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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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durchgehends im Hause der Eltern und unter deren unmittelbarer Aufsicht. An
den Beschäftigungen und Unterhaltungen derselben theilnehmend, lebte es sich,
ungestört durch fremde Einflüsse, in die derbe Tüchtigkeit altrömischer Sitte und
Denkart ein. Körperliche Gesundheit und Kraft, Ehrfurcht vor den Göttern
und den Gesetzen, Bescheidenheit, Gehorsam, Züchtigkeit und Mäßigkeit waren
die Hauptziele der Erziehung. Es galt, aus dem Knaben einen verständigen,
praktischen Mann, einen guten Hausvater, einen brauchbaren Bürger zu ma¬
chen, und dazu bedürfte es keines besondern Unterrichts. Die Töchter spannen,
webten und strickten mit der Mutter, die Söhne ankerten, säeten und ernteten
mit dem Vater, dienten ihm bei priesterlichen Handlungen als eg.mi1Il, hörten
zu, wenn er im Atrium seine Clienten empfing und berieth, und waren zu¬
gegen, wenn er bei Festen oder Trauerfeierlichkeiten die Schränke mit den
Ahnenbildern öffnete, wenn bei Tische die in alter Zeit üblichen Lieder zum
Preise der Helden des Volkes gesungen wurden, oder wenn man in öffentlicher
Standrede die Verdienste verstorbener Staatsmänner feierte. Der Vater war
es, der die Knaben reiten, schwimmen und die Waffen gebrauchen lehrte. Von
ihm. erhielten sie zugleich den einzigen theoretischen Unterricht, der für die Ver¬
waltung des Hauses nöthig war. im Lesen, Schreiben und Rechnen sowie in
der Kenntniß der Gesetze.

In dieser Weise unterrichtete König Tarquinius den Servius, den er wie
seinen Sohn hielt. Cato schrieb für den Leseunterricht seines Sohnes mit eig¬
ner Hand in großen Buchstaben ein Geschichtsbuch. Noch des Atticus Vater
und selbst Cicero betheiligten sich bei der Unterweisung ihrer Kinder. Indeß
vermochten dies doch nicht alle Eltern, und so gab es früh schon Hauslehrer
sowie förmliche Schulen, welche letzteren sich, soweit sie Elementarschulen wa¬
ren, fast unverändert bis in die Kaiserzeit hinein erhielten.

Der Ueberlieferung nach sind die Schulen in Italien so alt als die Stadt
Rom selbst. Schon Romulus und Remus hätten nach derselben in Gabii lesen
gelernt, in Rom ging Virginia um die Mitte des fünften Jahrhunderts v. Chr.
in die Schule, zur Zeit des Camillus gab es Schulen in Falerii und Tus-
culum, und daß man bereits unter den Königen Schreibunterricht kannte, ist
außer Zweifel.

Der Elementarlehrer, litwi-ator oder Aramm^tistLs, war entweder ein
Sklave, der mit den Kindern seines Herrn auch fremde im Hause unterrichtete,
oder ein Freigelassener, der entweder gleichfalls als Hauslehrer fungirte oder
in einer Pergula, d. h. in dem halboffnen Vorbau eines Hauses, sein Audito¬
rium aufschlug. Das Schulgeld wurde, wenn der Lehrer Sklave war, an den
Herrn desselben, wenn er Freigelassner war, an ihn selbst gezahlt, und zwar
in monatlichen Raten, die unter Diocletian nicht über fünfzig Denare, nach
unserm Gelde 1 Thlr. 12 gr., betragen dursten und nur für acht Monate des


durchgehends im Hause der Eltern und unter deren unmittelbarer Aufsicht. An
den Beschäftigungen und Unterhaltungen derselben theilnehmend, lebte es sich,
ungestört durch fremde Einflüsse, in die derbe Tüchtigkeit altrömischer Sitte und
Denkart ein. Körperliche Gesundheit und Kraft, Ehrfurcht vor den Göttern
und den Gesetzen, Bescheidenheit, Gehorsam, Züchtigkeit und Mäßigkeit waren
die Hauptziele der Erziehung. Es galt, aus dem Knaben einen verständigen,
praktischen Mann, einen guten Hausvater, einen brauchbaren Bürger zu ma¬
chen, und dazu bedürfte es keines besondern Unterrichts. Die Töchter spannen,
webten und strickten mit der Mutter, die Söhne ankerten, säeten und ernteten
mit dem Vater, dienten ihm bei priesterlichen Handlungen als eg.mi1Il, hörten
zu, wenn er im Atrium seine Clienten empfing und berieth, und waren zu¬
gegen, wenn er bei Festen oder Trauerfeierlichkeiten die Schränke mit den
Ahnenbildern öffnete, wenn bei Tische die in alter Zeit üblichen Lieder zum
Preise der Helden des Volkes gesungen wurden, oder wenn man in öffentlicher
Standrede die Verdienste verstorbener Staatsmänner feierte. Der Vater war
es, der die Knaben reiten, schwimmen und die Waffen gebrauchen lehrte. Von
ihm. erhielten sie zugleich den einzigen theoretischen Unterricht, der für die Ver¬
waltung des Hauses nöthig war. im Lesen, Schreiben und Rechnen sowie in
der Kenntniß der Gesetze.

