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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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nach vieler Beziehung lehrreich zu beobachten, wie die Männer unserer Nation
allmälig mannhafter, besser, edler wurden, weil sie durch mehr als eine Gene¬
ration bald kindisch, bald pedantisch bemüht waren so zu erscheinen. Niemand
bat diesen Erhebungsproceß aus dem Schein in das Sein in seinem Leben
großartiger dargestellt, als Friedrich der Große.

Es ist wahr, Klopstock war nickt ganz so glücklich. In seinen Werken,
wie in seinem Leben fällt uns nicht selten peinlich auf, wie anspruchsvoll er
nach Schönheit und Seelenadel suchte.

Die Schwäche in den Charakteren des Messias, die unwahre, zuweilen
abgeschmackte Künstlichkeit in den Motiven, macht dies Hauptwerk Klopstocks
schon jetzt fast ungenießbar. Aber unvergessen wird ihm bleiben, daß der
Stolz und hohe Sinn, mit dem er sein poetisches Schaffen den Zeitgenossen
gegenüber vertrat, die Poesie überhaupt den Deutschen zu einer großen und
würdigen Sache machte und den Dichtern in der Meinung der Menschen eine
hervorragende Stellung gab. Er hatte wesentlichen Antheil daran, daß Goethe
und Schiller der Mittelpunkt ihrer Zeübildung werden konnten.

Der Leser wird deshalb mit wohlwollendem Lächeln auf den folgenden Brief °
Klopstocks und seine Beilagen herabsehen. Dies Blatt verdankt die Mittheilung
einem Freunde, der die Veröffentlichung anheimstellte, falls die Stücke nicht bereits
irgendwo gedruckt zu finden sein sollten. Nun sind dieselben allerdings nicht
unbekanntder Brief Klopstocks ist im Anfange dieses Jahrhunderts öfter ge¬
druckt, z. B. mit den Beilagen im Leipziger Allg. Lid. Anzeiger 1800, S. 969!
die betreffenden Nachrichten aus Schulpforta sind ferner, in Schlichtegroll,
Nekrolog der Teutschen 1802, Band I. S. 44 zu finden. Aber trotzdem verdienen
die Schriftstücke als ein auffallendes Lebenszeichen aus der Jugendzeit unserer
Bäter die kurze Beachtung, welche sie b/er in Anspruch nehmen.

Zunächst folgt der Brief Klopstocks an den Rector Karl Wilhelm Ernst
Heimbach in Schulpforta:

"Die Erinnerung in der Pforta gewesen zu sein, macht mir auch deswegen
nicht selten Vergnügen, weil ich dort den Plan zu dem Messias beinahe ganz
vollendet habe. Wie sehr ich mich in diesen Plan vertiefte, können Sie daraus
sehen, daß die Stelle, welche Sie im Anfange des neunzehnten Gesanges bis
zu dem Verse, der mit "um Gnade" endigt, finden, ein Traum war, der
wahrscheinlich durch mein anhaltendes Nachdenken entstand. Wäre ich Maler
gewesen, so hätte ich mein halbes Leben damit zugebracht, Eva, die äußerst
schön und erhaben war, so zu bilden, wie ich sie sah.

Das Ende des Traums fehlt indeß in der angeführten Stelle. Es ist-
Ich sah zuletzt mit Eva nach dem Richter in die Höhe mit Ehrfurcht und
langsam erhobenem Gesicht, erblickte sehr glänzende Füße, und erwachte schnell.

Sie empfangen hierbei die große Ausgabe des Messias, die Herrn Gösche"


nach vieler Beziehung lehrreich zu beobachten, wie die Männer unserer Nation
allmälig mannhafter, besser, edler wurden, weil sie durch mehr als eine Gene¬
ration bald kindisch, bald pedantisch bemüht waren so zu erscheinen. Niemand
bat diesen Erhebungsproceß aus dem Schein in das Sein in seinem Leben
großartiger dargestellt, als Friedrich der Große.

Es ist wahr, Klopstock war nickt ganz so glücklich. In seinen Werken,
wie in seinem Leben fällt uns nicht selten peinlich auf, wie anspruchsvoll er
nach Schönheit und Seelenadel suchte.

Die Schwäche in den Charakteren des Messias, die unwahre, zuweilen
abgeschmackte Künstlichkeit in den Motiven, macht dies Hauptwerk Klopstocks
schon jetzt fast ungenießbar. Aber unvergessen wird ihm bleiben, daß der
Stolz und hohe Sinn, mit dem er sein poetisches Schaffen den Zeitgenossen
gegenüber vertrat, die Poesie überhaupt den Deutschen zu einer großen und
würdigen Sache machte und den Dichtern in der Meinung der Menschen eine
hervorragende Stellung gab. Er hatte wesentlichen Antheil daran, daß Goethe
und Schiller der Mittelpunkt ihrer Zeübildung werden konnten.

