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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Daß der König auch Geistlichen aller Confessionen Audienz gab, versteht
sich von selbst. Er zog selbst katholische Geistliche in seinen nähern Umgang.
Für die übrigen Abgeschmacktheiten, die hier dem König angedichtet werden,
erwarten wir von Herrn Acton um so mehr einen Commentar, als derselbe über¬
zeugt ist, daß Friedrich glaubte, nur die getreue Befolgung seines Beispiels
könne den preußischen Staat erhalten.

Ebenso ist es mit verschiedenen Ereignissen, welche in den Ug,t,lo6og er-
wähnt werden -- Thatsachen, deren Wahrheit oder Unwahrheit Friedrich ganz
genau wissen mußte und die zu entstellen er kein Interesse hatte, die aber der
Literat, der die Ng,till6tzs schrieb, theils nicht kannte, theils, um Friedrich
lächerlich zu machen, erfand. Wir wollen einige Beispiele anführen.

Zur ersten Art gehört die Stelle der NatinöW, in der gesagt wird,
Friedrich Wilhelm der Erste habe durch den Präsidenten Lom einen kleinen
Tractat über die Religion schreiben lassen. Dieses Buch ist nicht von Friedrich
Wilhelm dem Ersten veranlaßt. Es erschien 1751 und wurde Friedrich dem
Großen selbst gewidmet.

Noch ärger ist die Darstellung, welche über den Regierungsansang Friedrichs
gegeben wird, eine Stelle, auf welche schon Ranke aufmerksam gemacht hat. Die¬
selbe lautet: "Bei meiner Thronbesteigung untersuchte ich die Koffer meines Vaters.
Seine große Sparsamkeit setzte mich zu großen Entwürfen in Stand. Bald
darauf musterte ich meine Truppen und fand sie vortrefflich. Nach dieser
Musterung ging ich wieder zu meinen Koffern und fand genug, um meine
Armee zu verdoppeln. Nachdem ich meine Macht verdoppelt hatte, be¬
schränkte ich mich natürlich nicht darauf, blos zu bewahren, was ich besaß. So
war ich denn bald entschlossen die erste Gelegenheit, die sich darbieten würde,
zu benutzen. Bis dahin übte ich meine Truppen gut ein und that Alles,
um die Augen Europas auf meine Manöver gerichtet zu halten.
Ich erneuerte die Manöver jedes Jahr, damit man mich für klüger
(als Andere) hielte, und schließlich erreichte ich meinen Zweck. Ich verdrehte
allen Mächten den Kopf. Jedermann glaubte, er sei verloren, wenn er nicht
Arme, Füße, Kopf nach preußischer Art bewegen könne. Alle meine Soldaten
schätzten, seitdem sie sich überall nachgeahmt sahen, ihren Werth aufs Doppelte.
Nachdem nun aus diese Weise meine Truppen einen Vorzug vor
allen andern erhalten hatten, beschäftigte ich mich nur noch mit der Prü¬
fung der Ansprüche, die ich auf verschiedene Provinzen erheben könnte. Vier
Hauptpunkte boten sich meinem Blick dar: Schlesien, Polnisch-Preußen. Hollän-
disch-Geldern und schwedisch-Pommern. Ich wählte Schlesien, weil es mehr
als alles Andere meine Aufmerksamkeit verdiente und weil die Umstände mir
günstiger waren." Hier ist alles Einzelne erfunden oder entstellt oder durch¬
einandergeworfen.


Daß der König auch Geistlichen aller Confessionen Audienz gab, versteht
sich von selbst. Er zog selbst katholische Geistliche in seinen nähern Umgang.
Für die übrigen Abgeschmacktheiten, die hier dem König angedichtet werden,
erwarten wir von Herrn Acton um so mehr einen Commentar, als derselbe über¬
zeugt ist, daß Friedrich glaubte, nur die getreue Befolgung seines Beispiels
könne den preußischen Staat erhalten.

Ebenso ist es mit verschiedenen Ereignissen, welche in den Ug,t,lo6og er-
wähnt werden — Thatsachen, deren Wahrheit oder Unwahrheit Friedrich ganz
genau wissen mußte und die zu entstellen er kein Interesse hatte, die aber der
Literat, der die Ng,till6tzs schrieb, theils nicht kannte, theils, um Friedrich
lächerlich zu machen, erfand. Wir wollen einige Beispiele anführen.

Zur ersten Art gehört die Stelle der NatinöW, in der gesagt wird,
Friedrich Wilhelm der Erste habe durch den Präsidenten Lom einen kleinen
Tractat über die Religion schreiben lassen. Dieses Buch ist nicht von Friedrich
Wilhelm dem Ersten veranlaßt. Es erschien 1751 und wurde Friedrich dem
Großen selbst gewidmet.

