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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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In der That haben einige Personen den Revers unterzeichnet. Der Graf
Czieszkowski aber hat aus dieser wohlgemeinten Taktlosigkeit eines seine Be¬
fugnisse überschreitenden Beamten Capital gemacht und in seiner bekannten "Zu¬
sammenstellung von Staats- und völkerrechtlichen Urkunden, welche das Ver¬
hältniß des Großherzogthums Posen zur preußischen Krone betreffen. Nebst
einigen Erläuterungen" nicht nur aus dem Revers nach dem Eide den wirt¬
lichen Eid gemacht, nicht nur seine Freude bezeigt, daß hier endlich kategorisch
ausgesprochen ist, was eigentlich das Baterland der Bewohner des Groß-
herzogthums ist; sondern er hat auch diese Präsidialvervrdnuiig feierlich in
dn> "Cyclus der Staats- und völkerrechtlichen Urkunden, welche das Verhält-
niß des Großherzogthums Posen zur preußischen Krone feststellen" aufgenommen.
Hätte doch der gute alte Herr v. Zerboni diese Ehre erlebt; sie hätte ihn viel¬
leicht für den Aerger entschädigt, welchen ihm seine Eigenmächtigkeit verursacht
hat. Graf Czieszkowski weiß nämlich sehr gut, daß die Sache vor die Herren
v. Radziwiil und Hardenberg kam, daß diese ein Gutachten des höchsten Justiz¬
beamten der Provinz erforderten, daß darauf der Llppellationögerichtspräsident
von Schönermark am 20. Juli 1816 erklärte: "Die zweite Periode läßt den
Unterschreibenden den Antheil von Polen, welcher dem königlich preußischen
Hause zurückgefallen ist, als sein Vaterland anerkennen. Der Begriff des Vater¬
landes bezieht sich nicht auf einzelne Provinzen, sondern auf den ganzen Staat,
dem man angehört. Das Vaterland des Einwohners des Gro߬
herzogthums ist also jetzt das ganze preußische Land, und wenn
Vaterlandsliebe und Vaterlandstreue in seinem Herzen wurzeln soll, muß
man ihm nicht aus dem großen Vaterlande ein kleines auszeichnen." Unser
Herr Graf weiß endlich, daß Fürst Radziwill durch Rescript ä. el. Deberan,
8. September 1816 der Zerbvnischen Haupt- und Staatsaction einen unbarm¬
herzigen Todesstoß versetzte.

Im selbigen Jahre führten die Cabinetsordre vom 20. Juni und das Pa¬
tent vom 9. November die alipreußischcn Gesetze in vollem Umfange in Posen
wieder ein. Am 5. Juni 1823 erschien das Gesetz wegen Anordnung der
Provinzialstände. Neufchatel und Valengin durch Personalunion der Krone
Preußen verbunden, wurden ausgenommen, die Provinz Posen nicht, und
das ausführende Gesetz für dieselbe vom 3. August 1824, sowie die ergänzende
Verordnung vom 15. December 1830 stimmen vollständig mit denen für die
anderen Provinzen überein. Wir konnten nun diesen Faden an sämmtlichen
organischen Gesetzen weiter spinnen und würden erst bei der Gen.-Ordnung
von 1850 auf einen Anstoß kommen, wo die nie praktisch gewordene Pfuelsche
Demarkationslinie vorausgesetzt ist. Es reicht aber hin, ans den verschiedenen
ihrem innersten Sinn übereinstimmenden Cabinetsordrcs resp, Landtags-
"bschieden des Königs Friedrich Wilhelm des Vierten einige Stellen hcraus-


Grmzboten I. 5363. 47

In der That haben einige Personen den Revers unterzeichnet. Der Graf
Czieszkowski aber hat aus dieser wohlgemeinten Taktlosigkeit eines seine Be¬
fugnisse überschreitenden Beamten Capital gemacht und in seiner bekannten „Zu¬
sammenstellung von Staats- und völkerrechtlichen Urkunden, welche das Ver¬
hältniß des Großherzogthums Posen zur preußischen Krone betreffen. Nebst
einigen Erläuterungen" nicht nur aus dem Revers nach dem Eide den wirt¬
lichen Eid gemacht, nicht nur seine Freude bezeigt, daß hier endlich kategorisch
ausgesprochen ist, was eigentlich das Baterland der Bewohner des Groß-
herzogthums ist; sondern er hat auch diese Präsidialvervrdnuiig feierlich in
dn> „Cyclus der Staats- und völkerrechtlichen Urkunden, welche das Verhält-
niß des Großherzogthums Posen zur preußischen Krone feststellen" aufgenommen.
Hätte doch der gute alte Herr v. Zerboni diese Ehre erlebt; sie hätte ihn viel¬
leicht für den Aerger entschädigt, welchen ihm seine Eigenmächtigkeit verursacht
hat. Graf Czieszkowski weiß nämlich sehr gut, daß die Sache vor die Herren
v. Radziwiil und Hardenberg kam, daß diese ein Gutachten des höchsten Justiz¬
beamten der Provinz erforderten, daß darauf der Llppellationögerichtspräsident
von Schönermark am 20. Juli 1816 erklärte: „Die zweite Periode läßt den
Unterschreibenden den Antheil von Polen, welcher dem königlich preußischen
Hause zurückgefallen ist, als sein Vaterland anerkennen. Der Begriff des Vater¬
landes bezieht sich nicht auf einzelne Provinzen, sondern auf den ganzen Staat,
dem man angehört. Das Vaterland des Einwohners des Gro߬
herzogthums ist also jetzt das ganze preußische Land, und wenn
Vaterlandsliebe und Vaterlandstreue in seinem Herzen wurzeln soll, muß
man ihm nicht aus dem großen Vaterlande ein kleines auszeichnen." Unser
Herr Graf weiß endlich, daß Fürst Radziwill durch Rescript ä. el. Deberan,
8. September 1816 der Zerbvnischen Haupt- und Staatsaction einen unbarm¬
herzigen Todesstoß versetzte.

