bisher vor dem
Hause zum Aerger der Ortsbewohner der Dannebrog geweht. Weiterhin vor
dem Gasthause des Dorfes flackerte ein Feuer. Wir fragten, was es bedeute.
Die Antwort der Jungen war: „Blaunfeldt syn täusche Seezug werd afbrennt."
Es war wirklich so. Ein Mann zersägte emsig die von den Knaben herbeige¬
schafften Stücke und antwortete, als ich meinte, der große Holzhausen brauche
nicht so verwüstet zu werden und man könne sich drei Wochen lang seine Suppe
dabei kochen: von solchem Holz wollte er keine Suppe gekocht haben, und das
müßte öffentlich und unter freiem Himmel verbrannt werden „as en Schand
und Swinerie." Wischte sich drauf den Schweiß mit der verkehrten Hand von
der Stirn, schob einen neuen mit Theer getränkten Strohwisch unter die Bruch¬
stücke der Flaggenstange und sägte dann tapfer weiter, als ob es die Verbindung
zwischen den Herzogthümern und Dänemark zu zersägen gälte. Der hier statio-
nirte preußische Dragonerofsizier sah dem Autodafe gleichgiltig zu, die Soldaten
zündeten sich daran ihre Pfeifen an.

Im Gasthause wurde gefrühstückt. Dann brachen wir auf, um nach dem
Rathe des Wirths nicht, wie bis dahin unser Plan, auf der Chaussee bis
Fahrdorf, sondern, beim letzten Hause Fleckebys links abbiegend nach Es-
prchm und von dort nach Obcrselk zu gehen. Der Dragonerofsizier erwie¬
derte auf unsre Frage, ob es erlaubt sei, weiter vorzudringen, das könne er
nicht sagen; wir möchten getrost bis zu den letzten Vedetten gehen und sehen,
ob die uns durchlicßen.

Die letzten Vedetten — es waren zwei preußische Dragoner, die beim
Chausseehaus von Fleckeby postirt waren — ließen uns ohne Einspruch weiter¬
gehen. Wir wanderten, die große Straße verlassend, auf dem von Knicks ein¬
geschlossenen Wege nach Esprehm weiter. Nachdem wir ungefähr vierhundert
Schritt zurückgelegt, kam uns ein östreichischer Offizier zu Pferde, hinter dem
drei Windischgrätz-Dragoner in weißen Mänteln ritten, entgegen, der uns fragte,
wie weit es noch bis Fleckeby sei. Wir erwiederten: einen Büchsenschuß, und
er hatte sonst nichts zu erinnern. Noch etwa vierhundert Schritt weiter er¬
schienen vor uns auf der Höhe des bergan führenden Wegs plötzlich die Bajon-
nete und Federhute östreichischer Jäger, erst einige, dann mehr, bis wir end¬
lich inne wurden, daß wir ein ganzes Bataillon vor uns hatten, und daß
dem Bataillon ein Regiment Linieninfanterie, eine Batterie und mehre Schoa-


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[0344] Knicks, die Koppelthore, die Scheuerpfähle und anderes zur Feuerung verwend¬ bare Eigenthum der benachbarten Höfe übel dabei gefahren. In Fleckeby, dem nächsten größeren Orte, zeigte man uns links von der Chaussee in einem geschmackvoll gebauten Landhause die bisherige Wohnung des Hardesvogts Blaunfeldt. Die Vorhänge waren niedergelassen, mehre der Fenster mit Läden geschlossen. Knaben brachten mit Jubelgeschrei die Ruder« der weiß und roth angestrichenen Stange geschleppt, auf welcher bisher vor dem Hause zum Aerger der Ortsbewohner der Dannebrog geweht. Weiterhin vor dem Gasthause des Dorfes flackerte ein Feuer. Wir fragten, was es bedeute. Die Antwort der Jungen war: „Blaunfeldt syn täusche Seezug werd afbrennt." Es war wirklich so. Ein Mann zersägte emsig die von den Knaben herbeige¬ schafften Stücke und antwortete, als ich meinte, der große Holzhausen brauche nicht so verwüstet zu werden und man könne sich drei Wochen lang seine Suppe dabei kochen: von solchem Holz wollte er keine Suppe gekocht haben, und das müßte öffentlich und unter freiem Himmel verbrannt werden „as en Schand und Swinerie." Wischte sich drauf den Schweiß mit der verkehrten Hand von der Stirn, schob einen neuen mit Theer getränkten Strohwisch unter die Bruch¬ stücke der Flaggenstange und sägte dann tapfer weiter, als ob es die Verbindung zwischen den Herzogthümern und Dänemark zu zersägen gälte. Der hier statio- nirte preußische Dragonerofsizier sah dem Autodafe gleichgiltig zu, die Soldaten zündeten sich daran ihre Pfeifen an. Im Gasthause wurde gefrühstückt. Dann brachen wir auf, um nach dem Rathe des Wirths nicht, wie bis dahin unser Plan, auf der Chaussee bis Fahrdorf, sondern, beim letzten Hause Fleckebys links abbiegend nach Es- prchm und von dort nach Obcrselk zu gehen. Der Dragonerofsizier erwie¬ derte auf unsre Frage, ob es erlaubt sei, weiter vorzudringen, das könne er nicht sagen; wir möchten getrost bis zu den letzten Vedetten gehen und sehen, ob die uns durchlicßen. Die letzten Vedetten — es waren zwei preußische Dragoner, die beim Chausseehaus von Fleckeby postirt waren — ließen uns ohne Einspruch weiter¬ gehen. Wir wanderten, die große Straße verlassend, auf dem von Knicks ein¬ geschlossenen Wege nach Esprehm weiter. Nachdem wir ungefähr vierhundert Schritt zurückgelegt, kam uns ein östreichischer Offizier zu Pferde, hinter dem drei Windischgrätz-Dragoner in weißen Mänteln ritten, entgegen, der uns fragte, wie weit es noch bis Fleckeby sei. Wir erwiederten: einen Büchsenschuß, und er hatte sonst nichts zu erinnern. Noch etwa vierhundert Schritt weiter er¬ schienen vor uns auf der Höhe des bergan führenden Wegs plötzlich die Bajon- nete und Federhute östreichischer Jäger, erst einige, dann mehr, bis wir end¬ lich inne wurden, daß wir ein ganzes Bataillon vor uns hatten, und daß dem Bataillon ein Regiment Linieninfanterie, eine Batterie und mehre Schoa-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/344>, abgerufen am 24.07.2024.