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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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hatte nun sein Interesse mit dem Interesse einer Macht und einer Staatengruppe
in Deutschland verflochten, der ein baldiger Sieg über Preußen und die preu¬
ßischen Unionsplane beschicken war.

Aber dies war nicht der einzige Gewinn Dänemarks gegen Preußen. Wäh¬
rend in Berlin über den Frieden verhandelt ward, fanden zu London Conferen-
zen über einen andern Gegenstand statt. Die vortheilhafte Lage seiner Ver¬
hältnisse wollte Dänemark benutzen, um mit Hilfe der gesammten europäischen
Diplomatie zu erreichen, was es mit dem offenen Briefe von 1846 vergeblich
angestrebt hatte -- die Sicherung des dänischen "Gesammtstaates" vor einem
Zerfalle in Folge der verschiedenen Succession. Rußland, Schweden und
auch Frankreich ließen sich bald bereit finden, zu London in einem, am
2. Juni unterzeichneten Protokoll die bleibende Vereinigung der Länder,
die Friedrich der Siebente regiere, als ein europäisches Interesse zu bezeichnen
und den Bemühungen des Königs, diesem Zwecke gemäß die Erbfolge zu
regeln, ihren Beifall zu spenden. England, verstimmt durch das allzustarre
Hervortreten Rußlands, zögerte. Eben damals war es indeß, indem es die
Sache des portugiesischen Juden Pacifico in übermüthigster Weise zur Bc-
drängung Griechenlands ausgebeutet, mit Frankreich in Spannung, mit Ru߬
land nahe an einen Bruch gekommen; da soll der russische Gesandte in London
eine Nachgiebigkeit in der dänischen Sache dem englischen Cabinet als ein
Mittel, den Bruch zu vermeiden, entgegengehalten, und dies den Beweggrund
für England hergegeben haben, zu unterzeichnen. Dänemark verlangte nun
Aehnliches von Preußen. Bei einer jener Erscheinungen des russischen Kaisers
zu Warschau, die damals über das ganze Mitteleuropa einen leisen Schauer zu
verbreiten pflegten (Mai, Juni), versuchte der Prinz von Preußen vergeblich,
durch Benutzung der Erbfolgesrage der Schleswig-holsteinischen Angelegenheit
noch jetzt eine bessere Wendung zu geben. Die Sprache Rußlands war in der
letzten Zeit eine sehr entschiedene geworden. Die londoner Conferenzen selbst
waren ein Beweis mehr für die Verbindungen, deren sich Dänemark erfreute,
für den isolirten Stand von Preußen. So entschloß sich dies auch hier zur
Nachgiebigkeit, und als, am 2. Juli, zwischen ihm und Dänemark zu Berlin
der Friede geschlossen ward, erklärte sich in einem geheimen Artikel der König
von Preußen bereitwillig, an den Unterhandlungen theilzunehmen, welche der
König von Dänemark einleiten werde, um die Erbfolge in den unter seinem
Scepter vereinigten Staaten zu ordnen.

Die öffentlichen Artikel, welche am 2. Juli 1830 von dem Herrn v. Use-
dom auf preußischer, den Herren v. Pensum, Needtz, A. W. Scheel auf däni¬
scher Seite und dem Grafen von Westmoreland als dem Vertreter der vermit¬
telnden englischen Macht unterzeichnet wurden, bildeten einen Friedensvertrag
seltsamer Art. Die sriedenschließenden Mächte, Preußen in seinem und Deutsch-


hatte nun sein Interesse mit dem Interesse einer Macht und einer Staatengruppe
in Deutschland verflochten, der ein baldiger Sieg über Preußen und die preu¬
ßischen Unionsplane beschicken war.

Aber dies war nicht der einzige Gewinn Dänemarks gegen Preußen. Wäh¬
rend in Berlin über den Frieden verhandelt ward, fanden zu London Conferen-
zen über einen andern Gegenstand statt. Die vortheilhafte Lage seiner Ver¬
hältnisse wollte Dänemark benutzen, um mit Hilfe der gesammten europäischen
Diplomatie zu erreichen, was es mit dem offenen Briefe von 1846 vergeblich
angestrebt hatte — die Sicherung des dänischen „Gesammtstaates" vor einem
Zerfalle in Folge der verschiedenen Succession. Rußland, Schweden und
auch Frankreich ließen sich bald bereit finden, zu London in einem, am
2. Juni unterzeichneten Protokoll die bleibende Vereinigung der Länder,
die Friedrich der Siebente regiere, als ein europäisches Interesse zu bezeichnen
und den Bemühungen des Königs, diesem Zwecke gemäß die Erbfolge zu
regeln, ihren Beifall zu spenden. England, verstimmt durch das allzustarre
Hervortreten Rußlands, zögerte. Eben damals war es indeß, indem es die
Sache des portugiesischen Juden Pacifico in übermüthigster Weise zur Bc-
drängung Griechenlands ausgebeutet, mit Frankreich in Spannung, mit Ru߬
land nahe an einen Bruch gekommen; da soll der russische Gesandte in London
eine Nachgiebigkeit in der dänischen Sache dem englischen Cabinet als ein
Mittel, den Bruch zu vermeiden, entgegengehalten, und dies den Beweggrund
für England hergegeben haben, zu unterzeichnen. Dänemark verlangte nun
Aehnliches von Preußen. Bei einer jener Erscheinungen des russischen Kaisers
zu Warschau, die damals über das ganze Mitteleuropa einen leisen Schauer zu
verbreiten pflegten (Mai, Juni), versuchte der Prinz von Preußen vergeblich,
durch Benutzung der Erbfolgesrage der Schleswig-holsteinischen Angelegenheit
noch jetzt eine bessere Wendung zu geben. Die Sprache Rußlands war in der
letzten Zeit eine sehr entschiedene geworden. Die londoner Conferenzen selbst
waren ein Beweis mehr für die Verbindungen, deren sich Dänemark erfreute,
für den isolirten Stand von Preußen. So entschloß sich dies auch hier zur
Nachgiebigkeit, und als, am 2. Juli, zwischen ihm und Dänemark zu Berlin
der Friede geschlossen ward, erklärte sich in einem geheimen Artikel der König
von Preußen bereitwillig, an den Unterhandlungen theilzunehmen, welche der
König von Dänemark einleiten werde, um die Erbfolge in den unter seinem
Scepter vereinigten Staaten zu ordnen.

Die öffentlichen Artikel, welche am 2. Juli 1830 von dem Herrn v. Use-
dom auf preußischer, den Herren v. Pensum, Needtz, A. W. Scheel auf däni¬
scher Seite und dem Grafen von Westmoreland als dem Vertreter der vermit¬
telnden englischen Macht unterzeichnet wurden, bildeten einen Friedensvertrag
seltsamer Art. Die sriedenschließenden Mächte, Preußen in seinem und Deutsch-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/277>, abgerufen am 24.07.2024.