Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sich zu mäßigen. Der stößt die Frau voll Wuth von sich, so daß sie aus
Mund und Nase blutend auf die Erde stürzt; der Liegenden tritt er mit einem
Fuß auf den Leib. Empört durch die Beschimpfung seiner Frau schießt nun
Herr Roch den Dqbrowsl'i nieder. Die Andern fliehen; der Befreite verfolgt
sie schießend und verwundet Etliche von ihnen.

Es war nicht zu fürchten, daß die Justiz der Republik nach solchen Dingen
fragen werde, aber die Rache der Adligen zu bedenken. Deswegen bringt Noch
seine Frau zu einem befreundeten Nachbar, wo sie bald darauf stirbt. Er
selbst flüchtet nach Keto. wird unterwegs von dreißig Bewaffneten überfallen,
entkommt diesen und findet in der Kirche des Bernhardinerilosters Schul).
Letztere wird von der Rotte drei Tage lang belagert, worauf die Belagerer um¬
kehren, weil die Ernte nahet und die adeligen Herren ihre eigenen Knechte waren.
Einer von ihnen setzte sich ruhig in den Besitz des vormalig Bialtowstischen
Gutes.

Der Gcflücbtetc aber ging zu dem reichen Herrn v. Garczynski im Posen-
schen; er hatte nichts als seine vier Hunde gerettet. Mit selbigen wollte er
am Geburtstage seines Gönners einen Eber fällen, um sich dankbar zu erweisen.
Er hatte die Thiere bereits vom Stricke losgemacht, als er einen alten Bettler
erblickte. Herr Roch rief demselben zu, er solle sich auf einen Baum retten.
Der Greis hatte sich aber wohl mit der Turnkunst nicht so eingehend beschäf¬
tigt, wie unsere Landboten. Er zog es vor, sich niederzusetzen und durch seine
umgekehrt in den Mund genommene Mütze die Hunde von sich zu schrecken.
Diese warfen sich jedoch über ihn, und in wenigen Minuten war er zerrissen.

Herr Noch seufzte tief auf, bat den Himmel wegen dieses unverschuldeten
Mordes um Entschuldigung, brachte mit vieler Mühe die Hunde von dem
Leichnam weg. setzte seine Jagd fort und erfreute seinen Wohlthäter durch den
lebendig eingefangenen Eber. Von dem Bettler war keine Rede mehr.

Ueberfälle, wie sie Noch provocirt hatte, geschahen auch ohne besondere Ver¬
anlassung, bald aus purem Muthwillen, bald aus Naubsucht. Am heilen Mit-
tag klebte ein Szlachcic dem andern einen Zettel ans Fenster und kehrte so
eilend um, daß er nicht erhascht werden konnte. Der Zettel enthielt die Worte:
"Wir befehlen hiermit Janusch Hochwohlgeboren unter der alten Eiche am
Kreuzwege eine Schatulle mit 24.000 Gulden niederzulegen. widrigenfalls möge
er, wo er sich auch befinden mag. gewiß sein der Rache seiner adligen
Brüder" (lzraeig, x-I-relrta), Die Edelleute hatten aus zweierlei Ursache ihr
Manifest mit zweiunddrußig Kreuzen unterzeichnet. Die Drohung ward durch
wiederholte Ueberfälle ausgeführt, und beiz einem derselben rissen die adeligen
Räuber dem alten Janusch Svkolnicki Stiefeln und Strümpfe von den Füßen
und brannten ihn mit einem glühend gemachten Bratspieß. Das Fleisch zischte.
Janusch seufzte schwach auf und siel in Ohnmacht. Die brüderliche Correspon-


sich zu mäßigen. Der stößt die Frau voll Wuth von sich, so daß sie aus
Mund und Nase blutend auf die Erde stürzt; der Liegenden tritt er mit einem
Fuß auf den Leib. Empört durch die Beschimpfung seiner Frau schießt nun
Herr Roch den Dqbrowsl'i nieder. Die Andern fliehen; der Befreite verfolgt
sie schießend und verwundet Etliche von ihnen.

Es war nicht zu fürchten, daß die Justiz der Republik nach solchen Dingen
fragen werde, aber die Rache der Adligen zu bedenken. Deswegen bringt Noch
seine Frau zu einem befreundeten Nachbar, wo sie bald darauf stirbt. Er
selbst flüchtet nach Keto. wird unterwegs von dreißig Bewaffneten überfallen,
entkommt diesen und findet in der Kirche des Bernhardinerilosters Schul).
Letztere wird von der Rotte drei Tage lang belagert, worauf die Belagerer um¬
kehren, weil die Ernte nahet und die adeligen Herren ihre eigenen Knechte waren.
Einer von ihnen setzte sich ruhig in den Besitz des vormalig Bialtowstischen
Gutes.

