Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

qcistigeu Eigenthums mit besonderer Vorliebe gepflegt und steht jetzt eben im
Begriffe, die letzte Eonsequenz hieraus zu ziehen. Denn nachdem die im Früh¬
jahr d, I. in Paris unter dein Vorsitze des StaatsministerS Walewski zusam¬
mengetretene Commission trotz der entgegengesetzten Resolutionen der in, Jahre
t8S8 zu Brüssel und im Jahre 1861 zu Antwerpen abgehaltenen literarischen
Evngresse sich mit 18 gegen 4 Stimmen für die Ewigkeit der Autorrechte aus¬
gesprochen hat, ist es bei de" kurzen Formen der kaiserlichen Regierungsweise
uno der sprichwörtlichen Willfährigkeit der mitwirkenden gesetzgebenden Gewalten
>" Frankreich im hohen Grade wahrscheinlich, daß die Ewigkeit der Autorrechte
demnächst als Gesetz proclamirt werden wird.

Ist aber die französische Nachdrucksgesetzgebung bei den engen Verkehrs¬
und Eulturbeziehungen. die uns mit Frankreich verknüpfen und bei dem immer¬
hin fühlbaren Einfluß, den die einschlagende Gesetzgebung auf die Literatur
selbst hat, schon an sich für uns wichtig, so gewinnt die in Aussicht stehende
Umgestaltung des bisher giltigen französischen Rechts noch dadurch sür uns an
Bedeutung, daß wir im Begriffe stehen, mit Frankreich einen Vertrag zu schlie¬
ßen, der uns die praktischen Consequenzen der französischen Gesetzgebung noch
ungleich mehr als bisher fühlbar machen wird. Nach Artikel 1 des preußisch-
französischen Vertragsentwurfes zu gegenseitigem Schutze der Autorrechte sollen
die Autoren des einen Landes in dem andern denselben Schutz gegen Be¬
einträchtigung ihrer Werte genießen, als wenn sie ihre Werke zuerst in diesem
andere" Lande veröffentlicht hätten, "jedoch nur so lange, als ihre Rechte in
dem Lande, in welchem die erste Veröffentlichung erfolgte, in Kraft sind".
Hiernach werden vom Jahre 1867 ab, wo die zur Zeit noch gegen den Nach¬
druck unserer Classiker bestehenden Bundcsprivilegicn wegfallen, die Werke
Goethes, Schillers. Lessings u. A. in. in Frankreich ungestraft vervielfältigt
und nach Deutschland erpvrtirt werden dürfen. Dagegen wird der deutsche Buch¬
händler die Werke französischer Elassiker -- falls inzwischen in Frankreich die
Ewigkeit der Autorrechte proclamirt wird -- nicbt vervielfältigen dürfen. Man
sieht daraus, daß die Frage nach der innern Berechtigung und der Zweckmäßig¬
keit dieser von der französischen Gesetzgebung angestrebten Neuerung für uns
keineswegs eine müßige ist.

Unter diesen Umständen ist es von Interesse, die Stimme eines Mannes
zu hören, der wie irgend Einer durch geistige Begabung, Neigung und Beruf
zu einem Urtheile über die hier einschlagenden Fragen befähigt ist und keinen
Widerspruch zu fürchten braucht, wenn er von sich sagt, daß "er nur aus Ehr¬
furcht vor der Wahrheit und aus Gcwissensdraug über den vorliegenden Gegen¬
stand geschrieben" habe. Wir meinen den Philosophen Proudhon, der in seiner
neuesten Broschüre: "Die Uterarischen Majorate". Brüssel. 1862. (Leipzig.
I. I. Weber) die Absicht der französischen Regierung, das den Erfindern, Schrist-


