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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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vollste ihrer Schüler gegönnt hat. Der Meister der vaterländischen Harfe, der
Sänger des Messias -- hat ihr folgendes Andenken seiner Liebe, ein ewiges
Monument ihres Ruhmes gegeben, uns, rührend genug in eben den Tagen
gegeben, in weiche die Feier der großen Handlung fällt, die sein Lied aus-
spricht, <Der Brief Klopstocks wird vorgelesen.)

Ich füge diesem Brief keinen Commentar bei. Wer seiner noch bedarf, für
den war er nicht geschrieben. Aber wehe dem, dem nun das Herz nicht höher
schlägt bei dem Gedanken, in der Schule zu leben, die einen Klopstock bildete,
und die ersten Töne der himmlischen Harfe in ihren stillen Gängen vernahm;
auf eben der Erde zu wallen, welche des großen Jünglings Fuß betrat, und
auf welcher er in stiller Entzückung durch die Lichtmeere des Himmels, wie durch
die Tiefen des Hades schaute! Wehe, wehe ihm, wenn er nicht Muth hat,
Klopstock nachzueifern -- nicht an Geisteskraft -- die deutsche Nation hat nur
Einen -- nicht an hellstrahlenden Ruhme -- er ist das Erbtheil weniger --
aber wie Er's selbst meint, in dem reinen, hohen, lebendigen Sinne für alles
Große, Wahre und Edle, welchen Er in dem Dankhymnus an den Erlöser
am Schlüsse der Messiade so wahr und einfach von sich bekennt:


Umsonst verbürg ich vor Dir -- Erlöser --
mein Herz der Ehrbegierde voll.
Dem Jünglinge schlug es laut empor: dem Manne
Hat es stets gehalten nur geschlagen.
Ist etwa ein Lob, eine Tugend
Dem trachtet nach! -- Die Flaum' crkohr
ich zur Leiterin mir,
Hoch weht die heilige Flamme voran, und weiset
Dem Ehrbcgierigen bessern Pfad."

,
Das war die Vorbereitung. Am Ostermorgen aber wurde die große Fest-
feier veranstaltet, ganz im Stil der Wertherperiode, der dadurch nicht besser
ward, daß die Feierlichkeit einen religiösen Anstrich erhielt. Die Alumnen
hatten aus ihrer Mitte zwei der würdigsten erwählt, von denen einer die Auf¬
gabe erhielt über die Grabstätte des seligen Conrcctors -- in der Kirche --
Blumen zu streuen und dabei Klopstocks Namen zu murmeln, worauf der Chor
"Auferstchn, ja Aufersteh"" sang und der Rector in der Kirche eine Ode von
Klopstock declamirte. Bon der Kirche bewegte sich der Zug in die Schulbibliothek
hinter dem Exemplar des Messias, welches mit einem Lorbeerzweige überdeckt von
einem Alumnus getragen wurde. Unter den Klängen einer sanften Musik
wurde das Werk von den beiden erwähnten Schülern ehrfurchtsvoll aufgestellt,
und der Rector benutzte diese neue Gelegenheit zur Erhebung, um eine zweite
warme Rede zu halten, welche folgendermaßen lautete:

"Mit dem tiefgefühlten Entzücken einer glücklichen Mutter empfängt die
Pforte dieses heilige Geschenk des Ersten ihrer Söhne, der längst ihr geheimer


vollste ihrer Schüler gegönnt hat. Der Meister der vaterländischen Harfe, der
Sänger des Messias — hat ihr folgendes Andenken seiner Liebe, ein ewiges
Monument ihres Ruhmes gegeben, uns, rührend genug in eben den Tagen
gegeben, in weiche die Feier der großen Handlung fällt, die sein Lied aus-
spricht, <Der Brief Klopstocks wird vorgelesen.)

Ich füge diesem Brief keinen Commentar bei. Wer seiner noch bedarf, für
den war er nicht geschrieben. Aber wehe dem, dem nun das Herz nicht höher
schlägt bei dem Gedanken, in der Schule zu leben, die einen Klopstock bildete,
und die ersten Töne der himmlischen Harfe in ihren stillen Gängen vernahm;
auf eben der Erde zu wallen, welche des großen Jünglings Fuß betrat, und
auf welcher er in stiller Entzückung durch die Lichtmeere des Himmels, wie durch
die Tiefen des Hades schaute! Wehe, wehe ihm, wenn er nicht Muth hat,
Klopstock nachzueifern — nicht an Geisteskraft — die deutsche Nation hat nur
Einen — nicht an hellstrahlenden Ruhme — er ist das Erbtheil weniger —
aber wie Er's selbst meint, in dem reinen, hohen, lebendigen Sinne für alles
Große, Wahre und Edle, welchen Er in dem Dankhymnus an den Erlöser
am Schlüsse der Messiade so wahr und einfach von sich bekennt:


Umsonst verbürg ich vor Dir — Erlöser —
mein Herz der Ehrbegierde voll.
Dem Jünglinge schlug es laut empor: dem Manne
Hat es stets gehalten nur geschlagen.
Ist etwa ein Lob, eine Tugend
Dem trachtet nach! — Die Flaum' crkohr
ich zur Leiterin mir,
Hoch weht die heilige Flamme voran, und weiset
Dem Ehrbcgierigen bessern Pfad."

,
Das war die Vorbereitung. Am Ostermorgen aber wurde die große Fest-
feier veranstaltet, ganz im Stil der Wertherperiode, der dadurch nicht besser
ward, daß die Feierlichkeit einen religiösen Anstrich erhielt. Die Alumnen
hatten aus ihrer Mitte zwei der würdigsten erwählt, von denen einer die Auf¬
gabe erhielt über die Grabstätte des seligen Conrcctors — in der Kirche —
Blumen zu streuen und dabei Klopstocks Namen zu murmeln, worauf der Chor
„Auferstchn, ja Aufersteh»" sang und der Rector in der Kirche eine Ode von
Klopstock declamirte. Bon der Kirche bewegte sich der Zug in die Schulbibliothek
hinter dem Exemplar des Messias, welches mit einem Lorbeerzweige überdeckt von
einem Alumnus getragen wurde. Unter den Klängen einer sanften Musik
wurde das Werk von den beiden erwähnten Schülern ehrfurchtsvoll aufgestellt,
und der Rector benutzte diese neue Gelegenheit zur Erhebung, um eine zweite
warme Rede zu halten, welche folgendermaßen lautete:

„Mit dem tiefgefühlten Entzücken einer glücklichen Mutter empfängt die
Pforte dieses heilige Geschenk des Ersten ihrer Söhne, der längst ihr geheimer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/434>, abgerufen am 28.07.2024.