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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Der Kampf um Schleswig-Holstein
1848-1850.
4.

Die Schlacht war furchtbar blutig gewesen. Der politische Verlust, den
die Niederlage der Schleswig-holsteinischen Sacke zufügte, war größer als irgend¬
einer der bisher erlittenen. Fast das ganze Schleswig war den Dänen preis¬
gegeben; nur ein schmaler Streif des nördlichen Eiderufers wurde noch gegen
sie behauptet. Aber die schlimmste Einbuße lag doch vielleicht anderswo. Man
hatte in den Henvgthümern gehofft, durch einen großen militärischen Erfolg werde
England, dem das Uebergewicht Rußlands in der Behandlung der Angelegenheit
immer lästiger wurde, sich bestimmen lassen, das von Preußen losgetrennte
Schleswig-Holstein zu seinem Schützling zu machen. Jetzt fand Palmerston
hierzu keine Veranlassung und drang wieder auf Frieden. Und auch in den
nächsten Monaten geschah nichts, um rasch den schlimmen Eindruck zu ver¬
wischen. Willisen hielt seine Armee um Rendsburg zusammen und erwartete
einen Angriff; die Dänen aber verschanzten sich ihm gegenüber und erprobten,
"wer das Warten am längsten aushalten könne". Das Schleswig-holsteinische
Heer brannte vor Begierde, den üblen Ausgang von Jdstcdt wett zu machen;
die Statthalterschaft, ein neues diplomatisches Ungewitter im Anzüge sehend,
drängte den Befehlshaber zum Handeln. Jetzt aber vollends ohne rechtes Zu¬
trauen auf das Heer, führte Willisen erst nach langem Zögern, und auch dann
nur mit halbem Nachdruck, einen Stoß gegen den linken Flügel der Dänen,
einen Stoß, der am 12. September bei Missunde zu vielem Blutvergießen,
aber zu keinem Resultate führte. Ein anderer, zu Ende September, war gegen
den Stützpunkt des rechten Flügels, gegen Friedrichstadt gerichtet; nachdem
gleich im Anfang die günstige Gelegenheit verfehlt war, lief das Unternehmen
in eine Beschießung und Bestürmung aus, welche die Stadt in Flammen setzte,
zahlreiche Menschenleben kostete und mit dem Abzüge der Schleswig-Holsteiner
endete.

Bis zu diesem Treffen war die Zuversicht in Holstein eine gute gewesen.
Die neue Landesversammlung -- die erste auf Grund der Verfassung von 1848


Grenzboten I. 1864. 37
Der Kampf um Schleswig-Holstein
1848-1850.
4.

Die Schlacht war furchtbar blutig gewesen. Der politische Verlust, den
die Niederlage der Schleswig-holsteinischen Sacke zufügte, war größer als irgend¬
einer der bisher erlittenen. Fast das ganze Schleswig war den Dänen preis¬
gegeben; nur ein schmaler Streif des nördlichen Eiderufers wurde noch gegen
sie behauptet. Aber die schlimmste Einbuße lag doch vielleicht anderswo. Man
hatte in den Henvgthümern gehofft, durch einen großen militärischen Erfolg werde
England, dem das Uebergewicht Rußlands in der Behandlung der Angelegenheit
immer lästiger wurde, sich bestimmen lassen, das von Preußen losgetrennte
Schleswig-Holstein zu seinem Schützling zu machen. Jetzt fand Palmerston
hierzu keine Veranlassung und drang wieder auf Frieden. Und auch in den
nächsten Monaten geschah nichts, um rasch den schlimmen Eindruck zu ver¬
wischen. Willisen hielt seine Armee um Rendsburg zusammen und erwartete
einen Angriff; die Dänen aber verschanzten sich ihm gegenüber und erprobten,
„wer das Warten am längsten aushalten könne". Das Schleswig-holsteinische
Heer brannte vor Begierde, den üblen Ausgang von Jdstcdt wett zu machen;
die Statthalterschaft, ein neues diplomatisches Ungewitter im Anzüge sehend,
drängte den Befehlshaber zum Handeln. Jetzt aber vollends ohne rechtes Zu¬
trauen auf das Heer, führte Willisen erst nach langem Zögern, und auch dann
nur mit halbem Nachdruck, einen Stoß gegen den linken Flügel der Dänen,
einen Stoß, der am 12. September bei Missunde zu vielem Blutvergießen,
aber zu keinem Resultate führte. Ein anderer, zu Ende September, war gegen
den Stützpunkt des rechten Flügels, gegen Friedrichstadt gerichtet; nachdem
gleich im Anfang die günstige Gelegenheit verfehlt war, lief das Unternehmen
in eine Beschießung und Bestürmung aus, welche die Stadt in Flammen setzte,
zahlreiche Menschenleben kostete und mit dem Abzüge der Schleswig-Holsteiner
endete.

Bis zu diesem Treffen war die Zuversicht in Holstein eine gute gewesen.
Die neue Landesversammlung — die erste auf Grund der Verfassung von 1848


Grenzboten I. 1864. 37
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[0295] Der Kampf um Schleswig-Holstein 1848-1850. 4. Die Schlacht war furchtbar blutig gewesen. Der politische Verlust, den die Niederlage der Schleswig-holsteinischen Sacke zufügte, war größer als irgend¬ einer der bisher erlittenen. Fast das ganze Schleswig war den Dänen preis¬ gegeben; nur ein schmaler Streif des nördlichen Eiderufers wurde noch gegen sie behauptet. Aber die schlimmste Einbuße lag doch vielleicht anderswo. Man hatte in den Henvgthümern gehofft, durch einen großen militärischen Erfolg werde England, dem das Uebergewicht Rußlands in der Behandlung der Angelegenheit immer lästiger wurde, sich bestimmen lassen, das von Preußen losgetrennte Schleswig-Holstein zu seinem Schützling zu machen. Jetzt fand Palmerston hierzu keine Veranlassung und drang wieder auf Frieden. Und auch in den nächsten Monaten geschah nichts, um rasch den schlimmen Eindruck zu ver¬ wischen. Willisen hielt seine Armee um Rendsburg zusammen und erwartete einen Angriff; die Dänen aber verschanzten sich ihm gegenüber und erprobten, „wer das Warten am längsten aushalten könne". Das Schleswig-holsteinische Heer brannte vor Begierde, den üblen Ausgang von Jdstcdt wett zu machen; die Statthalterschaft, ein neues diplomatisches Ungewitter im Anzüge sehend, drängte den Befehlshaber zum Handeln. Jetzt aber vollends ohne rechtes Zu¬ trauen auf das Heer, führte Willisen erst nach langem Zögern, und auch dann nur mit halbem Nachdruck, einen Stoß gegen den linken Flügel der Dänen, einen Stoß, der am 12. September bei Missunde zu vielem Blutvergießen, aber zu keinem Resultate führte. Ein anderer, zu Ende September, war gegen den Stützpunkt des rechten Flügels, gegen Friedrichstadt gerichtet; nachdem gleich im Anfang die günstige Gelegenheit verfehlt war, lief das Unternehmen in eine Beschießung und Bestürmung aus, welche die Stadt in Flammen setzte, zahlreiche Menschenleben kostete und mit dem Abzüge der Schleswig-Holsteiner endete. Bis zu diesem Treffen war die Zuversicht in Holstein eine gute gewesen. Die neue Landesversammlung — die erste auf Grund der Verfassung von 1848 Grenzboten I. 1864. 37

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/295>, abgerufen am 24.07.2024.