Greujtwle" I. 186g. ^

qcistigeu Eigenthums mit besonderer Vorliebe gepflegt und steht jetzt eben im
Begriffe, die letzte Eonsequenz hieraus zu ziehen. Denn nachdem die im Früh¬
jahr d, I. in Paris unter dein Vorsitze des StaatsministerS Walewski zusam¬
mengetretene Commission trotz der entgegengesetzten Resolutionen der in, Jahre
t8S8 zu Brüssel und im Jahre 1861 zu Antwerpen abgehaltenen literarischen
Evngresse sich mit 18 gegen 4 Stimmen für die Ewigkeit der Autorrechte aus¬
gesprochen hat, ist es bei de» kurzen Formen der kaiserlichen Regierungsweise
uno der sprichwörtlichen Willfährigkeit der mitwirkenden gesetzgebenden Gewalten
>» Frankreich im hohen Grade wahrscheinlich, daß die Ewigkeit der Autorrechte
demnächst als Gesetz proclamirt werden wird.

Ist aber die französische Nachdrucksgesetzgebung bei den engen Verkehrs¬
und Eulturbeziehungen. die uns mit Frankreich verknüpfen und bei dem immer¬
hin fühlbaren Einfluß, den die einschlagende Gesetzgebung auf die Literatur
selbst hat, schon an sich für uns wichtig, so gewinnt die in Aussicht stehende
Umgestaltung des bisher giltigen französischen Rechts noch dadurch sür uns an
Bedeutung, daß wir im Begriffe stehen, mit Frankreich einen Vertrag zu schlie¬
ßen, der uns die praktischen Consequenzen der französischen Gesetzgebung noch
ungleich mehr als bisher fühlbar machen wird. Nach Artikel 1 des preußisch-
französischen Vertragsentwurfes zu gegenseitigem Schutze der Autorrechte sollen
die Autoren des einen Landes in dem andern denselben Schutz gegen Be¬
einträchtigung ihrer Werte genießen, als wenn sie ihre Werke zuerst in diesem
andere» Lande veröffentlicht hätten, „jedoch nur so lange, als ihre Rechte in
dem Lande, in welchem die erste Veröffentlichung erfolgte, in Kraft sind".
Hiernach werden vom Jahre 1867 ab, wo die zur Zeit noch gegen den Nach¬
druck unserer Classiker bestehenden Bundcsprivilegicn wegfallen, die Werke
Goethes, Schillers. Lessings u. A. in. in Frankreich ungestraft vervielfältigt
und nach Deutschland erpvrtirt werden dürfen. Dagegen wird der deutsche Buch¬
händler die Werke französischer Elassiker — falls inzwischen in Frankreich die
Ewigkeit der Autorrechte proclamirt wird — nicbt vervielfältigen dürfen. Man
sieht daraus, daß die Frage nach der innern Berechtigung und der Zweckmäßig¬
keit dieser von der französischen Gesetzgebung angestrebten Neuerung für uns
keineswegs eine müßige ist.

Unter diesen Umständen ist es von Interesse, die Stimme eines Mannes
zu hören, der wie irgend Einer durch geistige Begabung, Neigung und Beruf
zu einem Urtheile über die hier einschlagenden Fragen befähigt ist und keinen
Widerspruch zu fürchten braucht, wenn er von sich sagt, daß „er nur aus Ehr¬
furcht vor der Wahrheit und aus Gcwissensdraug über den vorliegenden Gegen¬
stand geschrieben" habe. Wir meinen den Philosophen Proudhon, der in seiner
neuesten Broschüre: „Die Uterarischen Majorate". Brüssel. 1862. (Leipzig.
I. I. Weber) die Absicht der französischen Regierung, das den Erfindern, Schrist-


