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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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mäßige Handhabung der neuen Institution bringt den Mitgliedern des Gemein¬
wesens ebenso unermeßlichen Vortheil als die willkürliche und gewissenlose
ungeheuren Schaden, wie denn das Emporkommen besonders der großen
griechischen Handelsstädte, vor Allem Athens, in erster Reihe auf ihren Münz-
vrdnungen ruht. So zieht die Landesmünze die Bande des Gemeinwesens
fester zusammen; sie steigert, wenn der Ausdruck erlaubt ist, das ccntnve-
tale, das communistische Element, das jedem Staatswesen ebenso nothwendig
ist, wie sein Gegensatz. Von Haus aus ist mit der Münze der Begriff der
Staatshoheit verknüpft und findet in ihr seinen sinnlichen Ausdruck; nur de>
Staat ist ein vollfrcier, der Münzen jeden Werthes mit eigenem Bild und
eigener Schrift zu schlagen befugt ist; von Haus aus bezeichnet das Wappen
den Freistaat, das Bild des Herrschers das monarchisch regierte Reich. So ist
die Münze, indem sie den ganzen menschlichen Verkehr durchdringt, das leben¬
dige Abbild der Allgegenwart des Staates und jedes einzelne Geldstück ein
Verkündiger, ein wandelnder Zeuge von den politischen Institutionen seiner
Heimath.

Aus eben diesem Grunde ist es von vornherein gewiß, daß die Münze
nur entstanden sein kann im Occident; denn im Orient gibt es nicht Politie,
sondern nur Despotie, wohl Reiche, aber kein Gemeinwesen. Und so zeigt es
uns auch die Geschichte. Die Gold- und Silberwährung ist im Orient zu
Hause, die Münze in Griechenland. In der Metallwährung sind die Griechen
nicht selbständig wie die Orientalen und die Jtaliker. Wohl w ird in den ho
menschen Liedern zur Bestimmung der Werthe neben dem Vieh auch in mannich-
facher Art das Metall, besonders Gold und Eisen verwendet; aber zu einer
allgemein giltigen und selbständigen Metallwährung in der Epoche vor dem Aus-
ommen der Münze sind die Griechen nicht gelangt; vielmehr stehen sie im
Westen, besonders in Sicilien dafür unter dem Einfluß der italischen Kupfer-,
im Osten unter dem der asiatischen Gold- und Silberwährung, nur daß bei-
diesen, besonders bei den europäischen Griechen, die ihren beschränkteren öko¬
nomischen Verhältnissen angemessenere Silberwährung von Haus aus überwogen
hat und die Goldwährung zurücktritt. Indeß ganz wie das Alphabet der
Consonantcnreihe nach in Asien entstanden, in Griechenland aber die Vocale
demselben eingefügt worden find, so haben Asien und Griechenland die Mctall-
münzc in Gemeinschaft erfunden, indem sich in Asien die Gold- und Silber¬
währung, aus dieser sodann auf griechischem Boden die Münze entwickelt
hat. Es gibt ein großes Goldstück, dem Gewicht nach beinahe dreimal so
schwer wie unser Friedrichsdor und also nach dem heutigen Verhältniß der Me¬
talle ungefähr sechzehn Thaler werth', ohne Aufschrift,, auf der einen Seite
mit einem Löwenkopf mit aufgesperrtem Nachen und ausgestreckter Zunge be¬
zeichnet, während auf der anderen sich nur die Löcher des Eisenbvlzens zeigen,


mäßige Handhabung der neuen Institution bringt den Mitgliedern des Gemein¬
wesens ebenso unermeßlichen Vortheil als die willkürliche und gewissenlose
ungeheuren Schaden, wie denn das Emporkommen besonders der großen
griechischen Handelsstädte, vor Allem Athens, in erster Reihe auf ihren Münz-
vrdnungen ruht. So zieht die Landesmünze die Bande des Gemeinwesens
fester zusammen; sie steigert, wenn der Ausdruck erlaubt ist, das ccntnve-
tale, das communistische Element, das jedem Staatswesen ebenso nothwendig
ist, wie sein Gegensatz. Von Haus aus ist mit der Münze der Begriff der
Staatshoheit verknüpft und findet in ihr seinen sinnlichen Ausdruck; nur de>
Staat ist ein vollfrcier, der Münzen jeden Werthes mit eigenem Bild und
eigener Schrift zu schlagen befugt ist; von Haus aus bezeichnet das Wappen
den Freistaat, das Bild des Herrschers das monarchisch regierte Reich. So ist
die Münze, indem sie den ganzen menschlichen Verkehr durchdringt, das leben¬
dige Abbild der Allgegenwart des Staates und jedes einzelne Geldstück ein
Verkündiger, ein wandelnder Zeuge von den politischen Institutionen seiner
Heimath.