In dieser Weise unterrichtete König Tarquinius den Servius, den er wie
seinen Sohn hielt. Cato schrieb für den Leseunterricht seines Sohnes mit eig¬
ner Hand in großen Buchstaben ein Geschichtsbuch. Noch des Atticus Vater
und selbst Cicero betheiligten sich bei der Unterweisung ihrer Kinder. Indeß
vermochten dies doch nicht alle Eltern, und so gab es früh schon Hauslehrer
sowie förmliche Schulen, welche letzteren sich, soweit sie Elementarschulen wa¬
ren, fast unverändert bis in die Kaiserzeit hinein erhielten.

Der Ueberlieferung nach sind die Schulen in Italien so alt als die Stadt
Rom selbst. Schon Romulus und Remus hätten nach derselben in Gabii lesen
gelernt, in Rom ging Virginia um die Mitte des fünften Jahrhunderts v. Chr.
in die Schule, zur Zeit des Camillus gab es Schulen in Falerii und Tus-
culum, und daß man bereits unter den Königen Schreibunterricht kannte, ist
außer Zweifel.

Der Elementarlehrer, litwi-ator oder Aramm^tistLs, war entweder ein
Sklave, der mit den Kindern seines Herrn auch fremde im Hause unterrichtete,
oder ein Freigelassener, der entweder gleichfalls als Hauslehrer fungirte oder
in einer Pergula, d. h. in dem halboffnen Vorbau eines Hauses, sein Audito¬
rium aufschlug. Das Schulgeld wurde, wenn der Lehrer Sklave war, an den
Herrn desselben, wenn er Freigelassner war, an ihn selbst gezahlt, und zwar
in monatlichen Raten, die unter Diocletian nicht über fünfzig Denare, nach
unserm Gelde 1 Thlr. 12 gr., betragen dursten und nur für acht Monate des


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[0159] durchgehends im Hause der Eltern und unter deren unmittelbarer Aufsicht. An den Beschäftigungen und Unterhaltungen derselben theilnehmend, lebte es sich, ungestört durch fremde Einflüsse, in die derbe Tüchtigkeit altrömischer Sitte und Denkart ein. Körperliche Gesundheit und Kraft, Ehrfurcht vor den Göttern und den Gesetzen, Bescheidenheit, Gehorsam, Züchtigkeit und Mäßigkeit waren die Hauptziele der Erziehung. Es galt, aus dem Knaben einen verständigen, praktischen Mann, einen guten Hausvater, einen brauchbaren Bürger zu ma¬ chen, und dazu bedürfte es keines besondern Unterrichts. Die Töchter spannen, webten und strickten mit der Mutter, die Söhne ankerten, säeten und ernteten mit dem Vater, dienten ihm bei priesterlichen Handlungen als eg.mi1Il, hörten zu, wenn er im Atrium seine Clienten empfing und berieth, und waren zu¬ gegen, wenn er bei Festen oder Trauerfeierlichkeiten die Schränke mit den Ahnenbildern öffnete, wenn bei Tische die in alter Zeit üblichen Lieder zum Preise der Helden des Volkes gesungen wurden, oder wenn man in öffentlicher Standrede die Verdienste verstorbener Staatsmänner feierte. Der Vater war es, der die Knaben reiten, schwimmen und die Waffen gebrauchen lehrte. Von ihm. erhielten sie zugleich den einzigen theoretischen Unterricht, der für die Ver¬ waltung des Hauses nöthig war. im Lesen, Schreiben und Rechnen sowie in der Kenntniß der Gesetze. In dieser Weise unterrichtete König Tarquinius den Servius, den er wie seinen Sohn hielt. Cato schrieb für den Leseunterricht seines Sohnes mit eig¬ ner Hand in großen Buchstaben ein Geschichtsbuch. Noch des Atticus Vater und selbst Cicero betheiligten sich bei der Unterweisung ihrer Kinder. Indeß vermochten dies doch nicht alle Eltern, und so gab es früh schon Hauslehrer sowie förmliche Schulen, welche letzteren sich, soweit sie Elementarschulen wa¬ ren, fast unverändert bis in die Kaiserzeit hinein erhielten. Der Ueberlieferung nach sind die Schulen in Italien so alt als die Stadt Rom selbst. Schon Romulus und Remus hätten nach derselben in Gabii lesen gelernt, in Rom ging Virginia um die Mitte des fünften Jahrhunderts v. Chr. in die Schule, zur Zeit des Camillus gab es Schulen in Falerii und Tus- culum, und daß man bereits unter den Königen Schreibunterricht kannte, ist außer Zweifel. Der Elementarlehrer, litwi-ator oder Aramm^tistLs, war entweder ein Sklave, der mit den Kindern seines Herrn auch fremde im Hause unterrichtete, oder ein Freigelassener, der entweder gleichfalls als Hauslehrer fungirte oder in einer Pergula, d. h. in dem halboffnen Vorbau eines Hauses, sein Audito¬ rium aufschlug. Das Schulgeld wurde, wenn der Lehrer Sklave war, an den Herrn desselben, wenn er Freigelassner war, an ihn selbst gezahlt, und zwar in monatlichen Raten, die unter Diocletian nicht über fünfzig Denare, nach unserm Gelde 1 Thlr. 12 gr., betragen dursten und nur für acht Monate des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/159>, abgerufen am 24.07.2024.