Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.Werth auch der Magistrat auf die gnädige Gesinnung des Großherzogs lege, Der Großherzog erwiderte, daß der Magistrat nun seine Meinung kenne, Während so auf dem Landtage durch das Landtagsdircctorium und gleich¬ 12
Werth auch der Magistrat auf die gnädige Gesinnung des Großherzogs lege, Der Großherzog erwiderte, daß der Magistrat nun seine Meinung kenne, Während so auf dem Landtage durch das Landtagsdircctorium und gleich¬ 12
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0099" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187593"/> <p xml:id="ID_382" prev="#ID_381"> Werth auch der Magistrat auf die gnädige Gesinnung des Großherzogs lege,<lb/> und so viele Beweise der Liebe und Anhänglichkeit an seine Person und sein<lb/> Haus auch Magistrat und Bürgerschaft der Residenz dem Großherzog gegeben<lb/> haben, so dürfe doch nicht verkannt werden, daß der Magistrat auch Pflichten<lb/> gegen das Land habe, die er gerade in jetziger Zeit zu üben sich berufen<lb/> fühlen müsse. Daß Mecklenburg in seiner Entwickelung nicht voranschreite und<lb/> die in ihm wirkenden berechtigten Interessen ihre Anerkennung im Staats¬<lb/> leben nicht fänden, das dürfe nicht außer Acht gelassen werden, und ebenso<lb/> wenig könne man sich verhehlen, daß die jetzige Verfassung gerade der Hemm¬<lb/> schuh jeder gedeihlichen Entwickelung sei. Dieser durch weite Kreise gehenden<lb/> Anschauung habe der Magistrat durch seinen Beschluß Ausdruck gegeben, und<lb/> es sei dringend zu wünschen, daß die Lage der mecklenburgischen Verfassung<lb/> bald eine solche werde, daß alle berechtigten Interessen des Volkslebens zu<lb/> ihrer Geltung kämen.</p><lb/> <p xml:id="ID_383"> Der Großherzog erwiderte, daß der Magistrat nun seine Meinung kenne,<lb/> und entließ darauf die Deputirten, welche beim Weggehen noch den Adjutanten<lb/> um Vermittlung einer Abschrift der großherzoglichen Rede ersuchten, die ihnen<lb/> auch zugesichert und demnächst zugestellt ward. Der Magistrat beschloß nun,<lb/> dem durch die Veröffentlichung im „Norddeutschen Korrespondenten" noch ver¬<lb/> stärkten Ausdruck großherzoglicher Mißbilligung gegenüber sein Verhalten in<lb/> der Verfassungsangclegenhcit mittelst einer Denkschrift zu rechtfertigen. Als<lb/> aber eine Deputation des Magistrats bei dem Großherzog angemeldet ward,<lb/> welche ihm jene Rechtfertigungsschrift überreichen sollte, erfolgte durch Adju-<lb/> tanturschreibcn die Antwort, daß der Großherzog es ablehnen müsse, in dieser<lb/> Angelegenheit etwas Weiteres, sei es Mündliches oder Schriftliches, vom Ma¬<lb/> gistrat entgegenzunehmen. Damit war denn dem Magistrat der Weg der<lb/> Rechtfertigung auch nach außen abgeschnitten, wenn es ihm nicht gelingen<lb/> sollte, einen loyalen Anlaß aufzufinden, um die für den Großherzog bestimmt<lb/> gewesene Schrift an die Oeffentlichkeit zu bringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_384" next="#ID_385"> Während so auf dem Landtage durch das Landtagsdircctorium und gleich¬<lb/> zeitig außerhalb Landtags durch die Allerhöchste Mißbilligungsrcde Alles geschah,<lb/> was möglich war, um den Bestrebungen für die Wiedereinführung des Staats-<lb/> grundgcsetzes jede Aussicht auf Erfolg zu benehmen, schien es, als wenn auf<lb/> Seiten der feudalen Partei die Erinnerung an die Ereignisse, Verheißungen<lb/> und Beschlüsse des Jahres 1848 bis auf die letzte Spur erloschen sei oder<lb/> wenigstens durch kühnes Jgnoriren ertödtet werden sollte. Ein auffallendes<lb/> Beispiel dieser gcschichtsfeindlichen Praxis lieferte der Senior der Ritterschaft,<lb/> Herr v. Laffert ans Lessen. Als ältester anwesender Ritter kam derselbe in<lb/> den Fall, Namens der Stände an die beiden schon erwähnten Landräthe<lb/> v. Maltzan und v. Rieden, deren 2Sjähriaes Landrathsjubiläum in die Land-<lb/> *</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 12</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0099]