Greujtwle» I. 186g. ^
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0281" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187775"/>
          <p xml:id="ID_1075" prev="#ID_1074"> qcistigeu Eigenthums mit besonderer Vorliebe gepflegt und steht jetzt eben im<lb/>
Begriffe, die letzte Eonsequenz hieraus zu ziehen. Denn nachdem die im Früh¬<lb/>
jahr d, I. in Paris unter dein Vorsitze des StaatsministerS Walewski zusam¬<lb/>
mengetretene Commission trotz der entgegengesetzten Resolutionen der in, Jahre<lb/>
t8S8 zu Brüssel und im Jahre 1861 zu Antwerpen abgehaltenen literarischen<lb/>
Evngresse sich mit 18 gegen 4 Stimmen für die Ewigkeit der Autorrechte aus¬<lb/>
gesprochen hat, ist es bei de» kurzen Formen der kaiserlichen Regierungsweise<lb/>
uno der sprichwörtlichen Willfährigkeit der mitwirkenden gesetzgebenden Gewalten<lb/>
&gt;» Frankreich im hohen Grade wahrscheinlich, daß die Ewigkeit der Autorrechte<lb/>
demnächst als Gesetz proclamirt werden wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1076"> Ist aber die französische Nachdrucksgesetzgebung bei den engen Verkehrs¬<lb/>
und Eulturbeziehungen. die uns mit Frankreich verknüpfen und bei dem immer¬<lb/>
hin fühlbaren Einfluß, den die einschlagende Gesetzgebung auf die Literatur<lb/>
selbst hat, schon an sich für uns wichtig, so gewinnt die in Aussicht stehende<lb/>
Umgestaltung des bisher giltigen französischen Rechts noch dadurch sür uns an<lb/>
Bedeutung, daß wir im Begriffe stehen, mit Frankreich einen Vertrag zu schlie¬<lb/>
ßen, der uns die praktischen Consequenzen der französischen Gesetzgebung noch<lb/>
ungleich mehr als bisher fühlbar machen wird. Nach Artikel 1 des preußisch-<lb/>
französischen Vertragsentwurfes zu gegenseitigem Schutze der Autorrechte sollen<lb/>
die Autoren des einen Landes in dem andern denselben Schutz gegen Be¬<lb/>
einträchtigung ihrer Werte genießen, als wenn sie ihre Werke zuerst in diesem<lb/>
andere» Lande veröffentlicht hätten, &#x201E;jedoch nur so lange, als ihre Rechte in<lb/>
dem Lande, in welchem die erste Veröffentlichung erfolgte, in Kraft sind".<lb/>
Hiernach werden vom Jahre 1867 ab, wo die zur Zeit noch gegen den Nach¬<lb/>
druck unserer Classiker bestehenden Bundcsprivilegicn wegfallen, die Werke<lb/>
Goethes, Schillers. Lessings u. A. in. in Frankreich ungestraft vervielfältigt<lb/>
und nach Deutschland erpvrtirt werden dürfen. Dagegen wird der deutsche Buch¬<lb/>
händler die Werke französischer Elassiker &#x2014; falls inzwischen in Frankreich die<lb/>
Ewigkeit der Autorrechte proclamirt wird &#x2014; nicbt vervielfältigen dürfen. Man<lb/>
sieht daraus, daß die Frage nach der innern Berechtigung und der Zweckmäßig¬<lb/>
keit dieser von der französischen Gesetzgebung angestrebten Neuerung für uns<lb/>
keineswegs eine müßige ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1077" next="#ID_1078"> Unter diesen Umständen ist es von Interesse, die Stimme eines Mannes<lb/>
zu hören, der wie irgend Einer durch geistige Begabung, Neigung und Beruf<lb/>
zu einem Urtheile über die hier einschlagenden Fragen befähigt ist und keinen<lb/>
Widerspruch zu fürchten braucht, wenn er von sich sagt, daß &#x201E;er nur aus Ehr¬<lb/>
furcht vor der Wahrheit und aus Gcwissensdraug über den vorliegenden Gegen¬<lb/>
stand geschrieben" habe. Wir meinen den Philosophen Proudhon, der in seiner<lb/>
neuesten Broschüre: &#x201E;Die Uterarischen Majorate". Brüssel. 1862. (Leipzig.<lb/>