Der Gcflücbtetc aber ging zu dem reichen Herrn v. Garczynski im Posen-
schen; er hatte nichts als seine vier Hunde gerettet. Mit selbigen wollte er
am Geburtstage seines Gönners einen Eber fällen, um sich dankbar zu erweisen.
Er hatte die Thiere bereits vom Stricke losgemacht, als er einen alten Bettler
erblickte. Herr Roch rief demselben zu, er solle sich auf einen Baum retten.
Der Greis hatte sich aber wohl mit der Turnkunst nicht so eingehend beschäf¬
tigt, wie unsere Landboten. Er zog es vor, sich niederzusetzen und durch seine
umgekehrt in den Mund genommene Mütze die Hunde von sich zu schrecken.
Diese warfen sich jedoch über ihn, und in wenigen Minuten war er zerrissen.

Herr Noch seufzte tief auf, bat den Himmel wegen dieses unverschuldeten
Mordes um Entschuldigung, brachte mit vieler Mühe die Hunde von dem
Leichnam weg. setzte seine Jagd fort und erfreute seinen Wohlthäter durch den
lebendig eingefangenen Eber. Von dem Bettler war keine Rede mehr.

Ueberfälle, wie sie Noch provocirt hatte, geschahen auch ohne besondere Ver¬
anlassung, bald aus purem Muthwillen, bald aus Naubsucht. Am heilen Mit-
tag klebte ein Szlachcic dem andern einen Zettel ans Fenster und kehrte so
eilend um, daß er nicht erhascht werden konnte. Der Zettel enthielt die Worte:
„Wir befehlen hiermit Janusch Hochwohlgeboren unter der alten Eiche am
Kreuzwege eine Schatulle mit 24.000 Gulden niederzulegen. widrigenfalls möge
er, wo er sich auch befinden mag. gewiß sein der Rache seiner adligen
Brüder" (lzraeig, x-I-relrta), Die Edelleute hatten aus zweierlei Ursache ihr
Manifest mit zweiunddrußig Kreuzen unterzeichnet. Die Drohung ward durch
wiederholte Ueberfälle ausgeführt, und beiz einem derselben rissen die adeligen
Räuber dem alten Janusch Svkolnicki Stiefeln und Strümpfe von den Füßen
und brannten ihn mit einem glühend gemachten Bratspieß. Das Fleisch zischte.
Janusch seufzte schwach auf und siel in Ohnmacht. Die brüderliche Correspon-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0333" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187827"/>
            <p xml:id="ID_1234" prev="#ID_1233"> sich zu mäßigen. Der stößt die Frau voll Wuth von sich, so daß sie aus<lb/>
Mund und Nase blutend auf die Erde stürzt; der Liegenden tritt er mit einem<lb/>
Fuß auf den Leib. Empört durch die Beschimpfung seiner Frau schießt nun<lb/>
Herr Roch den Dqbrowsl'i nieder. Die Andern fliehen; der Befreite verfolgt<lb/>
sie schießend und verwundet Etliche von ihnen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1235"> Es war nicht zu fürchten, daß die Justiz der Republik nach solchen Dingen<lb/>
fragen werde, aber die Rache der Adligen zu bedenken. Deswegen bringt Noch<lb/>
seine Frau zu einem befreundeten Nachbar, wo sie bald darauf stirbt. Er<lb/>
selbst flüchtet nach Keto. wird unterwegs von dreißig Bewaffneten überfallen,<lb/>
entkommt diesen und findet in der Kirche des Bernhardinerilosters Schul).<lb/>
Letztere wird von der Rotte drei Tage lang belagert, worauf die Belagerer um¬<lb/>
kehren, weil die Ernte nahet und die adeligen Herren ihre eigenen Knechte waren.<lb/>
Einer von ihnen setzte sich ruhig in den Besitz des vormalig Bialtowstischen<lb/>
Gutes.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1236"> Der Gcflücbtetc aber ging zu dem reichen Herrn v. Garczynski im Posen-<lb/>
schen; er hatte nichts als seine vier Hunde gerettet. Mit selbigen wollte er<lb/>
am Geburtstage seines Gönners einen Eber fällen, um sich dankbar zu erweisen.<lb/>
Er hatte die Thiere bereits vom Stricke losgemacht, als er einen alten Bettler<lb/>
erblickte. Herr Roch rief demselben zu, er solle sich auf einen Baum retten.<lb/>
Der Greis hatte sich aber wohl mit der Turnkunst nicht so eingehend beschäf¬<lb/>
tigt, wie unsere Landboten. Er zog es vor, sich niederzusetzen und durch seine<lb/>
umgekehrt in den Mund genommene Mütze die Hunde von sich zu schrecken.<lb/>
Diese warfen sich jedoch über ihn, und in wenigen Minuten war er zerrissen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1237"> Herr Noch seufzte tief auf, bat den Himmel wegen dieses unverschuldeten<lb/>
Mordes um Entschuldigung, brachte mit vieler Mühe die Hunde von dem<lb/>
Leichnam weg. setzte seine Jagd fort und erfreute seinen Wohlthäter durch den<lb/>
