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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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bau, welcher im Erdgeschosse einen Einblick in eine offene Vorhalle und ein
geräumiges Treppenhaus gewährt, tritt etwas vor den Flügeln vor und ist in
drei hohe Geschosse, die Seitenflügel dagegen sind zweistöckig angeordnet. Der
Mittelbau selber scheidet sich wieder in einen breiteren mittleren und zwei
schmalere Seitentheile. Die niedrigeren Flügel, welche sich demselben anschließen,
laufen bis an Querstraßen, welche zu beiden Seiten des Gebäudes auf das
Forum münden und brechen sich hier rechtwinklig in der Flucht derselben; diese
Wendung der Flügel ist durch schmälere, ihrer Tiefe entsprechende Abtheilungen
ausgesprochen. Die ganze Gliederung verdeutlicht allerdings die innere Raum¬
vertheilung, sie ist nicht eine dem Inneren widersprechende Maske. Die brei¬
ten und hohen Oeffnungen lassen erkennen, daß große und hohe Räume hinter
der Fa^abe liegen, welche eine gute Beleuchtung erfordern. Die Theilung in
Haupt- und Nebentheile ist nicht unklar und zwischen Mauermasse und Oeff¬
nungen besteht in der Anlage wenigstens ein gewisses anständiges Verhältniß.

Jede schmälere Abtheilung am Ende der Seitenflügel, wie an denen des
Mittelbaues ist von den anderen Theilen durch stark vortretende, im Querschnitt
Polygone Pfeiler, weiche durch die ganze Höhe des Gebäudes gehen, getrennt
und noch besonders durch höhere Attiken hervorgehoben, während über den
Hauptgcsimsen der andern Gcbäudctheile niedrigere hinlaufen. Dasselbe ist in
dem eigentlichen Centrum des Baues der Fall, und so bieten sich über dem
Mittelbau drei, über den Seitenflügeln zwei, also zusammen fünf durch größere
Höhe markirte Theile dar, welche ornamentale allegorische Aussähe tragen. Im
Centrum die thronende Bavaria, unter derselben das bayerische Wappen in
einer Füllung der Attika; auf. den vier anderen Erhöhungen je zwei liegende
weibliche Figuren mit den Wappen von Bayern, Schwaben, Franken und der
Pfalz. Damit ist also angedeutet, daß das Gebäude für das ganze bayerische
Volk bestimmt ist: was dann noch bestimmter ausgesprochen wird durch
die wohlgemeinte Widmung des königlichen Bauherrn, welche unter der
Bavaria die Stelle des Hauvtgcsnnses einnimmt: "Meinem Volke zu Ehr und
Vorbild".

Hätte doch der Architekt des Baues diese Inschrift beherzigt und nicht
durch die ganze sonstige Durchführung der Faxade den guten architektonischen
Anfang, der sich in der Haupteintheilung zeigte, wieder verläugnet und ver¬
dorben! Denn in jeder anderen Hinsicht stehen Anordnung, Form und Aus¬
führung, um das Kind mit dem rechten Namen zu nennen, weit unter dem,
was die heutige Konditorei an Architektur leistet. Ein solches Vorbild wäre
dem bayerischen Volke besser erspart geblieben. Die bloße Beschreibung wird,
wie öfter, genügen, dem Leser den Widersinn des bunten Durcheinander auf¬
zudecken.

Die übereinanderliegenden Oeffnungen stehen in wenig vertieften, vom


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bau, welcher im Erdgeschosse einen Einblick in eine offene Vorhalle und ein
geräumiges Treppenhaus gewährt, tritt etwas vor den Flügeln vor und ist in
drei hohe Geschosse, die Seitenflügel dagegen sind zweistöckig angeordnet. Der
Mittelbau selber scheidet sich wieder in einen breiteren mittleren und zwei
schmalere Seitentheile. Die niedrigeren Flügel, welche sich demselben anschließen,
laufen bis an Querstraßen, welche zu beiden Seiten des Gebäudes auf das
Forum münden und brechen sich hier rechtwinklig in der Flucht derselben; diese
Wendung der Flügel ist durch schmälere, ihrer Tiefe entsprechende Abtheilungen
ausgesprochen. Die ganze Gliederung verdeutlicht allerdings die innere Raum¬
vertheilung, sie ist nicht eine dem Inneren widersprechende Maske. Die brei¬
ten und hohen Oeffnungen lassen erkennen, daß große und hohe Räume hinter
der Fa^abe liegen, welche eine gute Beleuchtung erfordern. Die Theilung in
Haupt- und Nebentheile ist nicht unklar und zwischen Mauermasse und Oeff¬
nungen besteht in der Anlage wenigstens ein gewisses anständiges Verhältniß.

