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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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derselbe, noch ehe er ein Exemplar an die Herzogin von Gotha sandte, dem
Vorleser Friedrich des Großen die erste Nachricht von der Existenz der NatMöciiZ
gab, und daß dieser sofort eine Abschrift verlangte und erhielt. Als im Jahre
1766 der erste Druck erschien, befahl der König dem Oberstlieutenant Quintus
Icilius in den altonaer und Hamburger Zeitungen gegen die Echtheit der Schrift
zu protestiren. Der Brief, mit dem derselbe den für die Journale bestimmten
Artikel an den preußischen Residenten in Hamburg übersandte, ist vom 4. März
1766; die Na,titi6<zö heißen darin "cer, exverMs öerir".

Ueber den Ursprung solcher Schriften läßt sich der Natur der Sache nach
gewöhnlich nur Weniges mit vollkommner Sicherheit feststellen, die Bezeichnung
der bestimmten Person des Fälschers pflegt Vermuthung zu bleiben. Es
pflegt schon viel erreicht zu sein, wenn sich mit einiger Wahrscheinlichkeit der
Personenkreis und der Zweck, aus dem sie hervorgingen, bezeichnen läßt. Solche
Schriften ehren den Charakter ihrer Verfasser nicht und dieselben suchen
natürlich die Spuren ihrer That zu verwischen.

Es gibt eine Erzählung über den Verfasser der Natirl^s, welche Thi6-
baute, ein Franzose aus der Umgebung des Königs, in seinen Souvenirs mit¬
theilt. Sie lautet dahin, daß als der Marschall Moritz von Sachsen nach
Berlin gekommen, er von^ einem jungen französischen Offizier als Adjutanten
begleitet gewesen sei. Dieser Offizier habe sich an den Abschreiber des Königs
gemacht und von ihm gegen die RSverieL, eine militärische Schrift des Mar¬
schalls, die Na,tin6e8 auf nur vierundzwanzig Stunden entliehen. Gegen ihr
feierliches Versprechen hätten dann Beide, der Eine von den ÜLvLries, der
Andere von den Natinöks Abschrift genommen. Thi6baute fügt aber hinzu,
diese Erzählung könne nur so weit wahr sein, daß Friedrich der Große Ein¬
zelnes von dem, was die Ug.to6eL enthalten, gesagt und sein Secretär einzelne
wahre oder unwahre Aeußerungen aufgeschrieben und der französische Offizier
dieselben dann in die Natiriöks verarbeitet haben möge. TWbault führt für
diese seine Hypothese als Thatsache an, daß der Offizier wirklich in Holland
die falschen NatimZes habe drucken lassen, später wieder nach Preußen gekommen,
seine Dienste angeboten, aber nach Spandau geschickt worden und daselbst ge-
siorben sei.

Die Mittheilung Thi6baults zerfällt also in eine von ihm als unsicher
und in eine andere von ihm als sicher vorgetragene Erzählung. Was die
erstere betrifft, so ist sie nicht blos unsicher, sondern reine Erfindung. Der
Marschall von Sachsen war, wie Herr Acton richtig bemerkt hat, 1749 in
Berlin und starb 1760. Der Thronfolger, an den die Na,tin6e8 gerichtet sind,
war 1744 geboren, dieselben sind nach dein siebenjährigen Kriege geschrieben.

Auch den zweiten Theil, die eigene Erzählung Thivbaults über den Druck
der NatinSes durch einen früheren Adjutanten Moritz von Sachsens ist ohne


derselbe, noch ehe er ein Exemplar an die Herzogin von Gotha sandte, dem
Vorleser Friedrich des Großen die erste Nachricht von der Existenz der NatMöciiZ
gab, und daß dieser sofort eine Abschrift verlangte und erhielt. Als im Jahre
1766 der erste Druck erschien, befahl der König dem Oberstlieutenant Quintus
Icilius in den altonaer und Hamburger Zeitungen gegen die Echtheit der Schrift
zu protestiren. Der Brief, mit dem derselbe den für die Journale bestimmten
Artikel an den preußischen Residenten in Hamburg übersandte, ist vom 4. März
1766; die Na,titi6<zö heißen darin „cer, exverMs öerir".

Ueber den Ursprung solcher Schriften läßt sich der Natur der Sache nach
gewöhnlich nur Weniges mit vollkommner Sicherheit feststellen, die Bezeichnung
der bestimmten Person des Fälschers pflegt Vermuthung zu bleiben. Es
pflegt schon viel erreicht zu sein, wenn sich mit einiger Wahrscheinlichkeit der
Personenkreis und der Zweck, aus dem sie hervorgingen, bezeichnen läßt. Solche
Schriften ehren den Charakter ihrer Verfasser nicht und dieselben suchen
natürlich die Spuren ihrer That zu verwischen.

Es gibt eine Erzählung über den Verfasser der Natirl^s, welche Thi6-
baute, ein Franzose aus der Umgebung des Königs, in seinen Souvenirs mit¬
theilt. Sie lautet dahin, daß als der Marschall Moritz von Sachsen nach
Berlin gekommen, er von^ einem jungen französischen Offizier als Adjutanten
begleitet gewesen sei. Dieser Offizier habe sich an den Abschreiber des Königs
gemacht und von ihm gegen die RSverieL, eine militärische Schrift des Mar¬
schalls, die Na,tin6e8 auf nur vierundzwanzig Stunden entliehen. Gegen ihr
feierliches Versprechen hätten dann Beide, der Eine von den ÜLvLries, der
Andere von den Natinöks Abschrift genommen. Thi6baute fügt aber hinzu,
diese Erzählung könne nur so weit wahr sein, daß Friedrich der Große Ein¬
zelnes von dem, was die Ug.to6eL enthalten, gesagt und sein Secretär einzelne
wahre oder unwahre Aeußerungen aufgeschrieben und der französische Offizier
dieselben dann in die Natiriöks verarbeitet haben möge. TWbault führt für
diese seine Hypothese als Thatsache an, daß der Offizier wirklich in Holland
die falschen NatimZes habe drucken lassen, später wieder nach Preußen gekommen,
seine Dienste angeboten, aber nach Spandau geschickt worden und daselbst ge-
siorben sei.

Die Mittheilung Thi6baults zerfällt also in eine von ihm als unsicher
und in eine andere von ihm als sicher vorgetragene Erzählung. Was die
erstere betrifft, so ist sie nicht blos unsicher, sondern reine Erfindung. Der
Marschall von Sachsen war, wie Herr Acton richtig bemerkt hat, 1749 in
Berlin und starb 1760. Der Thronfolger, an den die Na,tin6e8 gerichtet sind,
war 1744 geboren, dieselben sind nach dein siebenjährigen Kriege geschrieben.

Auch den zweiten Theil, die eigene Erzählung Thivbaults über den Druck
der NatinSes durch einen früheren Adjutanten Moritz von Sachsens ist ohne


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/520>, abgerufen am 25.11.2024.