Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.Politik erlaubt ist. hält das Haus zweierlei für seine Aufgabe. Erstens durch Es war gewiß eine richtige Maßnahme des Hauses, sich nicht auf eine Indem dies geschrieben wird, erheben sich Vor dem königlichen Schlosse Politik erlaubt ist. hält das Haus zweierlei für seine Aufgabe. Erstens durch Es war gewiß eine richtige Maßnahme des Hauses, sich nicht auf eine Indem dies geschrieben wird, erheben sich Vor dem königlichen Schlosse <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0438" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187932"/> <p xml:id="ID_1608" prev="#ID_1607"> Politik erlaubt ist. hält das Haus zweierlei für seine Aufgabe. Erstens durch<lb/> gesetzliche Mittel die Kampfstimmung zu steigern, bis das gegenwärtige System<lb/> zusammenbricht. Zu diesem Zweck ist das Ministerverantwortlichteitsgesetz ein¬<lb/> gebracht. Und es läßt sich schon jetzt voraussagen, daß dieser Gesetzentwurf<lb/> der nächste Mittelpunkt werden wird, um welchen sich der Verfassungskampf<lb/> bewegt, und daß die Absicht ist. diesen Entwurf, sobald er Gesetz ge¬<lb/> worden, zu einer Anklage gegen die jetzt im Amt befindlichen Minister zu be¬<lb/> nutzen. Die zweite Aufgabe ist, ohne Rücksicht auf das gegenwärtige Ministe¬<lb/> rium die wichtigen organischen Gesetze, auf denen ein Neubau des preußischen<lb/> Staates beruhen muß, durchzuarbeiten, damit eine neue Negierung die nöthigen<lb/> Gesetzvorlagen geprüft und fertig vorfindet. Dies Verfahren, welches bei einer<lb/> Organisation der Kreise und Gemeinden dem Abgeordnetenhaus vortrefflich ge¬<lb/> deih« mag, hat bei der Berathung über die wünschenswerthe Militärorgani-<lb/> sation größere Schwierigkeiten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1609"> Es war gewiß eine richtige Maßnahme des Hauses, sich nicht auf eine<lb/> Verwerfung der Militärnovelle zu beschränken, sondern zugleich die Gesichts¬<lb/> punkte festzustellen, nach denen die Nation das Heer eingerichtet zu sehn wünscht.<lb/> Aber die Abgeordneten werden nach den Erfahrungen der letzten Jahre nicht<lb/> verkennen, daß eine solche Neubildung in ihrem Detail durchaus nicht von<lb/> einer so zahlreichen Versammlung berathen werden kann, und daß ein Haus<lb/> der Abgeordneten, auch wenn es sich beschränkt, wenige Grundzüge festzu¬<lb/> setzen, sehr vorsichtig verfahren muß. Noch ist, so scheint uns, das organisa¬<lb/> torische Talent nicht gefunden, welches die große Frage endgiltig zu lösen im<lb/> Stande ist. und das Haus wird vermeiden, durch seine Beschlüsse sich selbst zu<lb/> binden und den Parteigenossen die unbefangene Würdigung eines einheitlichen<lb/> Planes zu erschweren, welchen doch ur> geeigneten Augenblick die Organisations¬<lb/> kraft eines Einzelnen auszuführen hat. Es wäre schädlich, wenn wieder<lb/> den Commissionen und im Hause Debatten über militärisches Detail sich<lb/> breiten sollten, man konnte in den letzten Jahren die Beobachtung machen<lb/> daß sie ihrer Natur nach nicht die Stärke der Kammer waren. Denn obgleich<lb/> die Schwäche des gegenwärtigen interimistischen Systems auch von Laien richtig<lb/> empfunden wird, folgt noch nicht, daß Laien oder Einzelne, welche zufällig<lb/> militärische Kenntniß erworben haben, im Stande sind, den Neubau zu leiten-<lb/> Es ist z. B. mißlich, die Zahl der Auszuhebenden auf irgend einen Bruchtheil<lb/> zu beschränken, so lange die Unmöglichkeit nicht erwiesen ist, die gesammte<lb/> waffenfähige Jugend eines Jahrganges auszuexerciren, es ist z. B. bedenklich, die<lb/> Dienstzeit der Infanterie auf zwei Jahre zu fixiren, während man schon jetzt<lb/> in einem andern deutschen Staate damit umgeht, alle junge Männer von<lb/> bestimmter turnerischer Ausbildung zu einjährigen Dienst einzustellen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1610" next="#ID_1611"> Indem dies geschrieben wird, erheben sich Vor dem königlichen Schlosse</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0438]
