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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Heute vor fünfzig Jahren.
Erinnerungen eines Veteranen aus dem Feldzug von 1814*). 1.
Das Gefecht bei Etoges am 14. Februar 1814 und seine Folgen für mich.

Nachdem das zweite preußische Armeecorps die Belagerung von Erfurt so
weit beendet hatte, daß Capitulationsbedingungen eingeleitet werden konnten,
trat es am 6. Januar seinen Marsch nach Frankreich an, ging bei Koblenz
über den Rhein und vereinigte sich in der ersten Woche des Februar bei Cha-
lons sur Marne mit dem schlesischen Kriegsheer. In und bei Koblenz blieben
wir etwa vierzehn Tage in Cantonnirung, und das waren glückliche Tage. Ich
schweige von den erhebenden Gefühlen, die unser Herz bei dem Anblick unsers
prächtigen vaterländischen Stromes und bei dem Gedanken an die so lange er¬
hoffte Überschreitung desselben erfüllten. So sehr es uns auch in Koblenz ge¬
fiel, sehnten wir uns doch nach der Fortsetzung des Krieges und nach seiner
Beendigung durch vollständige Niederwerfung des Erzfeindes und Besetzung der
großen Babel Paris. Und so jubelten wir hoch auf, als wir endlich den
Marsch nach Frankreich antraten und bald nachher seine Grenze überschritten.
Komisch kam es uns jüngern Leuten vor, als nun mit einem Male nicht mehr
deutsch gesprochen wurde. So waren wir denn in Feindes Land, wo unsere
Soldaten sich als Herren fühlten, an die Wirthsleute Forderungen machten, böse
wurden, wenn sie nicht erhielten, was sie wollten, die armen Einwohner des
üblen Willens beschuldigten, weil sie nicht verstanden wurden, und diese
glücklich waren, wenn einer Von uns Offizieren ihrer Verlegenheit durch Dol¬
metscher ein Ende machte.

Die erste ziemlich ansehnliche und gut gebaute Stadt, die wir betraten,
war Pont-a-Moussou. Ein Bataillon von unserm Regiment blieb daselbst;



-) Bon demselben preußischen Offizier, dem d, Bl. die im Jahrgang 1862, Heft 1 und 2,
mitgetheilten interessanten Erlebnisse vor, während und nach der Schlacht bei Jena dankte.
Grenzboten I. 1864. 1
Heute vor fünfzig Jahren.
Erinnerungen eines Veteranen aus dem Feldzug von 1814*). 1.
Das Gefecht bei Etoges am 14. Februar 1814 und seine Folgen für mich.

Nachdem das zweite preußische Armeecorps die Belagerung von Erfurt so
weit beendet hatte, daß Capitulationsbedingungen eingeleitet werden konnten,
trat es am 6. Januar seinen Marsch nach Frankreich an, ging bei Koblenz
über den Rhein und vereinigte sich in der ersten Woche des Februar bei Cha-
lons sur Marne mit dem schlesischen Kriegsheer. In und bei Koblenz blieben
wir etwa vierzehn Tage in Cantonnirung, und das waren glückliche Tage. Ich
schweige von den erhebenden Gefühlen, die unser Herz bei dem Anblick unsers
prächtigen vaterländischen Stromes und bei dem Gedanken an die so lange er¬
hoffte Überschreitung desselben erfüllten. So sehr es uns auch in Koblenz ge¬
fiel, sehnten wir uns doch nach der Fortsetzung des Krieges und nach seiner
Beendigung durch vollständige Niederwerfung des Erzfeindes und Besetzung der
großen Babel Paris. Und so jubelten wir hoch auf, als wir endlich den
Marsch nach Frankreich antraten und bald nachher seine Grenze überschritten.
Komisch kam es uns jüngern Leuten vor, als nun mit einem Male nicht mehr
deutsch gesprochen wurde. So waren wir denn in Feindes Land, wo unsere
Soldaten sich als Herren fühlten, an die Wirthsleute Forderungen machten, böse
wurden, wenn sie nicht erhielten, was sie wollten, die armen Einwohner des
üblen Willens beschuldigten, weil sie nicht verstanden wurden, und diese
glücklich waren, wenn einer Von uns Offizieren ihrer Verlegenheit durch Dol¬
metscher ein Ende machte.

Die erste ziemlich ansehnliche und gut gebaute Stadt, die wir betraten,
war Pont-a-Moussou. Ein Bataillon von unserm Regiment blieb daselbst;



-) Bon demselben preußischen Offizier, dem d, Bl. die im Jahrgang 1862, Heft 1 und 2,
mitgetheilten interessanten Erlebnisse vor, während und nach der Schlacht bei Jena dankte.
Grenzboten I. 1864. 1
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[0011] Heute vor fünfzig Jahren. Erinnerungen eines Veteranen aus dem Feldzug von 1814*). 1. Das Gefecht bei Etoges am 14. Februar 1814 und seine Folgen für mich. Nachdem das zweite preußische Armeecorps die Belagerung von Erfurt so weit beendet hatte, daß Capitulationsbedingungen eingeleitet werden konnten, trat es am 6. Januar seinen Marsch nach Frankreich an, ging bei Koblenz über den Rhein und vereinigte sich in der ersten Woche des Februar bei Cha- lons sur Marne mit dem schlesischen Kriegsheer. In und bei Koblenz blieben wir etwa vierzehn Tage in Cantonnirung, und das waren glückliche Tage. Ich schweige von den erhebenden Gefühlen, die unser Herz bei dem Anblick unsers prächtigen vaterländischen Stromes und bei dem Gedanken an die so lange er¬ hoffte Überschreitung desselben erfüllten. So sehr es uns auch in Koblenz ge¬ fiel, sehnten wir uns doch nach der Fortsetzung des Krieges und nach seiner Beendigung durch vollständige Niederwerfung des Erzfeindes und Besetzung der großen Babel Paris. Und so jubelten wir hoch auf, als wir endlich den Marsch nach Frankreich antraten und bald nachher seine Grenze überschritten. Komisch kam es uns jüngern Leuten vor, als nun mit einem Male nicht mehr deutsch gesprochen wurde. So waren wir denn in Feindes Land, wo unsere Soldaten sich als Herren fühlten, an die Wirthsleute Forderungen machten, böse wurden, wenn sie nicht erhielten, was sie wollten, die armen Einwohner des üblen Willens beschuldigten, weil sie nicht verstanden wurden, und diese glücklich waren, wenn einer Von uns Offizieren ihrer Verlegenheit durch Dol¬ metscher ein Ende machte. Die erste ziemlich ansehnliche und gut gebaute Stadt, die wir betraten, war Pont-a-Moussou. Ein Bataillon von unserm Regiment blieb daselbst; -) Bon demselben preußischen Offizier, dem d, Bl. die im Jahrgang 1862, Heft 1 und 2, mitgetheilten interessanten Erlebnisse vor, während und nach der Schlacht bei Jena dankte. Grenzboten I. 1864. 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/11>, abgerufen am 24.07.2024.