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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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aus der ^lnfheiu>ng der Nebergangssteuer auf Wein, die Preußen bei erfol¬
gender Annahme des Vertrags in Aussicht gestellt hat. Die Weinberge des
Rheingaues fürchten sieh nicht vor der gesteigerten Concurrenz der Ge>s-
cvgne, der Champagne und Burgunds, init welcher die vertragsmäßige Herab--
Satzung der Weinzölle sie bedroht -- wenigstens dann nicht, wenn gleichzeitige
Erleichterungen ihres Absatzes nach dem Norden sie in den Stand sehen, ihren
Nebenbuhler auf seinen eigene" alten Gebieten aufzusuchen und aus dem Felde
zu schlagen. Nur die Nebergangssieuer, welche sie selbst noch immer zu erlegen
haben, quält sie, nicht der hohe Zoll, der dem Concurrenten theilweise ab'
genommen werden soll. Auch die Uebcrgangsstcner ist ihnen lästiger wegen der
mit der Erlegung verbundenen überflüssigen Arbeit, als des Geldes halber.
Es gibt in Nüdesheim, Geisenheim und Eltville Weinhandlungen, die blos
der Ucbergangssteuer wegen el" paar Eommis mehr zu hallen genöthigt sind.
Eine zweite Beschwerde der nassauische" Weinproducenten ist der einem Rabatt
gleichkommende Steuercredit, den die Grvßweinhandlungen des Zollvereines
genießen, wen" sie über eine bestimmte Menge fremden Weins importiren.
Aber auch diese Begünstigung des ausländischen Gewächses hoffen sie bald
loszuwerden, we"n der Zollverein in freierer und beweglicherer Form erneuert wird.
Genug, die nafsauische Weinproduction ist dringend daran betheiligt, daß der
Handelsvertrag je eher desto lieber in Kraft trete, und eine Auflösung des
Zoliverbands mit Preußen vollends, das Nassau auf zwei Seiten völlig um¬
schließt, betrachtet sie nicht mit Unrecht als ihren Ruin. Das Letztere gilt
auch von der zweiten großen Industrie des Landes, von der Eisenproduction
der Lahn und der Dill. Ihr verspricht der Handelsvertrag allerdings nicht die
goldenen Berge wie dem Weinbau; aber sie ist doch hinlänglich erstarkt und
stützt sich auf "einen hinlänglich gute" Rohstoff, um der erweiterten Concurrenz
halber den Vertrag nicht perhorresciren zu müssen. Dagegen ist das Eisen
Nassaus mindestens ebensosehr wie der Wein bei der Aufrechterhaltung des
Zollverbands mit Preußen interessirt, zu deren Bedingungen jetzt die Annahme
des Handelsvertrags gehört. Wohl neun Zehntel des geförderten Roheisens gehen
zu weiterer Verarbeitung über die nördliche und westliche Grenze; was mit
diesem anfangen, wenn wieder wie vor einem Menschenalter die schwarzweißen
Grenzpfähle den orangeblauen feindlich absperrend gegenüberstehen? Auf der
andern Seite gibt es so> gut wie gar seine Industrie im Lande, die von dem
Tarif des Handelsvertrags etwas Ernstliches zu fürchten hätte.' Man bildet es
sich zwar hier und da ein; aber dann liegt es zum Theil an den seltsamsten
Gründen. Die hvchhmncr Champagnerfabrik z. B. möchte sich nicht gern des
Bortheils beraubt sehe", unter gefälschter französischer Firma den Weltmarkt
zu beziehen -- ein Vortheil, den Würzburger und rüdesheimer Fabriken längst
ohne Schaden und Bedauern haben fahren lassen.


aus der ^lnfheiu>ng der Nebergangssteuer auf Wein, die Preußen bei erfol¬
gender Annahme des Vertrags in Aussicht gestellt hat. Die Weinberge des
Rheingaues fürchten sieh nicht vor der gesteigerten Concurrenz der Ge>s-
cvgne, der Champagne und Burgunds, init welcher die vertragsmäßige Herab--
Satzung der Weinzölle sie bedroht — wenigstens dann nicht, wenn gleichzeitige
Erleichterungen ihres Absatzes nach dem Norden sie in den Stand sehen, ihren
Nebenbuhler auf seinen eigene» alten Gebieten aufzusuchen und aus dem Felde
zu schlagen. Nur die Nebergangssieuer, welche sie selbst noch immer zu erlegen
haben, quält sie, nicht der hohe Zoll, der dem Concurrenten theilweise ab'
genommen werden soll. Auch die Uebcrgangsstcner ist ihnen lästiger wegen der
mit der Erlegung verbundenen überflüssigen Arbeit, als des Geldes halber.
Es gibt in Nüdesheim, Geisenheim und Eltville Weinhandlungen, die blos
der Ucbergangssteuer wegen el» paar Eommis mehr zu hallen genöthigt sind.
Eine zweite Beschwerde der nassauische» Weinproducenten ist der einem Rabatt
gleichkommende Steuercredit, den die Grvßweinhandlungen des Zollvereines
genießen, wen» sie über eine bestimmte Menge fremden Weins importiren.
Aber auch diese Begünstigung des ausländischen Gewächses hoffen sie bald
loszuwerden, we»n der Zollverein in freierer und beweglicherer Form erneuert wird.