Der Leser wird deshalb mit wohlwollendem Lächeln auf den folgenden Brief °
Klopstocks und seine Beilagen herabsehen. Dies Blatt verdankt die Mittheilung
einem Freunde, der die Veröffentlichung anheimstellte, falls die Stücke nicht bereits
irgendwo gedruckt zu finden sein sollten. Nun sind dieselben allerdings nicht
unbekanntder Brief Klopstocks ist im Anfange dieses Jahrhunderts öfter ge¬
druckt, z. B. mit den Beilagen im Leipziger Allg. Lid. Anzeiger 1800, S. 969!
die betreffenden Nachrichten aus Schulpforta sind ferner, in Schlichtegroll,
Nekrolog der Teutschen 1802, Band I. S. 44 zu finden. Aber trotzdem verdienen
die Schriftstücke als ein auffallendes Lebenszeichen aus der Jugendzeit unserer
Bäter die kurze Beachtung, welche sie b/er in Anspruch nehmen.

Zunächst folgt der Brief Klopstocks an den Rector Karl Wilhelm Ernst
Heimbach in Schulpforta:

„Die Erinnerung in der Pforta gewesen zu sein, macht mir auch deswegen
nicht selten Vergnügen, weil ich dort den Plan zu dem Messias beinahe ganz
vollendet habe. Wie sehr ich mich in diesen Plan vertiefte, können Sie daraus
sehen, daß die Stelle, welche Sie im Anfange des neunzehnten Gesanges bis
zu dem Verse, der mit „um Gnade" endigt, finden, ein Traum war, der
wahrscheinlich durch mein anhaltendes Nachdenken entstand. Wäre ich Maler
gewesen, so hätte ich mein halbes Leben damit zugebracht, Eva, die äußerst
schön und erhaben war, so zu bilden, wie ich sie sah.

Das Ende des Traums fehlt indeß in der angeführten Stelle. Es ist-
Ich sah zuletzt mit Eva nach dem Richter in die Höhe mit Ehrfurcht und
langsam erhobenem Gesicht, erblickte sehr glänzende Füße, und erwachte schnell.

Sie empfangen hierbei die große Ausgabe des Messias, die Herrn Gösche»


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[0432] nach vieler Beziehung lehrreich zu beobachten, wie die Männer unserer Nation allmälig mannhafter, besser, edler wurden, weil sie durch mehr als eine Gene¬ ration bald kindisch, bald pedantisch bemüht waren so zu erscheinen. Niemand bat diesen Erhebungsproceß aus dem Schein in das Sein in seinem Leben großartiger dargestellt, als Friedrich der Große. Es ist wahr, Klopstock war nickt ganz so glücklich. In seinen Werken, wie in seinem Leben fällt uns nicht selten peinlich auf, wie anspruchsvoll er nach Schönheit und Seelenadel suchte. Die Schwäche in den Charakteren des Messias, die unwahre, zuweilen abgeschmackte Künstlichkeit in den Motiven, macht dies Hauptwerk Klopstocks schon jetzt fast ungenießbar. Aber unvergessen wird ihm bleiben, daß der Stolz und hohe Sinn, mit dem er sein poetisches Schaffen den Zeitgenossen gegenüber vertrat, die Poesie überhaupt den Deutschen zu einer großen und würdigen Sache machte und den Dichtern in der Meinung der Menschen eine hervorragende Stellung gab. Er hatte wesentlichen Antheil daran, daß Goethe und Schiller der Mittelpunkt ihrer Zeübildung werden konnten. Der Leser wird deshalb mit wohlwollendem Lächeln auf den folgenden Brief ° Klopstocks und seine Beilagen herabsehen. Dies Blatt verdankt die Mittheilung einem Freunde, der die Veröffentlichung anheimstellte, falls die Stücke nicht bereits irgendwo gedruckt zu finden sein sollten. Nun sind dieselben allerdings nicht unbekanntder Brief Klopstocks ist im Anfange dieses Jahrhunderts öfter ge¬ druckt, z. B. mit den Beilagen im Leipziger Allg. Lid. Anzeiger 1800, S. 969! die betreffenden Nachrichten aus Schulpforta sind ferner, in Schlichtegroll, Nekrolog der Teutschen 1802, Band I. S. 44 zu finden. Aber trotzdem verdienen die Schriftstücke als ein auffallendes Lebenszeichen aus der Jugendzeit unserer Bäter die kurze Beachtung, welche sie b/er in Anspruch nehmen. Zunächst folgt der Brief Klopstocks an den Rector Karl Wilhelm Ernst Heimbach in Schulpforta: „Die Erinnerung in der Pforta gewesen zu sein, macht mir auch deswegen nicht selten Vergnügen, weil ich dort den Plan zu dem Messias beinahe ganz vollendet habe. Wie sehr ich mich in diesen Plan vertiefte, können Sie daraus sehen, daß die Stelle, welche Sie im Anfange des neunzehnten Gesanges bis zu dem Verse, der mit „um Gnade" endigt, finden, ein Traum war, der wahrscheinlich durch mein anhaltendes Nachdenken entstand. Wäre ich Maler gewesen, so hätte ich mein halbes Leben damit zugebracht, Eva, die äußerst schön und erhaben war, so zu bilden, wie ich sie sah. Das Ende des Traums fehlt indeß in der angeführten Stelle. Es ist- Ich sah zuletzt mit Eva nach dem Richter in die Höhe mit Ehrfurcht und langsam erhobenem Gesicht, erblickte sehr glänzende Füße, und erwachte schnell. Sie empfangen hierbei die große Ausgabe des Messias, die Herrn Gösche»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/432>, abgerufen am 29.06.2024.