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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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der Beurtheilung des Königs mit uns übereinstimmt, von hier aus wird es
daher vielleicht möglich sein', zu einer schließlichen Uebereinstimmung zu kommen.

Die U^tiness mögen immerhin von einem gescheidten Manne geschrieben
sein, wenn derselbe die Absicht hatte, den König herabzuwürdigen. Wenn wir
sie uns aber als vom König geschrieben denken, so erscheinen sie als ein
Werk von unbegreiflicher Einfältigkeit. Denn die allgemeinen Betrachtungen
derselben über Politik sind durchaus banaler Natur, und man wird sie in fran¬
zösischen Schriften jener Zeit häusig wiederfinden. Eine Ausnahme machen
vielleicht nur zwei oder drei Stellen; sie finden sich in dem Abschnitte über
Justiz ganz am Schluß, wo es heißt, daß Alles daraus ankomme, bei seinen
Nachbarn die Ueberzeugung zu erwecken, daß man lieber zwei Königreiche, als
den Nachruhm verlieren wolle. Und selbst diese letzte Stelle ist wieder da¬
durch entstellt, daß sie nicht als wirkliche Meinung deS Verfassers, wie es aller¬
dings die Friedrichs war, sondern als Heuchelei erscheint.

"Politik," sagen die Natiuees, "ist fast gleichbedeutend mit Spitzbüberei,"
und führen das in das Detail hinein durch.

Uns dünkt, das sei mehr die Auffassung der Bedientenstube, als eines
Thrones.

Der König der Matinees geht von der Ansicht aus, eS komme darauf
an, in Müßiggang und Freuden zu genießen, dabei aber den Schein anzunehmen,
als ob ihm das Wohl seines Landes am Herzen liege und er nicht ohne Fähig¬
keiten sei. Er ist daher der Meinung, daß es, um glücklich im Kriege zu sein,
nicht nothwendig sei, ein waffengeübtes Heer zu besitzen, sondern nur den
Truppen einen Anstrich von Ueberlegenheit, ein ,,^ir ac suxerivi ne " zu
geben.

Er hält es daher auch nicht für nöthig, sich um das Detail des Dienstes
und namentlich um die persönlichen Fähigkeiten seiner Militärs selbst zu be¬
kümmern. Aber allerdings glaubt er, daß es sür ihn von wesentlichem Nutzen
sei, sich den Schein zu geben, als habe er Interesse sür die Armee und
als habe er ein gutes Gedächtniß. Deshalb nimmt er sich vor, folgendes
Kunststück zu machen, welches wir uns von dem Friedrich der Ng.tin6es wört¬
lich erzählen lassen müssen:

"Ehe ich ein Regiment die Revue Passiren lasse, brauche ich die Vorsorge,
die Namen aller Offiziere und aller Sergeanten zu lesen, und ich behalte dann
drei oder vier davon mit den Namen der Compagnien, wo sie sich befinden.
Ich lasse mich sehr genau von all den kleinen Mißbräuchen unterrichten, die
von meinen Hauptleuten begangen werden und erlaube jedem Soldaten sich ^
beklagen. Die Stunde der Musterung kommt. Ich breche auf und bald um¬
zingelt mich ein Volkshaufe. Ich gebe nicht zu, daß man denselben abhält;
ich spreche mit dem Nächsten und der mir am besten antwortet.


der Beurtheilung des Königs mit uns übereinstimmt, von hier aus wird es
daher vielleicht möglich sein', zu einer schließlichen Uebereinstimmung zu kommen.

Die U^tiness mögen immerhin von einem gescheidten Manne geschrieben
sein, wenn derselbe die Absicht hatte, den König herabzuwürdigen. Wenn wir
sie uns aber als vom König geschrieben denken, so erscheinen sie als ein
Werk von unbegreiflicher Einfältigkeit. Denn die allgemeinen Betrachtungen
derselben über Politik sind durchaus banaler Natur, und man wird sie in fran¬
zösischen Schriften jener Zeit häusig wiederfinden. Eine Ausnahme machen
vielleicht nur zwei oder drei Stellen; sie finden sich in dem Abschnitte über
Justiz ganz am Schluß, wo es heißt, daß Alles daraus ankomme, bei seinen
Nachbarn die Ueberzeugung zu erwecken, daß man lieber zwei Königreiche, als
den Nachruhm verlieren wolle. Und selbst diese letzte Stelle ist wieder da¬
durch entstellt, daß sie nicht als wirkliche Meinung deS Verfassers, wie es aller¬
dings die Friedrichs war, sondern als Heuchelei erscheint.

„Politik," sagen die Natiuees, »ist fast gleichbedeutend mit Spitzbüberei,"
und führen das in das Detail hinein durch.

Uns dünkt, das sei mehr die Auffassung der Bedientenstube, als eines
Thrones.

Der König der Matinees geht von der Ansicht aus, eS komme darauf
an, in Müßiggang und Freuden zu genießen, dabei aber den Schein anzunehmen,
als ob ihm das Wohl seines Landes am Herzen liege und er nicht ohne Fähig¬
keiten sei. Er ist daher der Meinung, daß es, um glücklich im Kriege zu sein,
nicht nothwendig sei, ein waffengeübtes Heer zu besitzen, sondern nur den
Truppen einen Anstrich von Ueberlegenheit, ein ,,^ir ac suxerivi ne " zu
geben.

Er hält es daher auch nicht für nöthig, sich um das Detail des Dienstes
und namentlich um die persönlichen Fähigkeiten seiner Militärs selbst zu be¬
kümmern. Aber allerdings glaubt er, daß es sür ihn von wesentlichem Nutzen
sei, sich den Schein zu geben, als habe er Interesse sür die Armee und
als habe er ein gutes Gedächtniß. Deshalb nimmt er sich vor, folgendes
Kunststück zu machen, welches wir uns von dem Friedrich der Ng.tin6es wört¬
lich erzählen lassen müssen:

„Ehe ich ein Regiment die Revue Passiren lasse, brauche ich die Vorsorge,
die Namen aller Offiziere und aller Sergeanten zu lesen, und ich behalte dann
drei oder vier davon mit den Namen der Compagnien, wo sie sich befinden.
Ich lasse mich sehr genau von all den kleinen Mißbräuchen unterrichten, die
von meinen Hauptleuten begangen werden und erlaube jedem Soldaten sich ^
beklagen. Die Stunde der Musterung kommt. Ich breche auf und bald um¬
zingelt mich ein Volkshaufe. Ich gebe nicht zu, daß man denselben abhält;
ich spreche mit dem Nächsten und der mir am besten antwortet.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/510>, abgerufen am 22.11.2024.