Politik erlaubt ist. hält das Haus zweierlei für seine Aufgabe. Erstens durch
gesetzliche Mittel die Kampfstimmung zu steigern, bis das gegenwärtige System
zusammenbricht. Zu diesem Zweck ist das Ministerverantwortlichteitsgesetz ein¬
gebracht. Und es läßt sich schon jetzt voraussagen, daß dieser Gesetzentwurf
der nächste Mittelpunkt werden wird, um welchen sich der Verfassungskampf
bewegt, und daß die Absicht ist. diesen Entwurf, sobald er Gesetz ge¬
worden, zu einer Anklage gegen die jetzt im Amt befindlichen Minister zu be¬
nutzen. Die zweite Aufgabe ist, ohne Rücksicht auf das gegenwärtige Ministe¬
rium die wichtigen organischen Gesetze, auf denen ein Neubau des preußischen
Staates beruhen muß, durchzuarbeiten, damit eine neue Negierung die nöthigen
Gesetzvorlagen geprüft und fertig vorfindet. Dies Verfahren, welches bei einer
Organisation der Kreise und Gemeinden dem Abgeordnetenhaus vortrefflich ge¬
deih« mag, hat bei der Berathung über die wünschenswerthe Militärorgani-
sation größere Schwierigkeiten.
Es war gewiß eine richtige Maßnahme des Hauses, sich nicht auf eine
Verwerfung der Militärnovelle zu beschränken, sondern zugleich die Gesichts¬
punkte festzustellen, nach denen die Nation das Heer eingerichtet zu sehn wünscht.
Aber die Abgeordneten werden nach den Erfahrungen der letzten Jahre nicht
verkennen, daß eine solche Neubildung in ihrem Detail durchaus nicht von
einer so zahlreichen Versammlung berathen werden kann, und daß ein Haus
der Abgeordneten, auch wenn es sich beschränkt, wenige Grundzüge festzu¬
setzen, sehr vorsichtig verfahren muß. Noch ist, so scheint uns, das organisa¬
torische Talent nicht gefunden, welches die große Frage endgiltig zu lösen im
Stande ist. und das Haus wird vermeiden, durch seine Beschlüsse sich selbst zu
binden und den Parteigenossen die unbefangene Würdigung eines einheitlichen
Planes zu erschweren, welchen doch ur> geeigneten Augenblick die Organisations¬
kraft eines Einzelnen auszuführen hat. Es wäre schädlich, wenn wieder
den Commissionen und im Hause Debatten über militärisches Detail sich
breiten sollten, man konnte in den letzten Jahren die Beobachtung machen
daß sie ihrer Natur nach nicht die Stärke der Kammer waren. Denn obgleich
die Schwäche des gegenwärtigen interimistischen Systems auch von Laien richtig
empfunden wird, folgt noch nicht, daß Laien oder Einzelne, welche zufällig
militärische Kenntniß erworben haben, im Stande sind, den Neubau zu leiten-
Es ist z. B. mißlich, die Zahl der Auszuhebenden auf irgend einen Bruchtheil
zu beschränken, so lange die Unmöglichkeit nicht erwiesen ist, die gesammte
waffenfähige Jugend eines Jahrganges auszuexerciren, es ist z. B. bedenklich, die
Dienstzeit der Infanterie auf zwei Jahre zu fixiren, während man schon jetzt
in einem andern deutschen Staate damit umgeht, alle junge Männer von
bestimmter turnerischer Ausbildung zu einjährigen Dienst einzustellen.
Indem dies geschrieben wird, erheben sich Vor dem königlichen Schlosse
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