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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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wollen." Welches Glück! -- das Frühstück schmeckte mir noch einmal so gut.
Nach einiger Zeit empfahl ich mich, der Minister entließ mich sehr gnädig und
lud mich ein, wenn ich noch längere Zeit in Paris bliebe, ihn wiede-r zu be¬
suchen.

Am andern Tage begab ich mich frühzeitig zum Staatsrath und empfing
nochmals 25 Thlr. Nun konnte ich noch einige Tage da bleiben, ich er¬
kundigte mich bei unserm Wirth nach einem Hotel, das anständig, aber nicht zu
theuer sei; er schlug mir das Hotel de Baviere vor, dessen Wirth ein rechtlicher
Mann wäre, und die Empfehlung bewährte sich. Das Hotel war nicht weit
von der Rue Se. Honor6 und ganz nahe am Palais royal, dem Mittelpunkte
aller damaligen Annehmlichkeiten von Paris. Ich bezog ein hübsches Stübchen
im dritten Stock, für welches ich incl. Kaffee und Frühstück täglich fünf Fran¬
sen bezahlte, so daß ich bei vernünftiger Oekonomie hier eine volle Woche
wohnen konnte. Von da an suchte ich mich zu amüsiren, indem ich die be¬
zahlbaren Merkwürdigkeiten sah, von denen der M-ain clef Mutes, das ana¬
tomische Cabinet ze. als das vorzüglichste mir in der Erinnerung geblieben ist.
Ferner besuchte ich einige Male Versailles, wohin man in einem eleganten Fia¬
ker für einen Franken fahren konnte. Endlich ging ich ein paar Mal ins Thea-
tre Francais, welches mich aber nicht sehr anzog, indem mir die Declamation
zu geziert und geradezu widerlich vorkam, ich auch die betrübende Entdeckung
machte, daß ich, trotzdem ich ziemlich geläufig französisch sprach, doch nicht ge¬
übt genug war. im Theater alles richtig zu verstehen.

So waren etwa sechs Tage vergangen, und ich merkte an meinem Geld¬
beutel, daß es Zeit wurde, an die Abreise zu denken. Da führte mich ein
Kamerad im Palais royal nach der Nro. 18, einem öffentlichen Spielbause,
wo eine Roulette war, und zugleich trente et qual-linke gespielt wurde. Ich
staunte das vorher nie gesehene Treiben und die Haufen von Gold und Silber
eine ganze Weile an, weil ich keinen Begriff davon hatte, daß' öffentlich mit
Bewilligung der Regierung so hoch gespielt werden konnte. Dann wirkte
auch auf mich der Geist des Platzes. Eine Nummer fiel mir ganz besonders
ins Auge. Sie starrte mich an, so oft ich hinsah, es war die Nummer 14.
Ich bekam Lust, auch mein Glück zu versuchen. Ehe ich den Entschluß aber
ausführte, rief der Croupier: "quatoi-xe, rouZe. pg.ir et maiuzue" (irmruzue
bedeutet, wenn die Nummer unter der Hälfte von 36 ist, und läßt sich deutsch
nicht gut mit einem Worte wiedergeben). Ich sah die weiße Kugel in dem
Glücksrade auf Ur. 14 liegen. Nichts desto weniger beeilte ich mich, diese
No. 14 doch mit einem Fünffrankenstück zu besetzen, sie kam ebenso her¬
aus, und ich erhielt sechsunddreißig Fünffrankenstücke ausgezahlt. Noch
einige Male setzte ich andere Nummern, aber es kam keine derselben mehr
heraus; doch nahm ich beim Fortgehen noch 160 Franken mit. So konnte ich


wollen." Welches Glück! — das Frühstück schmeckte mir noch einmal so gut.
Nach einiger Zeit empfahl ich mich, der Minister entließ mich sehr gnädig und
lud mich ein, wenn ich noch längere Zeit in Paris bliebe, ihn wiede-r zu be¬
suchen.

Am andern Tage begab ich mich frühzeitig zum Staatsrath und empfing
nochmals 25 Thlr. Nun konnte ich noch einige Tage da bleiben, ich er¬
kundigte mich bei unserm Wirth nach einem Hotel, das anständig, aber nicht zu
theuer sei; er schlug mir das Hotel de Baviere vor, dessen Wirth ein rechtlicher
Mann wäre, und die Empfehlung bewährte sich. Das Hotel war nicht weit
von der Rue Se. Honor6 und ganz nahe am Palais royal, dem Mittelpunkte
aller damaligen Annehmlichkeiten von Paris. Ich bezog ein hübsches Stübchen
im dritten Stock, für welches ich incl. Kaffee und Frühstück täglich fünf Fran¬
sen bezahlte, so daß ich bei vernünftiger Oekonomie hier eine volle Woche
wohnen konnte. Von da an suchte ich mich zu amüsiren, indem ich die be¬
zahlbaren Merkwürdigkeiten sah, von denen der M-ain clef Mutes, das ana¬
tomische Cabinet ze. als das vorzüglichste mir in der Erinnerung geblieben ist.
Ferner besuchte ich einige Male Versailles, wohin man in einem eleganten Fia¬
ker für einen Franken fahren konnte. Endlich ging ich ein paar Mal ins Thea-
tre Francais, welches mich aber nicht sehr anzog, indem mir die Declamation
zu geziert und geradezu widerlich vorkam, ich auch die betrübende Entdeckung
machte, daß ich, trotzdem ich ziemlich geläufig französisch sprach, doch nicht ge¬
übt genug war. im Theater alles richtig zu verstehen.

So waren etwa sechs Tage vergangen, und ich merkte an meinem Geld¬
beutel, daß es Zeit wurde, an die Abreise zu denken. Da führte mich ein
Kamerad im Palais royal nach der Nro. 18, einem öffentlichen Spielbause,
wo eine Roulette war, und zugleich trente et qual-linke gespielt wurde. Ich
staunte das vorher nie gesehene Treiben und die Haufen von Gold und Silber
eine ganze Weile an, weil ich keinen Begriff davon hatte, daß' öffentlich mit
Bewilligung der Regierung so hoch gespielt werden konnte. Dann wirkte
auch auf mich der Geist des Platzes. Eine Nummer fiel mir ganz besonders
ins Auge. Sie starrte mich an, so oft ich hinsah, es war die Nummer 14.
Ich bekam Lust, auch mein Glück zu versuchen. Ehe ich den Entschluß aber
ausführte, rief der Croupier: „quatoi-xe, rouZe. pg.ir et maiuzue" (irmruzue
bedeutet, wenn die Nummer unter der Hälfte von 36 ist, und läßt sich deutsch
nicht gut mit einem Worte wiedergeben). Ich sah die weiße Kugel in dem
Glücksrade auf Ur. 14 liegen. Nichts desto weniger beeilte ich mich, diese
No. 14 doch mit einem Fünffrankenstück zu besetzen, sie kam ebenso her¬
aus, und ich erhielt sechsunddreißig Fünffrankenstücke ausgezahlt. Noch
einige Male setzte ich andere Nummern, aber es kam keine derselben mehr
heraus; doch nahm ich beim Fortgehen noch 160 Franken mit. So konnte ich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/202>, abgerufen am 24.07.2024.