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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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beschäftigten sich mit der Einnahme von Flaschenbatterien, Champagnerpsropfm
knallten statt der Kanonenschüsse, Rothwein floß statt des Blutes. Verschiedene
Civilpersonen, unter andern Rittmeister Hansen von der ehemaligen schleswig¬
holsteinischen Armee, Cabinetsrath Tempeltey, Dr. Mahler, Correspondent der
National-Zeitung vom Kriegsschauplatze, saßen unter den Herren Militärs, er¬
zählten und ließen sich erzählen. Hauptthema war natürlich noch immer der
Angriff auf die missunder Schanzen, der allen Berichten nach nicht die Er¬
stürmung derselben, sondern nur eine Demonstration zur Ablenkung der Aufmerk¬
samkeit des Feindes von der Stelle, wo die Entscheidung gesucht werden sollte,
zum Zweck gehabt hatte. Details in Menge wurden berichtet, alle aber ver¬
einigten sich dahin, daß diese jungen Soldaten, die bisher noch keine ernstlich
gemeinte Kugel pfeifen gehört und noch kein Schlachtenblut gesehen, sich mit
lobenswerther Unerschrockenheit geschlagen und jede ihnen anbefohlene Bewegung
trotz des heftigsten feindlichen Feuers mit schulgcrechter Präcision ausgeführt
hätten. "superb!" sagte mir ein entzückter Oberlieutenant, "das stärkste Feuer
von den Schanzen -- aber wie auf dem Exercierplatz, sage ich Ihnen, wie auf
dem Exercierplatz!"

Genommen worden waren die dänischen Werke freilich nicht, und für
einen bloßen Stoß nach dieser Seite hin wollten Manchem die preußischen Ver¬
luste etwas zu groß vorkommen. Auch sonst regte sich die Kritik in Betreff
einzelner Anordnungen. "Wir haben stark verloren," hörte ich einen Offizier
vom 60. Regiment äußern, "und doch haben wir keinen Schuß gethan, ja den
Feind nicht einmal gesehen." Ein andrer fand es ärgerlich, daß Batterien,
welche nicht zum Feuern gelangt waren, Pferde und Mannschaften eingebüßt
hatten, und wollte vor allem die Aufstellung von Geschützen längs der Straße
tadeln, da die Dänen die Distanz derselben von ihren Schanzen genau wissen
gekonnt. Wieder eine andere Stimme meinte, 74 Kanonen zu einer bloßen
Demonstration oder Finte wären ein wenig reichlich, wenn nicht mit losem
Pulver geschossen würde. Ich lasse diese Reflexionen dahingestellt und erwähne
sie nur beiläufig als leise Schatten in dem Bilde und in der Meinung, daß
Offiziere von weiterem Blick als ihn der Subalterne haben kann, vielleicht
nichts zu tadeln gewußt hätten.

An Quartier im Gasthof war nicht zu denken. Doch war für mich, wie
bereits notirt, anderwärts gesorgt. Die neuen Bekanntschaften setzten sich, als
die Gesellschaft im Saal sich nach Mitternacht allmälig verzogen, Stühle zu¬
sammen und construirten sich aus ihnen, dem Reisesack, der als Kopfkissen dienen
mußte, einem Pelz oder einem Mantel, der zum Unterbett ernannt wurde, und
einer Decke eine Schlafstätte. Einer der Herren, welcher ein Stübchen mit
Bett erlangt, hatte dafür drei Thaler zu zahlen.

Daß Freitage unglückliche Tage sind, wußte ich. An irgend


beschäftigten sich mit der Einnahme von Flaschenbatterien, Champagnerpsropfm
knallten statt der Kanonenschüsse, Rothwein floß statt des Blutes. Verschiedene
Civilpersonen, unter andern Rittmeister Hansen von der ehemaligen schleswig¬
holsteinischen Armee, Cabinetsrath Tempeltey, Dr. Mahler, Correspondent der
National-Zeitung vom Kriegsschauplatze, saßen unter den Herren Militärs, er¬
zählten und ließen sich erzählen. Hauptthema war natürlich noch immer der
Angriff auf die missunder Schanzen, der allen Berichten nach nicht die Er¬
stürmung derselben, sondern nur eine Demonstration zur Ablenkung der Aufmerk¬
samkeit des Feindes von der Stelle, wo die Entscheidung gesucht werden sollte,
zum Zweck gehabt hatte. Details in Menge wurden berichtet, alle aber ver¬
einigten sich dahin, daß diese jungen Soldaten, die bisher noch keine ernstlich
gemeinte Kugel pfeifen gehört und noch kein Schlachtenblut gesehen, sich mit
lobenswerther Unerschrockenheit geschlagen und jede ihnen anbefohlene Bewegung
trotz des heftigsten feindlichen Feuers mit schulgcrechter Präcision ausgeführt
hätten. „superb!" sagte mir ein entzückter Oberlieutenant, „das stärkste Feuer
von den Schanzen — aber wie auf dem Exercierplatz, sage ich Ihnen, wie auf
dem Exercierplatz!"

Genommen worden waren die dänischen Werke freilich nicht, und für
einen bloßen Stoß nach dieser Seite hin wollten Manchem die preußischen Ver¬
luste etwas zu groß vorkommen. Auch sonst regte sich die Kritik in Betreff
einzelner Anordnungen. „Wir haben stark verloren," hörte ich einen Offizier
vom 60. Regiment äußern, „und doch haben wir keinen Schuß gethan, ja den
Feind nicht einmal gesehen." Ein andrer fand es ärgerlich, daß Batterien,
welche nicht zum Feuern gelangt waren, Pferde und Mannschaften eingebüßt
hatten, und wollte vor allem die Aufstellung von Geschützen längs der Straße
tadeln, da die Dänen die Distanz derselben von ihren Schanzen genau wissen
gekonnt. Wieder eine andere Stimme meinte, 74 Kanonen zu einer bloßen
Demonstration oder Finte wären ein wenig reichlich, wenn nicht mit losem
Pulver geschossen würde. Ich lasse diese Reflexionen dahingestellt und erwähne
sie nur beiläufig als leise Schatten in dem Bilde und in der Meinung, daß
Offiziere von weiterem Blick als ihn der Subalterne haben kann, vielleicht
nichts zu tadeln gewußt hätten.

An Quartier im Gasthof war nicht zu denken. Doch war für mich, wie
bereits notirt, anderwärts gesorgt. Die neuen Bekanntschaften setzten sich, als
die Gesellschaft im Saal sich nach Mitternacht allmälig verzogen, Stühle zu¬
sammen und construirten sich aus ihnen, dem Reisesack, der als Kopfkissen dienen
mußte, einem Pelz oder einem Mantel, der zum Unterbett ernannt wurde, und
einer Decke eine Schlafstätte. Einer der Herren, welcher ein Stübchen mit
Bett erlangt, hatte dafür drei Thaler zu zahlen.

Daß Freitage unglückliche Tage sind, wußte ich. An irgend


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/342>, abgerufen am 24.07.2024.