Aus eben diesem Grunde ist es von vornherein gewiß, daß die Münze
nur entstanden sein kann im Occident; denn im Orient gibt es nicht Politie,
sondern nur Despotie, wohl Reiche, aber kein Gemeinwesen. Und so zeigt es
uns auch die Geschichte. Die Gold- und Silberwährung ist im Orient zu
Hause, die Münze in Griechenland. In der Metallwährung sind die Griechen
nicht selbständig wie die Orientalen und die Jtaliker. Wohl w ird in den ho
menschen Liedern zur Bestimmung der Werthe neben dem Vieh auch in mannich-
facher Art das Metall, besonders Gold und Eisen verwendet; aber zu einer
allgemein giltigen und selbständigen Metallwährung in der Epoche vor dem Aus-
ommen der Münze sind die Griechen nicht gelangt; vielmehr stehen sie im
Westen, besonders in Sicilien dafür unter dem Einfluß der italischen Kupfer-,
im Osten unter dem der asiatischen Gold- und Silberwährung, nur daß bei-
diesen, besonders bei den europäischen Griechen, die ihren beschränkteren öko¬
nomischen Verhältnissen angemessenere Silberwährung von Haus aus überwogen
hat und die Goldwährung zurücktritt. Indeß ganz wie das Alphabet der
Consonantcnreihe nach in Asien entstanden, in Griechenland aber die Vocale
demselben eingefügt worden find, so haben Asien und Griechenland die Mctall-
münzc in Gemeinschaft erfunden, indem sich in Asien die Gold- und Silber¬
währung, aus dieser sodann auf griechischem Boden die Münze entwickelt
hat. Es gibt ein großes Goldstück, dem Gewicht nach beinahe dreimal so
schwer wie unser Friedrichsdor und also nach dem heutigen Verhältniß der Me¬
talle ungefähr sechzehn Thaler werth', ohne Aufschrift,, auf der einen Seite
mit einem Löwenkopf mit aufgesperrtem Nachen und ausgestreckter Zunge be¬
zeichnet, während auf der anderen sich nur die Löcher des Eisenbvlzens zeigen,


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[0396] mäßige Handhabung der neuen Institution bringt den Mitgliedern des Gemein¬ wesens ebenso unermeßlichen Vortheil als die willkürliche und gewissenlose ungeheuren Schaden, wie denn das Emporkommen besonders der großen griechischen Handelsstädte, vor Allem Athens, in erster Reihe auf ihren Münz- vrdnungen ruht. So zieht die Landesmünze die Bande des Gemeinwesens fester zusammen; sie steigert, wenn der Ausdruck erlaubt ist, das ccntnve- tale, das communistische Element, das jedem Staatswesen ebenso nothwendig ist, wie sein Gegensatz. Von Haus aus ist mit der Münze der Begriff der Staatshoheit verknüpft und findet in ihr seinen sinnlichen Ausdruck; nur de> Staat ist ein vollfrcier, der Münzen jeden Werthes mit eigenem Bild und eigener Schrift zu schlagen befugt ist; von Haus aus bezeichnet das Wappen den Freistaat, das Bild des Herrschers das monarchisch regierte Reich. So ist die Münze, indem sie den ganzen menschlichen Verkehr durchdringt, das leben¬ dige Abbild der Allgegenwart des Staates und jedes einzelne Geldstück ein Verkündiger, ein wandelnder Zeuge von den politischen Institutionen seiner Heimath. Aus eben diesem Grunde ist es von vornherein gewiß, daß die Münze nur entstanden sein kann im Occident; denn im Orient gibt es nicht Politie, sondern nur Despotie, wohl Reiche, aber kein Gemeinwesen. Und so zeigt es uns auch die Geschichte. Die Gold- und Silberwährung ist im Orient zu Hause, die Münze in Griechenland. In der Metallwährung sind die Griechen nicht selbständig wie die Orientalen und die Jtaliker. Wohl w ird in den ho menschen Liedern zur Bestimmung der Werthe neben dem Vieh auch in mannich- facher Art das Metall, besonders Gold und Eisen verwendet; aber zu einer allgemein giltigen und selbständigen Metallwährung in der Epoche vor dem Aus- ommen der Münze sind die Griechen nicht gelangt; vielmehr stehen sie im Westen, besonders in Sicilien dafür unter dem Einfluß der italischen Kupfer-, im Osten unter dem der asiatischen Gold- und Silberwährung, nur daß bei- diesen, besonders bei den europäischen Griechen, die ihren beschränkteren öko¬ nomischen Verhältnissen angemessenere Silberwährung von Haus aus überwogen hat und die Goldwährung zurücktritt. Indeß ganz wie das Alphabet der Consonantcnreihe nach in Asien entstanden, in Griechenland aber die Vocale demselben eingefügt worden find, so haben Asien und Griechenland die Mctall- münzc in Gemeinschaft erfunden, indem sich in Asien die Gold- und Silber¬ währung, aus dieser sodann auf griechischem Boden die Münze entwickelt hat. Es gibt ein großes Goldstück, dem Gewicht nach beinahe dreimal so schwer wie unser Friedrichsdor und also nach dem heutigen Verhältniß der Me¬ talle ungefähr sechzehn Thaler werth', ohne Aufschrift,, auf der einen Seite mit einem Löwenkopf mit aufgesperrtem Nachen und ausgestreckter Zunge be¬ zeichnet, während auf der anderen sich nur die Löcher des Eisenbvlzens zeigen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/396>, abgerufen am 23.11.2024.