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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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viele Getreide, das ihm die Sizilianer zum Danke für die Anklage des räube¬
rischen Verres schickten, unter das Volk als Aedil vertheilte, so benutzte er
es doch auch nebenbei zu einem egoistischen Zwecke. Es ist gewiß, daß er reich
wurde und sein Vermögen bis auf zwanzig Millionen Sestertien brachte, und wenn
man auch den Vorwurf seiner Feinde, daß er sich zum Reden verdingt habe,
zurückweist, so erklärt sich die Zunahme seiner Habe nicht anders als durch die
vielen Erbschaften, die ihm, der damaligen Sitte gemäß, seine Freunde und
ganz besonders seiner früheren Clienten hinterließen. Sein Nebenbuhler Horten-
sius wußte sich noch viel weniger über die Sitten der Zeit zu erheben, be¬
stach und ließ sich bestechen und zeichnete sich nur dadurch vor Anderen aus,
daß er erfinderischer war, um Betrug von Seiten der bestochenen zu verhindern.
Außer anderen Kunstwerken unter der sizilischen Beute des von ihm vertheidigten
Verres wanderte auch, wie ihm Cicero ziemlich un verhüllt vorwarf, eine elfen¬
beinerne Sphinx in sein Haus, und als das falsche Testament eines reichen Man¬
nes, der in Griechenland gestorben war. nach Rom gebracht wurde in welchem die
Fälscher listiger Weise für Hortensius und Crassus reiche Legate ausgeworfen hatten,
entblödeten sich die beiden vornehmen Herren nicht, sich am Raube zu betheiligen.

Benahmen sich die Häupter des Staats als Sachwalter in dieser Weise,
so kann man sich denken, wie die tief unter ihnen stehenden College" Ver¬
führer, auf die sie mit Verachtung herabschauten. Denn wie es Rechts¬
gelehrte gab, die ohne alle Bildung sich äußere Kenntniß von processualischen
Formeln verschafft hatten und so ihre Dienste besonders den Landleuten
anbietend einen Scävola karrikirten, so gab es auch Sachwalter, die, wie
Cicero sagt, sich nicht beredt vorkamen, wenn nicht Alles von ihrem Lärm
und Geschrei erdröhnte und sie sonst aller feineren Bildung bar waren. Ueber
diese heißt es auch in seinem Buche über die Redekunst- "Wir wollen nicht
den gemeinen Sachwalter, nicht den Schreier oder Zungendrescher hier dar¬
stellen, sondern einen Mann, welcher wahrhaft Meister der Kunst ist;" und
auch Quintilian verwahrt sich gegen solche Leute in folgenden Worten: "Wir
geben keinen Unterricht im Gerichtsdienste, noch geben wir ihn einer gedunge¬
nen Zunge, noch, um mich nicht härterer Ausdrücke zu bedienen, einem, wenn
auch sonst nicht unnützlichen Proceßadvocaten." Schon Plautus charakterisirt
diese Leute, die Cicero irgendwo "Geier" titulirt. in seinen "Zwillingsbrüdern"
so: "Alle wollen viele Clienten haben, ob diese gut oder schlecht seien, dar¬
nach fragen sie nicht; das Vermögen kommt mehr in Betracht, als, wie es
mit der Ehrlichkeit bestellt ist. Wer arm und nicht böse ist, den halten sie
für einen Schuft, wer reich und schlecht ist. der gilt ihnen für einen recht¬
schaffenen Clienten." Die Unwissenheit solcher Rabulisten kam natürlich ihren
Kunden oft theuer zu stehen. Allein, da in Rom auch die Wirksamkeit des
Rechtsgelehrten von der des Patrons oder Sachwalters geschieden war, so


viele Getreide, das ihm die Sizilianer zum Danke für die Anklage des räube¬
rischen Verres schickten, unter das Volk als Aedil vertheilte, so benutzte er
es doch auch nebenbei zu einem egoistischen Zwecke. Es ist gewiß, daß er reich
wurde und sein Vermögen bis auf zwanzig Millionen Sestertien brachte, und wenn
man auch den Vorwurf seiner Feinde, daß er sich zum Reden verdingt habe,
zurückweist, so erklärt sich die Zunahme seiner Habe nicht anders als durch die
vielen Erbschaften, die ihm, der damaligen Sitte gemäß, seine Freunde und
ganz besonders seiner früheren Clienten hinterließen. Sein Nebenbuhler Horten-
sius wußte sich noch viel weniger über die Sitten der Zeit zu erheben, be¬
stach und ließ sich bestechen und zeichnete sich nur dadurch vor Anderen aus,
daß er erfinderischer war, um Betrug von Seiten der bestochenen zu verhindern.
Außer anderen Kunstwerken unter der sizilischen Beute des von ihm vertheidigten
Verres wanderte auch, wie ihm Cicero ziemlich un verhüllt vorwarf, eine elfen¬
beinerne Sphinx in sein Haus, und als das falsche Testament eines reichen Man¬
nes, der in Griechenland gestorben war. nach Rom gebracht wurde in welchem die
Fälscher listiger Weise für Hortensius und Crassus reiche Legate ausgeworfen hatten,
entblödeten sich die beiden vornehmen Herren nicht, sich am Raube zu betheiligen.

