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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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den Gedanken an weitere Octroyirungen in den Hintergrund zu drücken. In
der That sind dieselben unnöthig. Die Kunst, Gesetzesparagraphen zu inter-
pretiren, ist so hoch gestiegen, daß die Regierung bei einer rücksichtslosen An¬
wendung dieser Fertigkeit sehr Vieles, was ihr wünschenswert!) scheint, zu
erreichen hoffen kann. Allerdings wird durch diese Art Mäßigung allein weder
eine Verminderung des Zornes noch der Bewegung im Volke hervorgebracht
werden.

Allein eine andere Gefahr, welche gegen das Ministerium des Herrn v. Bis-
marck heranzieht, könnte dadurch, daß sie die Stellung dieses rüstigen Staats¬
mannes unsicher macht, auch dem kräftigen Fortgang einer im Ganzen durchaus
gesunden Bewegung in Preußen diejenige Größe und Festigkeit verringern,
welche die Garantien für Heilung in sich schließt. Es ist kein Zweifel mehr,
daß in Karlsbad eine Zusammenkunft zwischen den Majestäten von Preußen
und von Oestreich stattfinden wird"), und es ist nicht unmöglich, daß die
ernstgemeinten Warnungen der östreichischen Staatsmänner das Vertrauen des
Königs zu dem gegenwärtigen Ministerium erschüttern werden. Denn wie
man in Oestreich über Herrn v. Vismarck denkt, wird jedem deutlich, der
aus der Sprache der großen östreichischen Zeitungen die Inspirationen des
geschickten Leiters der dortigen iPreßangelegenheitcn. also die Ueberzeugungen
des Ministeriums Rechberg-Schmerling erkennt. Nun versteht sich von selbst,
daß die Einwirkung der Oestreichs, wie wohlmeinend sie sei, keine gründliche
Besserung der preußischen Zustände herbeiführen wird, möglicherweise aber eine
kleine Schwenkung und das Eintreten neuer Bedenklichkeiten, welche wohl bis
zu einem Personenwechsel führen können.

Wir halten es für zeitgemäß zu erklären, daß die liberale Partei zu viele
Anrechte an Herrn v. Bismarck und seine Kollegen gewonnen hat. als'daß sie
diese Gegner jetzt gern vom Schauplatz würde abtreten sehen. Sie sind uns,
guten Preußen und warmen Patrioten, so wie sie sind, ganz recht. Denn sie
geben uns die Bürgschaft eines vollständigen Sieges, eines Sieges der libera¬
len Partei, wie er nothwendig ist. um den preußischen Staat, und wir dürfen
jetzt wieder mit einer gewissen Hoffnung sagen, um das Fürstengeschlecht der
Hohenzollern für die deutsche Zukunft zu retten.





") Ueber Oestreich und über die Stellung Preußens und der Nationalpartei zu den öst¬
reichischen Plänen wird dieses Blatt in einem nächsten Artikel sprechen.

den Gedanken an weitere Octroyirungen in den Hintergrund zu drücken. In
der That sind dieselben unnöthig. Die Kunst, Gesetzesparagraphen zu inter-
pretiren, ist so hoch gestiegen, daß die Regierung bei einer rücksichtslosen An¬
wendung dieser Fertigkeit sehr Vieles, was ihr wünschenswert!) scheint, zu
erreichen hoffen kann. Allerdings wird durch diese Art Mäßigung allein weder
eine Verminderung des Zornes noch der Bewegung im Volke hervorgebracht
werden.

Allein eine andere Gefahr, welche gegen das Ministerium des Herrn v. Bis-
marck heranzieht, könnte dadurch, daß sie die Stellung dieses rüstigen Staats¬
mannes unsicher macht, auch dem kräftigen Fortgang einer im Ganzen durchaus
gesunden Bewegung in Preußen diejenige Größe und Festigkeit verringern,
welche die Garantien für Heilung in sich schließt. Es ist kein Zweifel mehr,
daß in Karlsbad eine Zusammenkunft zwischen den Majestäten von Preußen
und von Oestreich stattfinden wird"), und es ist nicht unmöglich, daß die
ernstgemeinten Warnungen der östreichischen Staatsmänner das Vertrauen des
Königs zu dem gegenwärtigen Ministerium erschüttern werden. Denn wie
man in Oestreich über Herrn v. Vismarck denkt, wird jedem deutlich, der
aus der Sprache der großen östreichischen Zeitungen die Inspirationen des
geschickten Leiters der dortigen iPreßangelegenheitcn. also die Ueberzeugungen
des Ministeriums Rechberg-Schmerling erkennt. Nun versteht sich von selbst,
daß die Einwirkung der Oestreichs, wie wohlmeinend sie sei, keine gründliche
Besserung der preußischen Zustände herbeiführen wird, möglicherweise aber eine
kleine Schwenkung und das Eintreten neuer Bedenklichkeiten, welche wohl bis
zu einem Personenwechsel führen können.

Wir halten es für zeitgemäß zu erklären, daß die liberale Partei zu viele
Anrechte an Herrn v. Bismarck und seine Kollegen gewonnen hat. als'daß sie
diese Gegner jetzt gern vom Schauplatz würde abtreten sehen. Sie sind uns,
guten Preußen und warmen Patrioten, so wie sie sind, ganz recht. Denn sie
geben uns die Bürgschaft eines vollständigen Sieges, eines Sieges der libera¬
len Partei, wie er nothwendig ist. um den preußischen Staat, und wir dürfen
jetzt wieder mit einer gewissen Hoffnung sagen, um das Fürstengeschlecht der
Hohenzollern für die deutsche Zukunft zu retten.





") Ueber Oestreich und über die Stellung Preußens und der Nationalpartei zu den öst¬
reichischen Plänen wird dieses Blatt in einem nächsten Artikel sprechen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/520>, abgerufen am 20.10.2024.