Werth auch der Magistrat auf die gnädige Gesinnung des Großherzogs lege,
und so viele Beweise der Liebe und Anhänglichkeit an seine Person und sein
Haus auch Magistrat und Bürgerschaft der Residenz dem Großherzog gegeben
haben, so dürfe doch nicht verkannt werden, daß der Magistrat auch Pflichten
gegen das Land habe, die er gerade in jetziger Zeit zu üben sich berufen
fühlen müsse. Daß Mecklenburg in seiner Entwickelung nicht voranschreite und
die in ihm wirkenden berechtigten Interessen ihre Anerkennung im Staats¬
leben nicht fänden, das dürfe nicht außer Acht gelassen werden, und ebenso
wenig könne man sich verhehlen, daß die jetzige Verfassung gerade der Hemm¬
schuh jeder gedeihlichen Entwickelung sei. Dieser durch weite Kreise gehenden
Anschauung habe der Magistrat durch seinen Beschluß Ausdruck gegeben, und
es sei dringend zu wünschen, daß die Lage der mecklenburgischen Verfassung
bald eine solche werde, daß alle berechtigten Interessen des Volkslebens zu
ihrer Geltung kämen.
Der Großherzog erwiderte, daß der Magistrat nun seine Meinung kenne,
und entließ darauf die Deputirten, welche beim Weggehen noch den Adjutanten
um Vermittlung einer Abschrift der großherzoglichen Rede ersuchten, die ihnen
auch zugesichert und demnächst zugestellt ward. Der Magistrat beschloß nun,
dem durch die Veröffentlichung im „Norddeutschen Korrespondenten" noch ver¬
stärkten Ausdruck großherzoglicher Mißbilligung gegenüber sein Verhalten in
der Verfassungsangclegenhcit mittelst einer Denkschrift zu rechtfertigen. Als
aber eine Deputation des Magistrats bei dem Großherzog angemeldet ward,
welche ihm jene Rechtfertigungsschrift überreichen sollte, erfolgte durch Adju-
tanturschreibcn die Antwort, daß der Großherzog es ablehnen müsse, in dieser
Angelegenheit etwas Weiteres, sei es Mündliches oder Schriftliches, vom Ma¬
gistrat entgegenzunehmen. Damit war denn dem Magistrat der Weg der
Rechtfertigung auch nach außen abgeschnitten, wenn es ihm nicht gelingen
sollte, einen loyalen Anlaß aufzufinden, um die für den Großherzog bestimmt
gewesene Schrift an die Oeffentlichkeit zu bringen.
Während so auf dem Landtage durch das Landtagsdircctorium und gleich¬
zeitig außerhalb Landtags durch die Allerhöchste Mißbilligungsrcde Alles geschah,
was möglich war, um den Bestrebungen für die Wiedereinführung des Staats-
grundgcsetzes jede Aussicht auf Erfolg zu benehmen, schien es, als wenn auf
Seiten der feudalen Partei die Erinnerung an die Ereignisse, Verheißungen
und Beschlüsse des Jahres 1848 bis auf die letzte Spur erloschen sei oder
wenigstens durch kühnes Jgnoriren ertödtet werden sollte. Ein auffallendes
Beispiel dieser gcschichtsfeindlichen Praxis lieferte der Senior der Ritterschaft,
Herr v. Laffert ans Lessen. Als ältester anwesender Ritter kam derselbe in
den Fall, Namens der Stände an die beiden schon erwähnten Landräthe
v. Maltzan und v. Rieden, deren 2Sjähriaes Landrathsjubiläum in die Land-
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