Benahmen sich die Häupter des Staats als Sachwalter in dieser Weise,
so kann man sich denken, wie die tief unter ihnen stehenden College» Ver¬
führer, auf die sie mit Verachtung herabschauten. Denn wie es Rechts¬
gelehrte gab, die ohne alle Bildung sich äußere Kenntniß von processualischen
Formeln verschafft hatten und so ihre Dienste besonders den Landleuten
anbietend einen Scävola karrikirten, so gab es auch Sachwalter, die, wie
Cicero sagt, sich nicht beredt vorkamen, wenn nicht Alles von ihrem Lärm
und Geschrei erdröhnte und sie sonst aller feineren Bildung bar waren. Ueber
diese heißt es auch in seinem Buche über die Redekunst- „Wir wollen nicht
den gemeinen Sachwalter, nicht den Schreier oder Zungendrescher hier dar¬
stellen, sondern einen Mann, welcher wahrhaft Meister der Kunst ist;" und
auch Quintilian verwahrt sich gegen solche Leute in folgenden Worten: „Wir
geben keinen Unterricht im Gerichtsdienste, noch geben wir ihn einer gedunge¬
nen Zunge, noch, um mich nicht härterer Ausdrücke zu bedienen, einem, wenn
auch sonst nicht unnützlichen Proceßadvocaten." Schon Plautus charakterisirt
diese Leute, die Cicero irgendwo „Geier" titulirt. in seinen „Zwillingsbrüdern"
so: „Alle wollen viele Clienten haben, ob diese gut oder schlecht seien, dar¬
nach fragen sie nicht; das Vermögen kommt mehr in Betracht, als, wie es
mit der Ehrlichkeit bestellt ist. Wer arm und nicht böse ist, den halten sie
für einen Schuft, wer reich und schlecht ist. der gilt ihnen für einen recht¬
schaffenen Clienten." Die Unwissenheit solcher Rabulisten kam natürlich ihren
Kunden oft theuer zu stehen. Allein, da in Rom auch die Wirksamkeit des
Rechtsgelehrten von der des Patrons oder Sachwalters geschieden war, so


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[0034] viele Getreide, das ihm die Sizilianer zum Danke für die Anklage des räube¬ rischen Verres schickten, unter das Volk als Aedil vertheilte, so benutzte er es doch auch nebenbei zu einem egoistischen Zwecke. Es ist gewiß, daß er reich wurde und sein Vermögen bis auf zwanzig Millionen Sestertien brachte, und wenn man auch den Vorwurf seiner Feinde, daß er sich zum Reden verdingt habe, zurückweist, so erklärt sich die Zunahme seiner Habe nicht anders als durch die vielen Erbschaften, die ihm, der damaligen Sitte gemäß, seine Freunde und ganz besonders seiner früheren Clienten hinterließen. Sein Nebenbuhler Horten- sius wußte sich noch viel weniger über die Sitten der Zeit zu erheben, be¬ stach und ließ sich bestechen und zeichnete sich nur dadurch vor Anderen aus, daß er erfinderischer war, um Betrug von Seiten der bestochenen zu verhindern. Außer anderen Kunstwerken unter der sizilischen Beute des von ihm vertheidigten Verres wanderte auch, wie ihm Cicero ziemlich un verhüllt vorwarf, eine elfen¬ beinerne Sphinx in sein Haus, und als das falsche Testament eines reichen Man¬ nes, der in Griechenland gestorben war. nach Rom gebracht wurde in welchem die Fälscher listiger Weise für Hortensius und Crassus reiche Legate ausgeworfen hatten, entblödeten sich die beiden vornehmen Herren nicht, sich am Raube zu betheiligen. Benahmen sich die Häupter des Staats als Sachwalter in dieser Weise, so kann man sich denken, wie die tief unter ihnen stehenden College» Ver¬ führer, auf die sie mit Verachtung herabschauten. Denn wie es Rechts¬ gelehrte gab, die ohne alle Bildung sich äußere Kenntniß von processualischen Formeln verschafft hatten und so ihre Dienste besonders den Landleuten anbietend einen Scävola karrikirten, so gab es auch Sachwalter, die, wie Cicero sagt, sich nicht beredt vorkamen, wenn nicht Alles von ihrem Lärm und Geschrei erdröhnte und sie sonst aller feineren Bildung bar waren. Ueber diese heißt es auch in seinem Buche über die Redekunst- „Wir wollen nicht den gemeinen Sachwalter, nicht den Schreier oder Zungendrescher hier dar¬ stellen, sondern einen Mann, welcher wahrhaft Meister der Kunst ist;" und auch Quintilian verwahrt sich gegen solche Leute in folgenden Worten: „Wir geben keinen Unterricht im Gerichtsdienste, noch geben wir ihn einer gedunge¬ nen Zunge, noch, um mich nicht härterer Ausdrücke zu bedienen, einem, wenn auch sonst nicht unnützlichen Proceßadvocaten." Schon Plautus charakterisirt diese Leute, die Cicero irgendwo „Geier" titulirt. in seinen „Zwillingsbrüdern" so: „Alle wollen viele Clienten haben, ob diese gut oder schlecht seien, dar¬ nach fragen sie nicht; das Vermögen kommt mehr in Betracht, als, wie es mit der Ehrlichkeit bestellt ist. Wer arm und nicht böse ist, den halten sie für einen Schuft, wer reich und schlecht ist. der gilt ihnen für einen recht¬ schaffenen Clienten." Die Unwissenheit solcher Rabulisten kam natürlich ihren Kunden oft theuer zu stehen. Allein, da in Rom auch die Wirksamkeit des Rechtsgelehrten von der des Patrons oder Sachwalters geschieden war, so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/34>, abgerufen am 22.11.2024.