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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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und Kleinstaaten trotz Preußen und Oestreich. ja gegen Preußen und Oestreich.
Allein man folgte hierbei mehr einem dunkeln Gefühle, als daß man ein klares
Ziel vor Augen hatte. Als die Ereignisse den Nath an die Hand gaben, den
Ursprung, den man durch die Besetzung Holsteins hatte, zu benutzen, das
Occupationsheer rasch derart zu verstärken, daß die Oestreicher und Preußen
nur durch einen Angriff Holstein betreten konnten, ihnen also die Initiative in
einem eventuellen Bürgerkrieg zuzuschieben, war es zu spät dazu. Bereits
setzten sich die östreichischen und preußischen Regimenter in Bewegung, während
die Mittclstaatcn nicht das Mindeste zu einem gemeinschaftlichen Operationsplan
gethan hatten. Einen Augenblick schien das bayrische Ministerium sich wieder
ermannen zu wollen: es ließ die Drohung mit einem Parlament fallen. Da
erfolgten die Beruhigungsnoten und der Rückzug der Mittelstaaten war selbst¬
verständlich.

Diese Unterwerfung unter den Willen der Großmächte, welche nach der
Aeußerung des wiener Ministerialraths den Hohn so weit zu treiben gesonnen
wären, die Kosten für die wider Willen des Bundes unternommene Expedition
nach Schleswig nachträglich dem Bund aufbürden zu wollen, bezeichnete einen
Wendepunkt in der Hcrzogthümerfrage. Für Würtemberg trat er mit dem
19. Januar ein. Während an diesem Tag die Kammer noch ihren Mobili-
sirungsantrag stellte, gaben zugleich die Minister Erklärungen ab, aus denen
hervorging, daß ihr Widerstand gegen die Großmächte zu Ende sei. An dem¬
selben Tag waren die Beruhi^ungsnoten eingetroffen. Wenige Tage darauf
sagte ein seltsamer Artikel im Staatsanzeiger noch unverblümter, daß eine
Movilifirung eine bloße Demonstration und nicht im Stande wäre, die Gro߬
mächte zur Umkehr zu zwingen. Am '21. wiederholte zwar eine Stuttgarter
Volksversammlung das Verlangen eines sofortigen Aufgebots der militärischen
Kräfte der bundestreuen Regierungen, allein man konnte ihr bereits das
mangelnde Vertrauen in die eigene Sache anfühlen. Auf ihre Adresse an das
Staatsoberhaupt erhielt sie eine Antwort, welche eine Umschreibung des be¬
rühmten Wortes' vom beschränkten Unterthanenverstand war. Die Bevölkerungen
der Mittelstaaten waren jetzt um eine Erfahrung reicher. Die Episode einer
selbständigen nationalen Politik der Triasgruppc war zu Ende gespielt. Es
begann die blutige Hauptaction, deren unbetheiligte Zuschauer sie bleiben
mußten.

Die Mißstimmung, welche dieser Gang der Dinge hervorrief, ist leicht be¬
greiflich. Es war ein empfindlicher Sturz aus idealen Höhen in die nüchternste
Wirklichkeit. Je besser der Wille, je aufrichtiger der Glaube an den Beruf
der rcindeutschen Staaten gewesen war, um so peinlicher war jetzt das Bewußt¬
sein des Contrasts von Wollen und Können. Die Kammer vergrub sich in
die langwierigen Debatten üoer das Einführungsgesetz zum deutschen Handels-


und Kleinstaaten trotz Preußen und Oestreich. ja gegen Preußen und Oestreich.
Allein man folgte hierbei mehr einem dunkeln Gefühle, als daß man ein klares
Ziel vor Augen hatte. Als die Ereignisse den Nath an die Hand gaben, den
Ursprung, den man durch die Besetzung Holsteins hatte, zu benutzen, das
Occupationsheer rasch derart zu verstärken, daß die Oestreicher und Preußen
nur durch einen Angriff Holstein betreten konnten, ihnen also die Initiative in
einem eventuellen Bürgerkrieg zuzuschieben, war es zu spät dazu. Bereits
setzten sich die östreichischen und preußischen Regimenter in Bewegung, während
die Mittclstaatcn nicht das Mindeste zu einem gemeinschaftlichen Operationsplan
gethan hatten. Einen Augenblick schien das bayrische Ministerium sich wieder
ermannen zu wollen: es ließ die Drohung mit einem Parlament fallen. Da
erfolgten die Beruhigungsnoten und der Rückzug der Mittelstaaten war selbst¬
verständlich.

