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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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viele Opfer gefallen, so in den letzten Tagen ein Candidat der Philologie, der
die einzige Hoffnung und der Stolz einer sehr armen Wittwe war. Sie hatte
das Aeußerste für seine Ausbildung aufgebracht und geht nun bösen Tagen
entgegen. Er war, weil er nach abgelegter einjähriger Dienstzeit in Preußen
Landwehrofsizier geworden war, drüben ebenfalls Offizier und zwar von einer
Abtheilung von Sensenmännern geworden, als solcher kühn vorgegangen und
geblieben.

Auch die Geldopfer des Adels sind so erheblich, daß er. wenn die Bewe¬
gung mißglückt, theilweis zu Grunde gerichtet sein wird. Man versichert mir.
daß ich auf Edelhöfen, wo sonst Tausende zu finden waren, vergebens nach
fünfzig Thalern suchen würde.

Wie schon erwähnt, blieben auch die polnischen Damen nicht zurück, ja
sie entwickeln bisweilen sogar ganz besondere Künste. Mit den Geistlichen
wetteifern sie in der Beförderung von Wafsentransporten. So geriethen neulich
zwei von ihnen auf den Einfall, die Crinoline mit Pulverbeuteln und Revol¬
vern aufzuhängen und in dieser peinigend schwerfälligen Situation eine Fahrt
nach der Grenze zu unternehmen, deren Abkürzung sie nur der Militärpatrouille
verdanken. Denken Sie, die garstigen Soldaten waren ungalant genug, die
Damen zur Ablegung dieser noch nicht dagewesenen Unterröcke zu nöthigen.
Daß auch christliche Geistliche mit großen Waffenvorräthen über die Grenze
zu fahren bemüht sind, beweist unter Andern das Beispiel des OrtspfarrerS von
Staw im Kreise Wreschen. Diesem wurden am 3. Mai aus seiner Briczka
6V2 Centner gehacktes Blei, 1 Centner Pulver. 15 Pfund Kupferhütchen, 13
Revolver, etwa zu SO Thaler das Stück, abgenommen. Ein anschauliches
Bild von den Sendungen an Kriegsmaterial, welches die diesseitigen Polen
den Brüdern über die Grenze zuzuführen suchten, gibt die pleschcner Confis¬
cation. Man nahm dort 76 Pferde, 24 Wagen, 1 Fahne, roth mit Silber-
einfassung, auf der einen Seite das Muttergottesbild mit der Inschrift ?va
tvvjtz obroritz uciekam^ sitz, auf der andern Seite ein weißer Adler, 111 Büch¬
sen. 59 Gewehre, 39 Doppelflinten, 14 Pistolen, 14 Revolver, 16 Haubajonnete,
23 dreieckige Bajonnete, 2 Terzerole. 107 Pulverhörner. 48 Kugelformen, 118
Patrontaschen, 30 Koppel, 8 Tornister, 65 Kochgeschirre. 26 Gewehrriemen,
76 Cavalleriesäbel, 20 Hirschfänger, 12 Paar Stiefeln, 19 Paar Hosen, 59
Hemden. 147 Futtersäcke, 6 Futterbeutel, 114 Gemüse- und Brotbeutel, 14
vollständige Cavallcriesättel, 6 Ueberzieher, 9 Mäntel, 4 chirurgische Amputa¬
tionsbestecke, einige Centner Pulver, Blei, Kupferhütchen u. s. w. Aehnliche
Vollständigkeit treffen wir auch bei anderwärts confiscirten Sachen an. Die
Gewehre sind gut, namentlich die Miniübüchsen, aber für ungeübte Krieger
etwas zu schwer. Viele sind neu und auf einzelnen der neuen Stücke fällt die
Jahreszahl 1861 auf, als ein deutliches Zeichen, daß es sich damals wirklich,


Grenzboten II. 18L3. 32

viele Opfer gefallen, so in den letzten Tagen ein Candidat der Philologie, der
die einzige Hoffnung und der Stolz einer sehr armen Wittwe war. Sie hatte
das Aeußerste für seine Ausbildung aufgebracht und geht nun bösen Tagen
entgegen. Er war, weil er nach abgelegter einjähriger Dienstzeit in Preußen
Landwehrofsizier geworden war, drüben ebenfalls Offizier und zwar von einer
Abtheilung von Sensenmännern geworden, als solcher kühn vorgegangen und
geblieben.

Auch die Geldopfer des Adels sind so erheblich, daß er. wenn die Bewe¬
gung mißglückt, theilweis zu Grunde gerichtet sein wird. Man versichert mir.
daß ich auf Edelhöfen, wo sonst Tausende zu finden waren, vergebens nach
fünfzig Thalern suchen würde.

Wie schon erwähnt, blieben auch die polnischen Damen nicht zurück, ja
sie entwickeln bisweilen sogar ganz besondere Künste. Mit den Geistlichen
wetteifern sie in der Beförderung von Wafsentransporten. So geriethen neulich
zwei von ihnen auf den Einfall, die Crinoline mit Pulverbeuteln und Revol¬
vern aufzuhängen und in dieser peinigend schwerfälligen Situation eine Fahrt
nach der Grenze zu unternehmen, deren Abkürzung sie nur der Militärpatrouille
verdanken. Denken Sie, die garstigen Soldaten waren ungalant genug, die
Damen zur Ablegung dieser noch nicht dagewesenen Unterröcke zu nöthigen.
Daß auch christliche Geistliche mit großen Waffenvorräthen über die Grenze
zu fahren bemüht sind, beweist unter Andern das Beispiel des OrtspfarrerS von
Staw im Kreise Wreschen. Diesem wurden am 3. Mai aus seiner Briczka
6V2 Centner gehacktes Blei, 1 Centner Pulver. 15 Pfund Kupferhütchen, 13
Revolver, etwa zu SO Thaler das Stück, abgenommen. Ein anschauliches
Bild von den Sendungen an Kriegsmaterial, welches die diesseitigen Polen
den Brüdern über die Grenze zuzuführen suchten, gibt die pleschcner Confis¬
cation. Man nahm dort 76 Pferde, 24 Wagen, 1 Fahne, roth mit Silber-
einfassung, auf der einen Seite das Muttergottesbild mit der Inschrift ?va
tvvjtz obroritz uciekam^ sitz, auf der andern Seite ein weißer Adler, 111 Büch¬
sen. 59 Gewehre, 39 Doppelflinten, 14 Pistolen, 14 Revolver, 16 Haubajonnete,
23 dreieckige Bajonnete, 2 Terzerole. 107 Pulverhörner. 48 Kugelformen, 118
Patrontaschen, 30 Koppel, 8 Tornister, 65 Kochgeschirre. 26 Gewehrriemen,
76 Cavalleriesäbel, 20 Hirschfänger, 12 Paar Stiefeln, 19 Paar Hosen, 59
Hemden. 147 Futtersäcke, 6 Futterbeutel, 114 Gemüse- und Brotbeutel, 14
vollständige Cavallcriesättel, 6 Ueberzieher, 9 Mäntel, 4 chirurgische Amputa¬
tionsbestecke, einige Centner Pulver, Blei, Kupferhütchen u. s. w. Aehnliche
Vollständigkeit treffen wir auch bei anderwärts confiscirten Sachen an. Die
Gewehre sind gut, namentlich die Miniübüchsen, aber für ungeübte Krieger
etwas zu schwer. Viele sind neu und auf einzelnen der neuen Stücke fällt die
Jahreszahl 1861 auf, als ein deutliches Zeichen, daß es sich damals wirklich,


Grenzboten II. 18L3. 32
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/253>, abgerufen am 20.10.2024.