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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Alle Landestheile der Monarchie in ihrem gegenwärtigen
Umfange bilden das pr cußis es e Sta als geb ick. Das ist so kW, daß
die polnischen Abgeordneten sich seinen andren Rath wußten, als unter einer
langen Verwahrung lire Mandate niederzulegen, um nicht schwören zu müssen.
So ehrlich dies Verfahren war. so unbequem war es. und nach den Erfahrungen
der Demokraten auch noch recht bedenklich. Wir hatten also die Freude, die
Herrn im November 18S0 auf dem "berliner Landtage" (so sagen sie) wieder-
zusehen. Sie gaben eine Erklärung mit sechs langathmigen Erwägungen ab
und wollten nun schwören. Ihr kleines Manifest sprach mitten unter gekünstelter
Deductionen doch auch das aus. sie seien gewählt "um auf dem durch die Ver¬
fassung gebotenen Wege die Rechte des Landes wahrzunehmen".

Der Abgeordnete von Auerswald sah in ihrer Auslassung die Erklärung,
"daß die Polen die Verfassung zwar beschwmcn. sich aber vorbehalten wollen,
sie unter Umständen für sich verbindlich nicht halten zu wollen" und verlangte
eine nähere Erörterung dieses Punktes. Der Präsident ließ diese nicht zu:
"Jedenfalls wäre ein solcher Vorbehalt ungiltig. Wenn die Herren den Eid
leisten, so leisten sie ihn stricte und unbedingt aus Beobachtung der Verfassung."
Und sie haben ihn geleistet, nicht sie allein, sondern auch die in die Stellen
ausscheidender Mitglieder in' den letzten zehn Jahren eingerückten Landboten
Polnischer Zunge.

Die Provinz Posen ist also nach den Verträgen, nach den Landesgesetzen,
nach der von den polnischen Abgeordneten selbst immer wieder beschworner
Verfassung ein integrirendcr Bestandtheil der Monarchie, und wer an diesem
Verhältniß rütteln und lockern will, für den hat das Strafgesetzbuch den Na-
wen des Landesverräthcrs und die Strafe des Zuchthauses.

Wenden wir uns nun zu der Frage, welchen Grund die Preußen pol¬
nischer Abstammung zur Klage über die Regierung haben, so wollen wir uns
von vornherein einem offnen Bekenntniß nicht entziehen.

Erstens ist bekannt, daß die preußische Handelspolitik als solche ein sehr
junges Datum trägt, und daß unsre Minister der auswärtigen Angelegenheiten
M ihrem Titel ein Privilegium sahen, sich in den einheimischen Angelegenheiten
auswärtig zu erhalten, daß darum bei manchem politischen Acte den gewerv-
Uchen Verhältnissen des Landes nicht Rechnung getragen wurde. Darunter ha-
den unsre östlichen Grenzprovinzen schwer gelitten. Am härtesten ist Schlesien
getroffen worden; aber den gerechtesten Grund zur Klage hat Posen, weil un¬
ter den wiener Acten sich ein Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen Ruß-
land und Preußen findet, und unsre Regierung die Pflicht und bei einigem
Muthe auch die Kraft gehabt hätte, die Jnnchaltung der Verträge von dem rus-
sischen Nachbar zu erzwingen. Indessen sind durch die russische Grenzsperre die
deutschen Bewohner der Provinz mehr beschädigt worden, als die polnischen.


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Alle Landestheile der Monarchie in ihrem gegenwärtigen
Umfange bilden das pr cußis es e Sta als geb ick. Das ist so kW, daß
die polnischen Abgeordneten sich seinen andren Rath wußten, als unter einer
langen Verwahrung lire Mandate niederzulegen, um nicht schwören zu müssen.
So ehrlich dies Verfahren war. so unbequem war es. und nach den Erfahrungen
der Demokraten auch noch recht bedenklich. Wir hatten also die Freude, die
Herrn im November 18S0 auf dem „berliner Landtage" (so sagen sie) wieder-
zusehen. Sie gaben eine Erklärung mit sechs langathmigen Erwägungen ab
und wollten nun schwören. Ihr kleines Manifest sprach mitten unter gekünstelter
Deductionen doch auch das aus. sie seien gewählt „um auf dem durch die Ver¬
fassung gebotenen Wege die Rechte des Landes wahrzunehmen".

Der Abgeordnete von Auerswald sah in ihrer Auslassung die Erklärung,
»daß die Polen die Verfassung zwar beschwmcn. sich aber vorbehalten wollen,
sie unter Umständen für sich verbindlich nicht halten zu wollen" und verlangte
eine nähere Erörterung dieses Punktes. Der Präsident ließ diese nicht zu:
"Jedenfalls wäre ein solcher Vorbehalt ungiltig. Wenn die Herren den Eid
leisten, so leisten sie ihn stricte und unbedingt aus Beobachtung der Verfassung."
Und sie haben ihn geleistet, nicht sie allein, sondern auch die in die Stellen
ausscheidender Mitglieder in' den letzten zehn Jahren eingerückten Landboten
Polnischer Zunge.

