Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.ihrem Souverän, eventuell selbst die Entscheidung durch Waffengewalt zu über¬ Aus die Möglichkeit einer solchen Trennung der Schleswig-holsteinischen Grenjboten I. 1864. 36
ihrem Souverän, eventuell selbst die Entscheidung durch Waffengewalt zu über¬ Aus die Möglichkeit einer solchen Trennung der Schleswig-holsteinischen Grenjboten I. 1864. 36
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0279" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116745"/> <p xml:id="ID_828" prev="#ID_827"> ihrem Souverän, eventuell selbst die Entscheidung durch Waffengewalt zu über¬<lb/> lassen."</p><lb/> <p xml:id="ID_829" next="#ID_830"> Aus die Möglichkeit einer solchen Trennung der Schleswig-holsteinischen<lb/> Sache von der preußischen hatte nun die Statthalterschaft schon seit längerer<lb/> Zeit ihr Augenmerk gerichtet. Das Heer war bedeutend verstärkt worden; nicht<lb/> minder wichtig war es gewesen, daß man sich der preußischen, in demselben<lb/> dienenden Offiziere für jeden Fall zu versichern suchte. Vor Allem kam es dar-<lb/> auf an, ob der Oberbefehlshaber, Bonin, sich entschließen würde in Preußen<lb/> seinen Abschied zu nehmen, um sich ganz der Sache Schleswig-Holsteins zu<lb/> widmen. Wenn auch mit schwerem Herzen, glaubte Bonin diese Frage verneinen<lb/> zu müssen. Man suchte nach einem Ersatz für ihn; derjenige, den man gewann,<lb/> war W,!l>ein von Willisen. auch er ein preußischer Offizier, aber bei der preu¬<lb/> ßischen Regierung mißliebig geworden, als Generallieutenant zur Disposition<lb/> gestellt, und nicht abgeneigt, um seiner neuen Stellung in den Herzogthümern<lb/> willen seine Verhältnisse in Preußen zu lösen. Dieselbe Frage, wie an Bonin,<lb/> trat dann durch eine preußische AbberufungSvrdre an die übrigen Preußen<lb/> heran; natürlich, daß Viele dem Beispiele Bonins folgten. Die Armee litt<lb/> einen beträchtlichen Verlust an höhern und niedern Führern, und sie mit neuen<lb/> Offizieren zu versehen, wurde sowohl durch diese Abgänge, wie durch die ge¬<lb/> schehene Verstärkung, zu einer der erste» Aufgaben für den neuen Oberbefehls¬<lb/> haber. Was diesen selbst betrifft, so hatte sich derselbe hauptsächlich als einen<lb/> Militärschriftsteller von originellen Ansichten bekannt gemacht. Durch mannich-<lb/> fache Lebenslagen hindurchgegangen, hatte er eine reiche und ausgebreitete Bil¬<lb/> dung und eine Freiheit von manchen Einseitigkeiten und Befangenheiten ge¬<lb/> wonnen, wie sie sonst wohl Beruf, Stellung und dergleichen dem Menschen zu<lb/> geben Pflegen. Den Krieg hatte er praktisch schon in ganz jungen Jahren.<lb/> 1806 und 7, dann durch Theilnahme an dem östreichischen Feldzug von 1809<lb/> sowie an den Befreiungskämpfen kennen gelernt; und von seiner Bereitwilligkeit,<lb/> die eigene Person der Gefahr auszusetzen, hat er auch in Schleswig-Holstein<lb/> die glänzendsten Beweise abgelegt. Wie er jedoch nicht als ein von der Sache<lb/> der Herzogtümer wahrhaft Ergriffener die Verfechtung dieser Sache übernahm,<lb/> so erschien überhaupt in seinem Wesen eine gewisse Mannichfaltigkeit der Re¬<lb/> flexion den festen, bestimmten Entschluß nicht leicht aufkommen zu lassen; nö¬<lb/> thigte ihn aber der drängende Augenblick unabweisbar zu einer Entscheidung<lb/> über Großes, so geriet!) er dann wohl, wie es an talentvollen Männern von<lb/> solcher Art so oft gefunden wird, unter die Herrschaft einzelner, zufällig hervor-<lb/> tretender Umstände, statt seinerseits diese Umstände in ihrer Gesammtheit zu<lb/> überblicken und zu beherrschen. Von vornherein schöpfte er große Hoffnungen<lb/> aus einer eigenthümlichen, in ihm entstandenen Auffassung der diplomatischen<lb/> Sachlage; zu wirklichen Kampfe kam es weit eher als er gedacht. Durch große</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenjboten I. 1864. 36</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0279]
ihrem Souverän, eventuell selbst die Entscheidung durch Waffengewalt zu über¬
lassen."
