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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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geradezu mit der Regierung des Reichsverwesers in Conflict zu kommen, be¬
stürmte man jetzt von Berlin aus diese letztere um eine Vollmacht zu endgilti-
gen, vorbehaltlosem Abschluß. Und wirtlich ging der Neichsminister des Aus¬
wärtigen, Heckscher, so deutlich auch schon die ganze Richtung der preußischen
Politik am Tage lag, auf das Begehren ein; allerdings aber geschah es nicht
ohne alle Bedingung und Beschränkung. Die öffentliche Meinung in Deutsch¬
land hatte über das, was von den Resultaten der malmöer Verhandlungen
bekannt geworden, sich im höchsten Grade beunruhigt gezeigt. Also gab denn die
Negierung des Reichsverwesers die gewünschte Vollmacht nur so, daß sie ver¬
langte, man müsse an den Artikeln von Bellevue festhalten, und auch an
diesen noch einige Abänderungen und Zusätze anbrachte, welche durchzusetzen seien.

Aber wie wenig war, als nun die Unterhandlungen zu Malmö wieder
begannen, gerade Preußen in der Lage, dem Gegner noch etwas im Guten ab¬
zugewinnen, oder auch in dem festen Willen ihm etwas abzubringen. Schon
genug, daß man denn doch einige ärgerliche Punkte des ersten malmöer Entwurfs
beseitigte! Die Forderungen der Centralgewalt hatten insgesammt ein klägliches
Schicksal. Am eigenthümlichsten erging es in einem der Vornehmsten Punkte,
in den Bestimmungen über die Behörde, der während der Zeit des Waffenstill¬
standes die Herzogthümer untergeben werden sollten. Daß für diese Zeit die
provisorische Regierung abzutreten und einer Commission Platz zu machen hätte,
deren Mitglieder aus angesehenen Männern Schleswig-Holsteins zum Theil
durch den König von Preußen, zum Theil durch den dänischen König als Her¬
zog von Schleswig-Holstein zu ernennen wären -- dieses für ti" schleswig-
hvlstcinische Sache so demüthigende Zugeständnis; hatte Preußen in den bis¬
herigen Verhandlungen gemacht. Die an Preußen ausgestellte Vollmacht der
Centralgewalt verlangte nun, man solle sogleich beim Abschluß des Waffenstill¬
standes über gewisse, vertrauenerweckende Männer sich verständigen. Zu Mal¬
mö aber gelang es den Dänen, durch Täuschung des preußische" Unterhändlers,
als Präsidenten -der Regierungscommission den Grafen Karl Motte'e durchzu¬
setzen, einen Mann, der früherhin, als Präsident der holstein-lauenburgischen
Kanzlei in Kopenhagen, durch seine Dienstfertigkeit gegen die dänischen Absichten
zu einer der verhaßtesten Persönlichkeiten für die Schleswig-Holsteiner geworden
war. Wollte ferner die Vollmacht des Reichsverwesers die fortdauernde Gil-
tigkeit der Gesetze und Verordnungen, weiche die provisorische Regierung erlassen,
ausdrücklich anerkannt wissen, so sprach man jetzt diesen Gesetzen und Ver¬
ordnungen die Geltung ausdrücklich ab und überließ es nur der neuen Re¬
gierung diejenigen wieder in Kraft zu setzen, die ihr nöthig und für den regel¬
mäßigen Geschäftsgang ersprießlich schienen. Aber noch mehr! Statt eine
Aenderung deS bellevuer Entwurfs zum Vortheil Schleswig-Holsteins durch¬
zusetzen, sah der preußische Unterhändler, General v. Below, in manchen


geradezu mit der Regierung des Reichsverwesers in Conflict zu kommen, be¬
stürmte man jetzt von Berlin aus diese letztere um eine Vollmacht zu endgilti-
gen, vorbehaltlosem Abschluß. Und wirtlich ging der Neichsminister des Aus¬
wärtigen, Heckscher, so deutlich auch schon die ganze Richtung der preußischen
Politik am Tage lag, auf das Begehren ein; allerdings aber geschah es nicht
ohne alle Bedingung und Beschränkung. Die öffentliche Meinung in Deutsch¬
land hatte über das, was von den Resultaten der malmöer Verhandlungen
bekannt geworden, sich im höchsten Grade beunruhigt gezeigt. Also gab denn die
Negierung des Reichsverwesers die gewünschte Vollmacht nur so, daß sie ver¬
langte, man müsse an den Artikeln von Bellevue festhalten, und auch an
diesen noch einige Abänderungen und Zusätze anbrachte, welche durchzusetzen seien.

Aber wie wenig war, als nun die Unterhandlungen zu Malmö wieder
begannen, gerade Preußen in der Lage, dem Gegner noch etwas im Guten ab¬
zugewinnen, oder auch in dem festen Willen ihm etwas abzubringen. Schon
genug, daß man denn doch einige ärgerliche Punkte des ersten malmöer Entwurfs
beseitigte! Die Forderungen der Centralgewalt hatten insgesammt ein klägliches
Schicksal. Am eigenthümlichsten erging es in einem der Vornehmsten Punkte,
in den Bestimmungen über die Behörde, der während der Zeit des Waffenstill¬
standes die Herzogthümer untergeben werden sollten. Daß für diese Zeit die
provisorische Regierung abzutreten und einer Commission Platz zu machen hätte,
deren Mitglieder aus angesehenen Männern Schleswig-Holsteins zum Theil
durch den König von Preußen, zum Theil durch den dänischen König als Her¬
zog von Schleswig-Holstein zu ernennen wären — dieses für ti« schleswig-
hvlstcinische Sache so demüthigende Zugeständnis; hatte Preußen in den bis¬
herigen Verhandlungen gemacht. Die an Preußen ausgestellte Vollmacht der
Centralgewalt verlangte nun, man solle sogleich beim Abschluß des Waffenstill¬
standes über gewisse, vertrauenerweckende Männer sich verständigen. Zu Mal¬
mö aber gelang es den Dänen, durch Täuschung des preußische» Unterhändlers,
als Präsidenten -der Regierungscommission den Grafen Karl Motte'e durchzu¬
setzen, einen Mann, der früherhin, als Präsident der holstein-lauenburgischen
Kanzlei in Kopenhagen, durch seine Dienstfertigkeit gegen die dänischen Absichten
zu einer der verhaßtesten Persönlichkeiten für die Schleswig-Holsteiner geworden
war. Wollte ferner die Vollmacht des Reichsverwesers die fortdauernde Gil-
tigkeit der Gesetze und Verordnungen, weiche die provisorische Regierung erlassen,
ausdrücklich anerkannt wissen, so sprach man jetzt diesen Gesetzen und Ver¬
ordnungen die Geltung ausdrücklich ab und überließ es nur der neuen Re¬
gierung diejenigen wieder in Kraft zu setzen, die ihr nöthig und für den regel¬
mäßigen Geschäftsgang ersprießlich schienen. Aber noch mehr! Statt eine
Aenderung deS bellevuer Entwurfs zum Vortheil Schleswig-Holsteins durch¬
zusetzen, sah der preußische Unterhändler, General v. Below, in manchen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/223>, abgerufen am 24.07.2024.