Die Provinz Posen ist also nach den Verträgen, nach den Landesgesetzen,
nach der von den polnischen Abgeordneten selbst immer wieder beschworner
Verfassung ein integrirendcr Bestandtheil der Monarchie, und wer an diesem
Verhältniß rütteln und lockern will, für den hat das Strafgesetzbuch den Na-
wen des Landesverräthcrs und die Strafe des Zuchthauses.

Wenden wir uns nun zu der Frage, welchen Grund die Preußen pol¬
nischer Abstammung zur Klage über die Regierung haben, so wollen wir uns
von vornherein einem offnen Bekenntniß nicht entziehen.

Erstens ist bekannt, daß die preußische Handelspolitik als solche ein sehr
junges Datum trägt, und daß unsre Minister der auswärtigen Angelegenheiten
M ihrem Titel ein Privilegium sahen, sich in den einheimischen Angelegenheiten
auswärtig zu erhalten, daß darum bei manchem politischen Acte den gewerv-
Uchen Verhältnissen des Landes nicht Rechnung getragen wurde. Darunter ha-
den unsre östlichen Grenzprovinzen schwer gelitten. Am härtesten ist Schlesien
getroffen worden; aber den gerechtesten Grund zur Klage hat Posen, weil un¬
ter den wiener Acten sich ein Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen Ruß-
land und Preußen findet, und unsre Regierung die Pflicht und bei einigem
Muthe auch die Kraft gehabt hätte, die Jnnchaltung der Verträge von dem rus-
sischen Nachbar zu erzwingen. Indessen sind durch die russische Grenzsperre die
deutschen Bewohner der Provinz mehr beschädigt worden, als die polnischen.


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[0379] Alle Landestheile der Monarchie in ihrem gegenwärtigen Umfange bilden das pr cußis es e Sta als geb ick. Das ist so kW, daß die polnischen Abgeordneten sich seinen andren Rath wußten, als unter einer langen Verwahrung lire Mandate niederzulegen, um nicht schwören zu müssen. So ehrlich dies Verfahren war. so unbequem war es. und nach den Erfahrungen der Demokraten auch noch recht bedenklich. Wir hatten also die Freude, die Herrn im November 18S0 auf dem „berliner Landtage" (so sagen sie) wieder- zusehen. Sie gaben eine Erklärung mit sechs langathmigen Erwägungen ab und wollten nun schwören. Ihr kleines Manifest sprach mitten unter gekünstelter Deductionen doch auch das aus. sie seien gewählt „um auf dem durch die Ver¬ fassung gebotenen Wege die Rechte des Landes wahrzunehmen". Der Abgeordnete von Auerswald sah in ihrer Auslassung die Erklärung, »daß die Polen die Verfassung zwar beschwmcn. sich aber vorbehalten wollen, sie unter Umständen für sich verbindlich nicht halten zu wollen" und verlangte eine nähere Erörterung dieses Punktes. Der Präsident ließ diese nicht zu: "Jedenfalls wäre ein solcher Vorbehalt ungiltig. Wenn die Herren den Eid leisten, so leisten sie ihn stricte und unbedingt aus Beobachtung der Verfassung." Und sie haben ihn geleistet, nicht sie allein, sondern auch die in die Stellen ausscheidender Mitglieder in' den letzten zehn Jahren eingerückten Landboten Polnischer Zunge. Die Provinz Posen ist also nach den Verträgen, nach den Landesgesetzen, nach der von den polnischen Abgeordneten selbst immer wieder beschworner Verfassung ein integrirendcr Bestandtheil der Monarchie, und wer an diesem Verhältniß rütteln und lockern will, für den hat das Strafgesetzbuch den Na- wen des Landesverräthcrs und die Strafe des Zuchthauses. Wenden wir uns nun zu der Frage, welchen Grund die Preußen pol¬ nischer Abstammung zur Klage über die Regierung haben, so wollen wir uns von vornherein einem offnen Bekenntniß nicht entziehen. Erstens ist bekannt, daß die preußische Handelspolitik als solche ein sehr junges Datum trägt, und daß unsre Minister der auswärtigen Angelegenheiten M ihrem Titel ein Privilegium sahen, sich in den einheimischen Angelegenheiten auswärtig zu erhalten, daß darum bei manchem politischen Acte den gewerv- Uchen Verhältnissen des Landes nicht Rechnung getragen wurde. Darunter ha- den unsre östlichen Grenzprovinzen schwer gelitten. Am härtesten ist Schlesien getroffen worden; aber den gerechtesten Grund zur Klage hat Posen, weil un¬ ter den wiener Acten sich ein Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen Ruß- land und Preußen findet, und unsre Regierung die Pflicht und bei einigem Muthe auch die Kraft gehabt hätte, die Jnnchaltung der Verträge von dem rus- sischen Nachbar zu erzwingen. Indessen sind durch die russische Grenzsperre die deutschen Bewohner der Provinz mehr beschädigt worden, als die polnischen. 47*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/379>, abgerufen am 25.11.2024.