Jede schmälere Abtheilung am Ende der Seitenflügel, wie an denen des
Mittelbaues ist von den anderen Theilen durch stark vortretende, im Querschnitt
Polygone Pfeiler, weiche durch die ganze Höhe des Gebäudes gehen, getrennt
und noch besonders durch höhere Attiken hervorgehoben, während über den
Hauptgcsimsen der andern Gcbäudctheile niedrigere hinlaufen. Dasselbe ist in
dem eigentlichen Centrum des Baues der Fall, und so bieten sich über dem
Mittelbau drei, über den Seitenflügeln zwei, also zusammen fünf durch größere
Höhe markirte Theile dar, welche ornamentale allegorische Aussähe tragen. Im
Centrum die thronende Bavaria, unter derselben das bayerische Wappen in
einer Füllung der Attika; auf. den vier anderen Erhöhungen je zwei liegende
weibliche Figuren mit den Wappen von Bayern, Schwaben, Franken und der
Pfalz. Damit ist also angedeutet, daß das Gebäude für das ganze bayerische
Volk bestimmt ist: was dann noch bestimmter ausgesprochen wird durch
die wohlgemeinte Widmung des königlichen Bauherrn, welche unter der
Bavaria die Stelle des Hauvtgcsnnses einnimmt: „Meinem Volke zu Ehr und
Vorbild".

Hätte doch der Architekt des Baues diese Inschrift beherzigt und nicht
durch die ganze sonstige Durchführung der Faxade den guten architektonischen
Anfang, der sich in der Haupteintheilung zeigte, wieder verläugnet und ver¬
dorben! Denn in jeder anderen Hinsicht stehen Anordnung, Form und Aus¬
führung, um das Kind mit dem rechten Namen zu nennen, weit unter dem,
was die heutige Konditorei an Architektur leistet. Ein solches Vorbild wäre
dem bayerischen Volke besser erspart geblieben. Die bloße Beschreibung wird,
wie öfter, genügen, dem Leser den Widersinn des bunten Durcheinander auf¬
zudecken.

Die übereinanderliegenden Oeffnungen stehen in wenig vertieften, vom


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[0421] bau, welcher im Erdgeschosse einen Einblick in eine offene Vorhalle und ein geräumiges Treppenhaus gewährt, tritt etwas vor den Flügeln vor und ist in drei hohe Geschosse, die Seitenflügel dagegen sind zweistöckig angeordnet. Der Mittelbau selber scheidet sich wieder in einen breiteren mittleren und zwei schmalere Seitentheile. Die niedrigeren Flügel, welche sich demselben anschließen, laufen bis an Querstraßen, welche zu beiden Seiten des Gebäudes auf das Forum münden und brechen sich hier rechtwinklig in der Flucht derselben; diese Wendung der Flügel ist durch schmälere, ihrer Tiefe entsprechende Abtheilungen ausgesprochen. Die ganze Gliederung verdeutlicht allerdings die innere Raum¬ vertheilung, sie ist nicht eine dem Inneren widersprechende Maske. Die brei¬ ten und hohen Oeffnungen lassen erkennen, daß große und hohe Räume hinter der Fa^abe liegen, welche eine gute Beleuchtung erfordern. Die Theilung in Haupt- und Nebentheile ist nicht unklar und zwischen Mauermasse und Oeff¬ nungen besteht in der Anlage wenigstens ein gewisses anständiges Verhältniß. Jede schmälere Abtheilung am Ende der Seitenflügel, wie an denen des Mittelbaues ist von den anderen Theilen durch stark vortretende, im Querschnitt Polygone Pfeiler, weiche durch die ganze Höhe des Gebäudes gehen, getrennt und noch besonders durch höhere Attiken hervorgehoben, während über den Hauptgcsimsen der andern Gcbäudctheile niedrigere hinlaufen. Dasselbe ist in dem eigentlichen Centrum des Baues der Fall, und so bieten sich über dem Mittelbau drei, über den Seitenflügeln zwei, also zusammen fünf durch größere Höhe markirte Theile dar, welche ornamentale allegorische Aussähe tragen. Im Centrum die thronende Bavaria, unter derselben das bayerische Wappen in einer Füllung der Attika; auf. den vier anderen Erhöhungen je zwei liegende weibliche Figuren mit den Wappen von Bayern, Schwaben, Franken und der Pfalz. Damit ist also angedeutet, daß das Gebäude für das ganze bayerische Volk bestimmt ist: was dann noch bestimmter ausgesprochen wird durch die wohlgemeinte Widmung des königlichen Bauherrn, welche unter der Bavaria die Stelle des Hauvtgcsnnses einnimmt: „Meinem Volke zu Ehr und Vorbild". Hätte doch der Architekt des Baues diese Inschrift beherzigt und nicht durch die ganze sonstige Durchführung der Faxade den guten architektonischen Anfang, der sich in der Haupteintheilung zeigte, wieder verläugnet und ver¬ dorben! Denn in jeder anderen Hinsicht stehen Anordnung, Form und Aus¬ führung, um das Kind mit dem rechten Namen zu nennen, weit unter dem, was die heutige Konditorei an Architektur leistet. Ein solches Vorbild wäre dem bayerischen Volke besser erspart geblieben. Die bloße Beschreibung wird, wie öfter, genügen, dem Leser den Widersinn des bunten Durcheinander auf¬ zudecken. Die übereinanderliegenden Oeffnungen stehen in wenig vertieften, vom Grenzboten II. 1L63. 53

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/421>, abgerufen am 19.10.2024.