Noch ärger ist die Darstellung, welche über den Regierungsansang Friedrichs
gegeben wird, eine Stelle, auf welche schon Ranke aufmerksam gemacht hat. Die¬
selbe lautet: „Bei meiner Thronbesteigung untersuchte ich die Koffer meines Vaters.
Seine große Sparsamkeit setzte mich zu großen Entwürfen in Stand. Bald
darauf musterte ich meine Truppen und fand sie vortrefflich. Nach dieser
Musterung ging ich wieder zu meinen Koffern und fand genug, um meine
Armee zu verdoppeln. Nachdem ich meine Macht verdoppelt hatte, be¬
schränkte ich mich natürlich nicht darauf, blos zu bewahren, was ich besaß. So
war ich denn bald entschlossen die erste Gelegenheit, die sich darbieten würde,
zu benutzen. Bis dahin übte ich meine Truppen gut ein und that Alles,
um die Augen Europas auf meine Manöver gerichtet zu halten.
Ich erneuerte die Manöver jedes Jahr, damit man mich für klüger
(als Andere) hielte, und schließlich erreichte ich meinen Zweck. Ich verdrehte
allen Mächten den Kopf. Jedermann glaubte, er sei verloren, wenn er nicht
Arme, Füße, Kopf nach preußischer Art bewegen könne. Alle meine Soldaten
schätzten, seitdem sie sich überall nachgeahmt sahen, ihren Werth aufs Doppelte.
Nachdem nun aus diese Weise meine Truppen einen Vorzug vor
allen andern erhalten hatten, beschäftigte ich mich nur noch mit der Prü¬
fung der Ansprüche, die ich auf verschiedene Provinzen erheben könnte. Vier
Hauptpunkte boten sich meinem Blick dar: Schlesien, Polnisch-Preußen. Hollän-
disch-Geldern und schwedisch-Pommern. Ich wählte Schlesien, weil es mehr
als alles Andere meine Aufmerksamkeit verdiente und weil die Umstände mir
günstiger waren." Hier ist alles Einzelne erfunden oder entstellt oder durch¬
einandergeworfen.


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[0514] Daß der König auch Geistlichen aller Confessionen Audienz gab, versteht sich von selbst. Er zog selbst katholische Geistliche in seinen nähern Umgang. Für die übrigen Abgeschmacktheiten, die hier dem König angedichtet werden, erwarten wir von Herrn Acton um so mehr einen Commentar, als derselbe über¬ zeugt ist, daß Friedrich glaubte, nur die getreue Befolgung seines Beispiels könne den preußischen Staat erhalten. Ebenso ist es mit verschiedenen Ereignissen, welche in den Ug,t,lo6og er- wähnt werden — Thatsachen, deren Wahrheit oder Unwahrheit Friedrich ganz genau wissen mußte und die zu entstellen er kein Interesse hatte, die aber der Literat, der die Ng,till6tzs schrieb, theils nicht kannte, theils, um Friedrich lächerlich zu machen, erfand. Wir wollen einige Beispiele anführen. Zur ersten Art gehört die Stelle der NatinöW, in der gesagt wird, Friedrich Wilhelm der Erste habe durch den Präsidenten Lom einen kleinen Tractat über die Religion schreiben lassen. Dieses Buch ist nicht von Friedrich Wilhelm dem Ersten veranlaßt. Es erschien 1751 und wurde Friedrich dem Großen selbst gewidmet. Noch ärger ist die Darstellung, welche über den Regierungsansang Friedrichs gegeben wird, eine Stelle, auf welche schon Ranke aufmerksam gemacht hat. Die¬ selbe lautet: „Bei meiner Thronbesteigung untersuchte ich die Koffer meines Vaters. Seine große Sparsamkeit setzte mich zu großen Entwürfen in Stand. Bald darauf musterte ich meine Truppen und fand sie vortrefflich. Nach dieser Musterung ging ich wieder zu meinen Koffern und fand genug, um meine Armee zu verdoppeln. Nachdem ich meine Macht verdoppelt hatte, be¬ schränkte ich mich natürlich nicht darauf, blos zu bewahren, was ich besaß. So war ich denn bald entschlossen die erste Gelegenheit, die sich darbieten würde, zu benutzen. Bis dahin übte ich meine Truppen gut ein und that Alles, um die Augen Europas auf meine Manöver gerichtet zu halten. Ich erneuerte die Manöver jedes Jahr, damit man mich für klüger (als Andere) hielte, und schließlich erreichte ich meinen Zweck. Ich verdrehte allen Mächten den Kopf. Jedermann glaubte, er sei verloren, wenn er nicht Arme, Füße, Kopf nach preußischer Art bewegen könne. Alle meine Soldaten schätzten, seitdem sie sich überall nachgeahmt sahen, ihren Werth aufs Doppelte. Nachdem nun aus diese Weise meine Truppen einen Vorzug vor allen andern erhalten hatten, beschäftigte ich mich nur noch mit der Prü¬ fung der Ansprüche, die ich auf verschiedene Provinzen erheben könnte. Vier Hauptpunkte boten sich meinem Blick dar: Schlesien, Polnisch-Preußen. Hollän- disch-Geldern und schwedisch-Pommern. Ich wählte Schlesien, weil es mehr als alles Andere meine Aufmerksamkeit verdiente und weil die Umstände mir günstiger waren." Hier ist alles Einzelne erfunden oder entstellt oder durch¬ einandergeworfen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/514>, abgerufen am 25.11.2024.