Genug, die nafsauische Weinproduction ist dringend daran betheiligt, daß der
Handelsvertrag je eher desto lieber in Kraft trete, und eine Auflösung des
Zoliverbands mit Preußen vollends, das Nassau auf zwei Seiten völlig um¬
schließt, betrachtet sie nicht mit Unrecht als ihren Ruin. Das Letztere gilt
auch von der zweiten großen Industrie des Landes, von der Eisenproduction
der Lahn und der Dill. Ihr verspricht der Handelsvertrag allerdings nicht die
goldenen Berge wie dem Weinbau; aber sie ist doch hinlänglich erstarkt und
stützt sich auf "einen hinlänglich gute» Rohstoff, um der erweiterten Concurrenz
halber den Vertrag nicht perhorresciren zu müssen. Dagegen ist das Eisen
Nassaus mindestens ebensosehr wie der Wein bei der Aufrechterhaltung des
Zollverbands mit Preußen interessirt, zu deren Bedingungen jetzt die Annahme
des Handelsvertrags gehört. Wohl neun Zehntel des geförderten Roheisens gehen
zu weiterer Verarbeitung über die nördliche und westliche Grenze; was mit
diesem anfangen, wenn wieder wie vor einem Menschenalter die schwarzweißen
Grenzpfähle den orangeblauen feindlich absperrend gegenüberstehen? Auf der
andern Seite gibt es so> gut wie gar seine Industrie im Lande, die von dem
Tarif des Handelsvertrags etwas Ernstliches zu fürchten hätte.' Man bildet es
sich zwar hier und da ein; aber dann liegt es zum Theil an den seltsamsten
Gründen. Die hvchhmncr Champagnerfabrik z. B. möchte sich nicht gern des
Bortheils beraubt sehe», unter gefälschter französischer Firma den Weltmarkt
zu beziehen — ein Vortheil, den Würzburger und rüdesheimer Fabriken längst
ohne Schaden und Bedauern haben fahren lassen.


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[0452] aus der ^lnfheiu>ng der Nebergangssteuer auf Wein, die Preußen bei erfol¬ gender Annahme des Vertrags in Aussicht gestellt hat. Die Weinberge des Rheingaues fürchten sieh nicht vor der gesteigerten Concurrenz der Ge>s- cvgne, der Champagne und Burgunds, init welcher die vertragsmäßige Herab-- Satzung der Weinzölle sie bedroht — wenigstens dann nicht, wenn gleichzeitige Erleichterungen ihres Absatzes nach dem Norden sie in den Stand sehen, ihren Nebenbuhler auf seinen eigene» alten Gebieten aufzusuchen und aus dem Felde zu schlagen. Nur die Nebergangssieuer, welche sie selbst noch immer zu erlegen haben, quält sie, nicht der hohe Zoll, der dem Concurrenten theilweise ab' genommen werden soll. Auch die Uebcrgangsstcner ist ihnen lästiger wegen der mit der Erlegung verbundenen überflüssigen Arbeit, als des Geldes halber. Es gibt in Nüdesheim, Geisenheim und Eltville Weinhandlungen, die blos der Ucbergangssteuer wegen el» paar Eommis mehr zu hallen genöthigt sind. Eine zweite Beschwerde der nassauische» Weinproducenten ist der einem Rabatt gleichkommende Steuercredit, den die Grvßweinhandlungen des Zollvereines genießen, wen» sie über eine bestimmte Menge fremden Weins importiren. Aber auch diese Begünstigung des ausländischen Gewächses hoffen sie bald loszuwerden, we»n der Zollverein in freierer und beweglicherer Form erneuert wird. Genug, die nafsauische Weinproduction ist dringend daran betheiligt, daß der Handelsvertrag je eher desto lieber in Kraft trete, und eine Auflösung des Zoliverbands mit Preußen vollends, das Nassau auf zwei Seiten völlig um¬ schließt, betrachtet sie nicht mit Unrecht als ihren Ruin. Das Letztere gilt auch von der zweiten großen Industrie des Landes, von der Eisenproduction der Lahn und der Dill. Ihr verspricht der Handelsvertrag allerdings nicht die goldenen Berge wie dem Weinbau; aber sie ist doch hinlänglich erstarkt und stützt sich auf "einen hinlänglich gute» Rohstoff, um der erweiterten Concurrenz halber den Vertrag nicht perhorresciren zu müssen. Dagegen ist das Eisen Nassaus mindestens ebensosehr wie der Wein bei der Aufrechterhaltung des Zollverbands mit Preußen interessirt, zu deren Bedingungen jetzt die Annahme des Handelsvertrags gehört. Wohl neun Zehntel des geförderten Roheisens gehen zu weiterer Verarbeitung über die nördliche und westliche Grenze; was mit diesem anfangen, wenn wieder wie vor einem Menschenalter die schwarzweißen Grenzpfähle den orangeblauen feindlich absperrend gegenüberstehen? Auf der andern Seite gibt es so> gut wie gar seine Industrie im Lande, die von dem Tarif des Handelsvertrags etwas Ernstliches zu fürchten hätte.' Man bildet es sich zwar hier und da ein; aber dann liegt es zum Theil an den seltsamsten Gründen. Die hvchhmncr Champagnerfabrik z. B. möchte sich nicht gern des Bortheils beraubt sehe», unter gefälschter französischer Firma den Weltmarkt zu beziehen — ein Vortheil, den Würzburger und rüdesheimer Fabriken längst ohne Schaden und Bedauern haben fahren lassen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/452>, abgerufen am 27.07.2024.