Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.auf der Chaussee, in Sectionscolonnen, als der Major befahl, ich solle mit den So mochte eine gute halbe Stunde vergangen sein, als ich hinter mir Wir marschirten ruhig und still eine Stunde weit, als die Leute plötzlich auf der Chaussee, in Sectionscolonnen, als der Major befahl, ich solle mit den So mochte eine gute halbe Stunde vergangen sein, als ich hinter mir Wir marschirten ruhig und still eine Stunde weit, als die Leute plötzlich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0022" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116487"/> <p xml:id="ID_36" prev="#ID_35"> auf der Chaussee, in Sectionscolonnen, als der Major befahl, ich solle mit den<lb/> Tirailleurs der 12. Compagnie die Arrieregarde des Bataillons übernehmen.<lb/> Zu dem Ende ließ ich die Tirailleurs halten, ohngefähr 40 Mann, stellte sie<lb/> in Reihen an beiden Seiten der Chaussee so auf, daß sie 4—5 Schritt Distance<lb/> hatten, und schärfte ihnen ein, sich nicht weiter von einander zu entfernen,<lb/> als so weit, daß sie ihren Vordermann noch genau sehen könnten, ich selbst blieb<lb/> ganz hinten, folgte meinen Leuten, behielt sie im Auge und konnte so am<lb/> besten zuerst sehen und hören, was vom Feinde sich etwa nähere. Es war<lb/> ganz finster geworden, ich mußte mich also aufs Gehör verlassen. So folgte<lb/> ich dem Bataillon etwa auf zweihundert Schritt, bald stehen bleibend, oder<lb/> mich niederduckend, um besser zu hören, bald wieder vorgehend, um meine<lb/> Leute zu beobachten.</p><lb/> <p xml:id="ID_37"> So mochte eine gute halbe Stunde vergangen sein, als ich hinter mir<lb/> marschiren hörte. Ich legte mich mit dem Ohr auf die Erde und überzeugte<lb/> mich, daß es Infanterie und zwar ein starker Trupp war. Ich blieb stehen<lb/> und ließ ihn so nahe herankommen, daß ich den Tritt ganz deutlich hörte.<lb/> Nun rief ich an, und da ich nicht gleich Antwort bekam, noch einmal und<lb/> zwar sehr laut. Da kam unser Adjutant, der Lieutenant H......n an<lb/> mich herangeritten und fragte: „Was rufst Du denn an?" Ich sagte ihm die<lb/> Ursache, worauf er erwiderte: „Mach, baß Du nachkommst, Du bist allein zu<lb/> weit zurück, ich werde vorreiten." Ich eilte meinen Leuten nach und hörte noch<lb/> Wie H......anrief und dann polnisch sprach. Dann kam er im Galopp<lb/> zurück und sagte mir: „Es sind Russen, der General Olsuffiew, er ist befeh¬<lb/> ligt die Nachhut zu bilden, Du kannst nun wieder eintreten." Hierauf schloß<lb/> ich nrich ans Bataillon an und war froh, meines beschwerlichen und gefahr¬<lb/> vollen Arrieregardedienstes überhoben zu sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_38"> Wir marschirten ruhig und still eine Stunde weit, als die Leute plötzlich<lb/> anfingen sich zu drängen. Ich frage: „Was ist denn das? bleibt doch in Ord¬<lb/> nung, jeder an seinen Platz!" — „Es sind Russen, die sich eindrängen." —<lb/> „O, so stoßt sie zurück, sie gehören nicht hierher." In dem Augenblick werde ich<lb/> gen linken Arm gepackt, ich drehe mich um und sehe dicht vor mir in ein<lb/> ganz fremdes Gesicht (ich kannte jeden einzelnen Mann in der Compagnie<lb/> ganz genqu) und eine Stimme ruft mir zu: „vounsx armes!" Zu gleicher<lb/> Zeit erkenne ich am Tschacko das viereckige Schild der französischen Voltigeurs.<lb/> Ich reiche jhm meinen Säbel, und in, dem Moment, als er darnach greift, stoße<lb/> ich ihm das schwere Säbelgefäß mit aller Kraft, deren ich sähig bin und die<lb/> durch den Schreck noch gesteigert wird, ins Gesicht, daß er zu Boden stürzt-<lb/> Dann drehe ich mich um, werfe die Leute, die mir in den Weg kommen, zurück,<lb/> dränge mich so acht bis zehn Schritte vorwärts, werde noch einmal angepackt,<lb/> reiße mich wieder los und komme nun unter meine Leute.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0022]
auf der Chaussee, in Sectionscolonnen, als der Major befahl, ich solle mit den
Tirailleurs der 12. Compagnie die Arrieregarde des Bataillons übernehmen.