I. I. Weber) die Absicht der französischen Regierung, das den Erfindern, Schrist-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Greujtwle» I. 186g. ^</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0281] qcistigeu Eigenthums mit besonderer Vorliebe gepflegt und steht jetzt eben im Begriffe, die letzte Eonsequenz hieraus zu ziehen. Denn nachdem die im Früh¬ jahr d, I. in Paris unter dein Vorsitze des StaatsministerS Walewski zusam¬ mengetretene Commission trotz der entgegengesetzten Resolutionen der in, Jahre t8S8 zu Brüssel und im Jahre 1861 zu Antwerpen abgehaltenen literarischen Evngresse sich mit 18 gegen 4 Stimmen für die Ewigkeit der Autorrechte aus¬ gesprochen hat, ist es bei de» kurzen Formen der kaiserlichen Regierungsweise uno der sprichwörtlichen Willfährigkeit der mitwirkenden gesetzgebenden Gewalten >» Frankreich im hohen Grade wahrscheinlich, daß die Ewigkeit der Autorrechte demnächst als Gesetz proclamirt werden wird. Ist aber die französische Nachdrucksgesetzgebung bei den engen Verkehrs¬ und Eulturbeziehungen. die uns mit Frankreich verknüpfen und bei dem immer¬ hin fühlbaren Einfluß, den die einschlagende Gesetzgebung auf die Literatur selbst hat, schon an sich für uns wichtig, so gewinnt die in Aussicht stehende Umgestaltung des bisher giltigen französischen Rechts noch dadurch sür uns an Bedeutung, daß wir im Begriffe stehen, mit Frankreich einen Vertrag zu schlie¬ ßen, der uns die praktischen Consequenzen der französischen Gesetzgebung noch ungleich mehr als bisher fühlbar machen wird. Nach Artikel 1 des preußisch- französischen Vertragsentwurfes zu gegenseitigem Schutze der Autorrechte sollen die Autoren des einen Landes in dem andern denselben Schutz gegen Be¬ einträchtigung ihrer Werte genießen, als wenn sie ihre Werke zuerst in diesem andere» Lande veröffentlicht hätten, „jedoch nur so lange, als ihre Rechte in dem Lande, in welchem die erste Veröffentlichung erfolgte, in Kraft sind". Hiernach werden vom Jahre 1867 ab, wo die zur Zeit noch gegen den Nach¬ druck unserer Classiker bestehenden Bundcsprivilegicn wegfallen, die Werke Goethes, Schillers. Lessings u. A. in. in Frankreich ungestraft vervielfältigt und nach Deutschland erpvrtirt werden dürfen. Dagegen wird der deutsche Buch¬ händler die Werke französischer Elassiker — falls inzwischen in Frankreich die Ewigkeit der Autorrechte proclamirt wird — nicbt vervielfältigen dürfen. Man sieht daraus, daß die Frage nach der innern Berechtigung und der Zweckmäßig¬ keit dieser von der französischen Gesetzgebung angestrebten Neuerung für uns keineswegs eine müßige ist. Unter diesen Umständen ist es von Interesse, die Stimme eines Mannes zu hören, der wie irgend Einer durch geistige Begabung, Neigung und Beruf zu einem Urtheile über die hier einschlagenden Fragen befähigt ist und keinen Widerspruch zu fürchten braucht, wenn er von sich sagt, daß „er nur aus Ehr¬ furcht vor der Wahrheit und aus Gcwissensdraug über den vorliegenden Gegen¬ stand geschrieben" habe. Wir meinen den Philosophen Proudhon, der in seiner neuesten Broschüre: „Die Uterarischen Majorate". Brüssel. 1862. (Leipzig. I. I. Weber) die Absicht der französischen Regierung, das den Erfindern, Schrist- Greujtwle» I. 186g. ^

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/281
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/281>, abgerufen am 28.07.2024.