Aus die Möglichkeit einer solchen Trennung der Schleswig-holsteinischen
Sache von der preußischen hatte nun die Statthalterschaft schon seit längerer
Zeit ihr Augenmerk gerichtet. Das Heer war bedeutend verstärkt worden; nicht
minder wichtig war es gewesen, daß man sich der preußischen, in demselben
dienenden Offiziere für jeden Fall zu versichern suchte. Vor Allem kam es dar-
auf an, ob der Oberbefehlshaber, Bonin, sich entschließen würde in Preußen
seinen Abschied zu nehmen, um sich ganz der Sache Schleswig-Holsteins zu
widmen. Wenn auch mit schwerem Herzen, glaubte Bonin diese Frage verneinen
zu müssen. Man suchte nach einem Ersatz für ihn; derjenige, den man gewann,
war W,!l>ein von Willisen. auch er ein preußischer Offizier, aber bei der preu¬
ßischen Regierung mißliebig geworden, als Generallieutenant zur Disposition
gestellt, und nicht abgeneigt, um seiner neuen Stellung in den Herzogthümern
willen seine Verhältnisse in Preußen zu lösen. Dieselbe Frage, wie an Bonin,
trat dann durch eine preußische AbberufungSvrdre an die übrigen Preußen
heran; natürlich, daß Viele dem Beispiele Bonins folgten. Die Armee litt
einen beträchtlichen Verlust an höhern und niedern Führern, und sie mit neuen
Offizieren zu versehen, wurde sowohl durch diese Abgänge, wie durch die ge¬
schehene Verstärkung, zu einer der erste» Aufgaben für den neuen Oberbefehls¬
haber. Was diesen selbst betrifft, so hatte sich derselbe hauptsächlich als einen
Militärschriftsteller von originellen Ansichten bekannt gemacht. Durch mannich-
fache Lebenslagen hindurchgegangen, hatte er eine reiche und ausgebreitete Bil¬
dung und eine Freiheit von manchen Einseitigkeiten und Befangenheiten ge¬
wonnen, wie sie sonst wohl Beruf, Stellung und dergleichen dem Menschen zu
geben Pflegen. Den Krieg hatte er praktisch schon in ganz jungen Jahren.
1806 und 7, dann durch Theilnahme an dem östreichischen Feldzug von 1809
sowie an den Befreiungskämpfen kennen gelernt; und von seiner Bereitwilligkeit,
die eigene Person der Gefahr auszusetzen, hat er auch in Schleswig-Holstein
die glänzendsten Beweise abgelegt. Wie er jedoch nicht als ein von der Sache
der Herzogtümer wahrhaft Ergriffener die Verfechtung dieser Sache übernahm,
so erschien überhaupt in seinem Wesen eine gewisse Mannichfaltigkeit der Re¬
flexion den festen, bestimmten Entschluß nicht leicht aufkommen zu lassen; nö¬
thigte ihn aber der drängende Augenblick unabweisbar zu einer Entscheidung
über Großes, so geriet!) er dann wohl, wie es an talentvollen Männern von
solcher Art so oft gefunden wird, unter die Herrschaft einzelner, zufällig hervor-
tretender Umstände, statt seinerseits diese Umstände in ihrer Gesammtheit zu
überblicken und zu beherrschen. Von vornherein schöpfte er große Hoffnungen
aus einer eigenthümlichen, in ihm entstandenen Auffassung der diplomatischen
Sachlage; zu wirklichen Kampfe kam es weit eher als er gedacht. Durch große
Grenjboten I. 1864. 36
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