lebendig eingefangenen Eber.  Von dem Bettler war keine Rede mehr.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1238" next="#ID_1239"> Ueberfälle, wie sie Noch provocirt hatte, geschahen auch ohne besondere Ver¬<lb/>
anlassung, bald aus purem Muthwillen, bald aus Naubsucht. Am heilen Mit-<lb/>
tag klebte ein Szlachcic dem andern einen Zettel ans Fenster und kehrte so<lb/>
eilend um, daß er nicht erhascht werden konnte. Der Zettel enthielt die Worte:<lb/>
&#x201E;Wir befehlen hiermit Janusch Hochwohlgeboren unter der alten Eiche am<lb/>
Kreuzwege eine Schatulle mit 24.000 Gulden niederzulegen. widrigenfalls möge<lb/>
er, wo er sich auch befinden mag. gewiß sein der Rache seiner adligen<lb/>
Brüder" (lzraeig, x-I-relrta), Die Edelleute hatten aus zweierlei Ursache ihr<lb/>
Manifest mit zweiunddrußig Kreuzen unterzeichnet. Die Drohung ward durch<lb/>
wiederholte Ueberfälle ausgeführt, und beiz einem derselben rissen die adeligen<lb/>
Räuber dem alten Janusch Svkolnicki Stiefeln und Strümpfe von den Füßen<lb/>
und brannten ihn mit einem glühend gemachten Bratspieß. Das Fleisch zischte.<lb/>
Janusch seufzte schwach auf und siel in Ohnmacht. Die brüderliche Correspon-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0333] sich zu mäßigen. Der stößt die Frau voll Wuth von sich, so daß sie aus Mund und Nase blutend auf die Erde stürzt; der Liegenden tritt er mit einem Fuß auf den Leib. Empört durch die Beschimpfung seiner Frau schießt nun Herr Roch den Dqbrowsl'i nieder. Die Andern fliehen; der Befreite verfolgt sie schießend und verwundet Etliche von ihnen. Es war nicht zu fürchten, daß die Justiz der Republik nach solchen Dingen fragen werde, aber die Rache der Adligen zu bedenken. Deswegen bringt Noch seine Frau zu einem befreundeten Nachbar, wo sie bald darauf stirbt. Er selbst flüchtet nach Keto. wird unterwegs von dreißig Bewaffneten überfallen, entkommt diesen und findet in der Kirche des Bernhardinerilosters Schul). Letztere wird von der Rotte drei Tage lang belagert, worauf die Belagerer um¬ kehren, weil die Ernte nahet und die adeligen Herren ihre eigenen Knechte waren. Einer von ihnen setzte sich ruhig in den Besitz des vormalig Bialtowstischen Gutes. Der Gcflücbtetc aber ging zu dem reichen Herrn v. Garczynski im Posen- schen; er hatte nichts als seine vier Hunde gerettet. Mit selbigen wollte er am Geburtstage seines Gönners einen Eber fällen, um sich dankbar zu erweisen. Er hatte die Thiere bereits vom Stricke losgemacht, als er einen alten Bettler erblickte. Herr Roch rief demselben zu, er solle sich auf einen Baum retten. Der Greis hatte sich aber wohl mit der Turnkunst nicht so eingehend beschäf¬ tigt, wie unsere Landboten. Er zog es vor, sich niederzusetzen und durch seine umgekehrt in den Mund genommene Mütze die Hunde von sich zu schrecken. Diese warfen sich jedoch über ihn, und in wenigen Minuten war er zerrissen. Herr Noch seufzte tief auf, bat den Himmel wegen dieses unverschuldeten Mordes um Entschuldigung, brachte mit vieler Mühe die Hunde von dem Leichnam weg. setzte seine Jagd fort und erfreute seinen Wohlthäter durch den lebendig eingefangenen Eber. Von dem Bettler war keine Rede mehr. Ueberfälle, wie sie Noch provocirt hatte, geschahen auch ohne besondere Ver¬ anlassung, bald aus purem Muthwillen, bald aus Naubsucht. Am heilen Mit- tag klebte ein Szlachcic dem andern einen Zettel ans Fenster und kehrte so eilend um, daß er nicht erhascht werden konnte. Der Zettel enthielt die Worte: „Wir befehlen hiermit Janusch Hochwohlgeboren unter der alten Eiche am Kreuzwege eine Schatulle mit 24.000 Gulden niederzulegen. widrigenfalls möge er, wo er sich auch befinden mag. gewiß sein der Rache seiner adligen Brüder" (lzraeig, x-I-relrta), Die Edelleute hatten aus zweierlei Ursache ihr Manifest mit zweiunddrußig Kreuzen unterzeichnet. Die Drohung ward durch wiederholte Ueberfälle ausgeführt, und beiz einem derselben rissen die adeligen Räuber dem alten Janusch Svkolnicki Stiefeln und Strümpfe von den Füßen und brannten ihn mit einem glühend gemachten Bratspieß. Das Fleisch zischte. Janusch seufzte schwach auf und siel in Ohnmacht. Die brüderliche Correspon-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/333
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/333>, abgerufen am 28.07.2024.