Im selbigen Jahre führten die Cabinetsordre vom 20. Juni und das Pa¬
tent vom 9. November die alipreußischcn Gesetze in vollem Umfange in Posen
wieder ein. Am 5. Juni 1823 erschien das Gesetz wegen Anordnung der
Provinzialstände. Neufchatel und Valengin durch Personalunion der Krone
Preußen verbunden, wurden ausgenommen, die Provinz Posen nicht, und
das ausführende Gesetz für dieselbe vom 3. August 1824, sowie die ergänzende
Verordnung vom 15. December 1830 stimmen vollständig mit denen für die
anderen Provinzen überein. Wir konnten nun diesen Faden an sämmtlichen
organischen Gesetzen weiter spinnen und würden erst bei der Gen.-Ordnung
von 1850 auf einen Anstoß kommen, wo die nie praktisch gewordene Pfuelsche
Demarkationslinie vorausgesetzt ist. Es reicht aber hin, ans den verschiedenen
ihrem innersten Sinn übereinstimmenden Cabinetsordrcs resp, Landtags-
«bschieden des Königs Friedrich Wilhelm des Vierten einige Stellen hcraus-


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[0377] In der That haben einige Personen den Revers unterzeichnet. Der Graf Czieszkowski aber hat aus dieser wohlgemeinten Taktlosigkeit eines seine Be¬ fugnisse überschreitenden Beamten Capital gemacht und in seiner bekannten „Zu¬ sammenstellung von Staats- und völkerrechtlichen Urkunden, welche das Ver¬ hältniß des Großherzogthums Posen zur preußischen Krone betreffen. Nebst einigen Erläuterungen" nicht nur aus dem Revers nach dem Eide den wirt¬ lichen Eid gemacht, nicht nur seine Freude bezeigt, daß hier endlich kategorisch ausgesprochen ist, was eigentlich das Baterland der Bewohner des Groß- herzogthums ist; sondern er hat auch diese Präsidialvervrdnuiig feierlich in dn> „Cyclus der Staats- und völkerrechtlichen Urkunden, welche das Verhält- niß des Großherzogthums Posen zur preußischen Krone feststellen" aufgenommen. Hätte doch der gute alte Herr v. Zerboni diese Ehre erlebt; sie hätte ihn viel¬ leicht für den Aerger entschädigt, welchen ihm seine Eigenmächtigkeit verursacht hat. Graf Czieszkowski weiß nämlich sehr gut, daß die Sache vor die Herren v. Radziwiil und Hardenberg kam, daß diese ein Gutachten des höchsten Justiz¬ beamten der Provinz erforderten, daß darauf der Llppellationögerichtspräsident von Schönermark am 20. Juli 1816 erklärte: „Die zweite Periode läßt den Unterschreibenden den Antheil von Polen, welcher dem königlich preußischen Hause zurückgefallen ist, als sein Vaterland anerkennen. Der Begriff des Vater¬ landes bezieht sich nicht auf einzelne Provinzen, sondern auf den ganzen Staat, dem man angehört. Das Vaterland des Einwohners des Gro߬ herzogthums ist also jetzt das ganze preußische Land, und wenn Vaterlandsliebe und Vaterlandstreue in seinem Herzen wurzeln soll, muß man ihm nicht aus dem großen Vaterlande ein kleines auszeichnen." Unser Herr Graf weiß endlich, daß Fürst Radziwill durch Rescript ä. el. Deberan, 8. September 1816 der Zerbvnischen Haupt- und Staatsaction einen unbarm¬ herzigen Todesstoß versetzte. Im selbigen Jahre führten die Cabinetsordre vom 20. Juni und das Pa¬ tent vom 9. November die alipreußischcn Gesetze in vollem Umfange in Posen wieder ein. Am 5. Juni 1823 erschien das Gesetz wegen Anordnung der Provinzialstände. Neufchatel und Valengin durch Personalunion der Krone Preußen verbunden, wurden ausgenommen, die Provinz Posen nicht, und das ausführende Gesetz für dieselbe vom 3. August 1824, sowie die ergänzende Verordnung vom 15. December 1830 stimmen vollständig mit denen für die anderen Provinzen überein. Wir konnten nun diesen Faden an sämmtlichen organischen Gesetzen weiter spinnen und würden erst bei der Gen.-Ordnung von 1850 auf einen Anstoß kommen, wo die nie praktisch gewordene Pfuelsche Demarkationslinie vorausgesetzt ist. Es reicht aber hin, ans den verschiedenen ihrem innersten Sinn übereinstimmenden Cabinetsordrcs resp, Landtags- «bschieden des Königs Friedrich Wilhelm des Vierten einige Stellen hcraus- Grmzboten I. 5363. 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/377>, abgerufen am 28.07.2024.