Diese Unterwerfung unter den Willen der Großmächte, welche nach der
Aeußerung des wiener Ministerialraths den Hohn so weit zu treiben gesonnen
wären, die Kosten für die wider Willen des Bundes unternommene Expedition
nach Schleswig nachträglich dem Bund aufbürden zu wollen, bezeichnete einen
Wendepunkt in der Hcrzogthümerfrage. Für Würtemberg trat er mit dem
19. Januar ein. Während an diesem Tag die Kammer noch ihren Mobili-
sirungsantrag stellte, gaben zugleich die Minister Erklärungen ab, aus denen
hervorging, daß ihr Widerstand gegen die Großmächte zu Ende sei. An dem¬
selben Tag waren die Beruhi^ungsnoten eingetroffen. Wenige Tage darauf
sagte ein seltsamer Artikel im Staatsanzeiger noch unverblümter, daß eine
Movilifirung eine bloße Demonstration und nicht im Stande wäre, die Gro߬
mächte zur Umkehr zu zwingen. Am '21. wiederholte zwar eine Stuttgarter
Volksversammlung das Verlangen eines sofortigen Aufgebots der militärischen
Kräfte der bundestreuen Regierungen, allein man konnte ihr bereits das
mangelnde Vertrauen in die eigene Sache anfühlen. Auf ihre Adresse an das
Staatsoberhaupt erhielt sie eine Antwort, welche eine Umschreibung des be¬
rühmten Wortes' vom beschränkten Unterthanenverstand war. Die Bevölkerungen
der Mittelstaaten waren jetzt um eine Erfahrung reicher. Die Episode einer
selbständigen nationalen Politik der Triasgruppc war zu Ende gespielt. Es
begann die blutige Hauptaction, deren unbetheiligte Zuschauer sie bleiben
mußten.

Die Mißstimmung, welche dieser Gang der Dinge hervorrief, ist leicht be¬
greiflich. Es war ein empfindlicher Sturz aus idealen Höhen in die nüchternste
Wirklichkeit. Je besser der Wille, je aufrichtiger der Glaube an den Beruf
der rcindeutschen Staaten gewesen war, um so peinlicher war jetzt das Bewußt¬
sein des Contrasts von Wollen und Können. Die Kammer vergrub sich in
die langwierigen Debatten üoer das Einführungsgesetz zum deutschen Handels-


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[0330] und Kleinstaaten trotz Preußen und Oestreich. ja gegen Preußen und Oestreich. Allein man folgte hierbei mehr einem dunkeln Gefühle, als daß man ein klares Ziel vor Augen hatte. Als die Ereignisse den Nath an die Hand gaben, den Ursprung, den man durch die Besetzung Holsteins hatte, zu benutzen, das Occupationsheer rasch derart zu verstärken, daß die Oestreicher und Preußen nur durch einen Angriff Holstein betreten konnten, ihnen also die Initiative in einem eventuellen Bürgerkrieg zuzuschieben, war es zu spät dazu. Bereits setzten sich die östreichischen und preußischen Regimenter in Bewegung, während die Mittclstaatcn nicht das Mindeste zu einem gemeinschaftlichen Operationsplan gethan hatten. Einen Augenblick schien das bayrische Ministerium sich wieder ermannen zu wollen: es ließ die Drohung mit einem Parlament fallen. Da erfolgten die Beruhigungsnoten und der Rückzug der Mittelstaaten war selbst¬ verständlich. Diese Unterwerfung unter den Willen der Großmächte, welche nach der Aeußerung des wiener Ministerialraths den Hohn so weit zu treiben gesonnen wären, die Kosten für die wider Willen des Bundes unternommene Expedition nach Schleswig nachträglich dem Bund aufbürden zu wollen, bezeichnete einen Wendepunkt in der Hcrzogthümerfrage. Für Würtemberg trat er mit dem 19. Januar ein. Während an diesem Tag die Kammer noch ihren Mobili- sirungsantrag stellte, gaben zugleich die Minister Erklärungen ab, aus denen hervorging, daß ihr Widerstand gegen die Großmächte zu Ende sei. An dem¬ selben Tag waren die Beruhi^ungsnoten eingetroffen. Wenige Tage darauf sagte ein seltsamer Artikel im Staatsanzeiger noch unverblümter, daß eine Movilifirung eine bloße Demonstration und nicht im Stande wäre, die Gro߬ mächte zur Umkehr zu zwingen. Am '21. wiederholte zwar eine Stuttgarter Volksversammlung das Verlangen eines sofortigen Aufgebots der militärischen Kräfte der bundestreuen Regierungen, allein man konnte ihr bereits das mangelnde Vertrauen in die eigene Sache anfühlen. Auf ihre Adresse an das Staatsoberhaupt erhielt sie eine Antwort, welche eine Umschreibung des be¬ rühmten Wortes' vom beschränkten Unterthanenverstand war. Die Bevölkerungen der Mittelstaaten waren jetzt um eine Erfahrung reicher. Die Episode einer selbständigen nationalen Politik der Triasgruppc war zu Ende gespielt. Es begann die blutige Hauptaction, deren unbetheiligte Zuschauer sie bleiben mußten. Die Mißstimmung, welche dieser Gang der Dinge hervorrief, ist leicht be¬ greiflich. Es war ein empfindlicher Sturz aus idealen Höhen in die nüchternste Wirklichkeit. Je besser der Wille, je aufrichtiger der Glaube an den Beruf der rcindeutschen Staaten gewesen war, um so peinlicher war jetzt das Bewußt¬ sein des Contrasts von Wollen und Können. Die Kammer vergrub sich in die langwierigen Debatten üoer das Einführungsgesetz zum deutschen Handels-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/330>, abgerufen am 24.07.2024.