Zu dem Ende ließ ich die Tirailleurs halten, ohngefähr 40 Mann, stellte sie
in Reihen an beiden Seiten der Chaussee so auf, daß sie 4—5 Schritt Distance
hatten, und schärfte ihnen ein, sich nicht weiter von einander zu entfernen,
als so weit, daß sie ihren Vordermann noch genau sehen könnten, ich selbst blieb
ganz hinten, folgte meinen Leuten, behielt sie im Auge und konnte so am
besten zuerst sehen und hören, was vom Feinde sich etwa nähere. Es war
ganz finster geworden, ich mußte mich also aufs Gehör verlassen. So folgte
ich dem Bataillon etwa auf zweihundert Schritt, bald stehen bleibend, oder
mich niederduckend, um besser zu hören, bald wieder vorgehend, um meine
Leute zu beobachten.
So mochte eine gute halbe Stunde vergangen sein, als ich hinter mir
marschiren hörte. Ich legte mich mit dem Ohr auf die Erde und überzeugte
mich, daß es Infanterie und zwar ein starker Trupp war. Ich blieb stehen
und ließ ihn so nahe herankommen, daß ich den Tritt ganz deutlich hörte.
Nun rief ich an, und da ich nicht gleich Antwort bekam, noch einmal und
zwar sehr laut. Da kam unser Adjutant, der Lieutenant H......n an
mich herangeritten und fragte: „Was rufst Du denn an?" Ich sagte ihm die
Ursache, worauf er erwiderte: „Mach, baß Du nachkommst, Du bist allein zu
weit zurück, ich werde vorreiten." Ich eilte meinen Leuten nach und hörte noch
Wie H......anrief und dann polnisch sprach. Dann kam er im Galopp
zurück und sagte mir: „Es sind Russen, der General Olsuffiew, er ist befeh¬
ligt die Nachhut zu bilden, Du kannst nun wieder eintreten." Hierauf schloß
ich nrich ans Bataillon an und war froh, meines beschwerlichen und gefahr¬
vollen Arrieregardedienstes überhoben zu sein.
Wir marschirten ruhig und still eine Stunde weit, als die Leute plötzlich
anfingen sich zu drängen. Ich frage: „Was ist denn das? bleibt doch in Ord¬
nung, jeder an seinen Platz!" — „Es sind Russen, die sich eindrängen." —
„O, so stoßt sie zurück, sie gehören nicht hierher." In dem Augenblick werde ich
gen linken Arm gepackt, ich drehe mich um und sehe dicht vor mir in ein
ganz fremdes Gesicht (ich kannte jeden einzelnen Mann in der Compagnie
ganz genqu) und eine Stimme ruft mir zu: „vounsx armes!" Zu gleicher
Zeit erkenne ich am Tschacko das viereckige Schild der französischen Voltigeurs.
Ich reiche jhm meinen Säbel, und in, dem Moment, als er darnach greift, stoße
ich ihm das schwere Säbelgefäß mit aller Kraft, deren ich sähig bin und die
durch den Schreck noch gesteigert wird, ins Gesicht, daß er zu Boden stürzt-
Dann drehe ich mich um, werfe die Leute, die mir in den Weg kommen, zurück,
dränge mich so acht bis zehn Schritte vorwärts, werde noch einmal angepackt,
reiße mich wieder los und komme nun unter meine Leute.
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