Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.mit solcher Schriftstellerei befaßten. Auch von Lysias ist es bekannt, daß er Bei Abfassung der Reden mußte aber je nach der Beschaffenheit des Falles 3*
mit solcher Schriftstellerei befaßten. Auch von Lysias ist es bekannt, daß er Bei Abfassung der Reden mußte aber je nach der Beschaffenheit des Falles 3*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0027" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187521"/> <p xml:id="ID_61" prev="#ID_60"> mit solcher Schriftstellerei befaßten. Auch von Lysias ist es bekannt, daß er<lb/> dnrch den unter der Herrschaft der dreißig Tyrannen erlittenen Verlust seines<lb/> Vermögens gezwungen war, sein Talent den gerichtlichen Parteien zu widmen<lb/> und sein Schüler Jscius that dasselbe. Ferner machte auch Demosthenes keine<lb/> Ausnahme von der herrschenden Gewohnheit, sondern, da er von seinen<lb/> untreuen Vormündern um sein Erbtheil betrogen worden und von allen Mit¬<lb/> teln entblößt war, wucherte er mit seinen herrlichen Gaben und trieb das Ge¬<lb/> schäft der „Logvgraphie". Sein Freund Aeschines nennt ihn einen treulosen<lb/> Redcnmacher, der sür und gegen befreundete Personen geschrieben und die für<lb/> die eine Partei gefertigte Rede an die andere verrathen habe: eine Beschul¬<lb/> digung, die freilich bei dem Charakter des Aeschines wenig Glauben verdient.<lb/> Fast gleichzeitig erwarb sich ein beträchtliches Vermögen der Korinthier Dinarch,<lb/> von dem der Pseudoplutarch schreibt: „Ein Freund Kassandcrs geworden,<lb/> wurde er sehr wohlhabend, indem er Geld für die Reden einnahm, welche er<lb/> für Proccssircnde schrieb, und ohne öffentlich aufzutreten (denn er war es nicht<lb/> im Stande) wurde er deshalb den berühmtesten Rednern gleichgestellt." Daß<lb/> es übrigens auch außerhalb Attitas vorkam, daß man sich auswendig gelern¬<lb/> er fremder Reden bediente, zeigt Lysanders Beispiel, der, von Erbitterung<lb/> gegen Agcsilaos getrieben, mit dem Plane umging, das erbliche Königthum<lb/> in Sparta zu stürzen und sich zu einem darauf bezüglichen Antrage eine Rede<lb/> von Klcon aus Halikarnaß ausarbeiten ließ. Nach seinem Tode wurde die¬<lb/> selbe bei einer Nachsuchung im Hause gefunden. Agesilaos wollte sie auch<lb/> veröffentlichen, wurde aber davon abgehalten, weil man sich vor der Kraft und<lb/> Eindringlichkeit derselben fürchtete. Zuweilen konnte es sogar beredten Män¬<lb/> nern Geld einbringen, wenn sie schwiegen, anstatt zu reden; darauf scheint<lb/> sich wenigstens zu beziehen, was Aristophanes den Blcpsidemos zu dem plötz¬<lb/> lich reich gewordenen Chrcmylvs sagen läßt: „O Freund, den Handel will<lb/> ich schon mit Wenigem Dir völlig abthun, ehe davon die Stadt hört: das<lb/> Maul den Rednern nur verstopft mit Groschen!"</p><lb/> <p xml:id="ID_62" next="#ID_63"> Bei Abfassung der Reden mußte aber je nach der Beschaffenheit des Falles<lb/> ein gewisses Maß der Länge beobachtet werden, da die Redner in den Gerichts¬<lb/> höfen ihre bestimmte Zeit zugemessen bekamen. Es geschah dies vermittelst der<lb/> Klepsydra, einer sehr einfach construirten Maschine, in welcher das in ein oberes<lb/> Gefäß gegossene Wasser dnrch den siebähnlichcn Boden desselben in ein darunter<lb/> befindliches zweites herabsickerte. Während der Vorlesung von Gesetzesstellcn und<lb/> D ocumcnten und während der Abhörung der Zeugen ließ sich der Redende durch<lb/> einen bei der Klepsydra stehenden Subalternbeamten den Abfluß des Wasser-<lb/> hcmmen. Von der verschiedenen Quantität des Wassers bekommt man eine<lb/> Vorstellung, wenn man findet, daß in dem Processe wegen Gesandtschaftsver¬<lb/> rath, der zwischen Demosthenes und Aeschines geführt wurde, jede Partei elf</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 3*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0027]
mit solcher Schriftstellerei befaßten. Auch von Lysias ist es bekannt, daß er
dnrch den unter der Herrschaft der dreißig Tyrannen erlittenen Verlust seines
Vermögens gezwungen war, sein Talent den gerichtlichen Parteien zu widmen
und sein Schüler Jscius that dasselbe. Ferner machte auch Demosthenes keine
Ausnahme von der herrschenden Gewohnheit, sondern, da er von seinen
untreuen Vormündern um sein Erbtheil betrogen worden und von allen Mit¬
teln entblößt war, wucherte er mit seinen herrlichen Gaben und trieb das Ge¬
schäft der „Logvgraphie". Sein Freund Aeschines nennt ihn einen treulosen
Redcnmacher, der sür und gegen befreundete Personen geschrieben und die für
die eine Partei gefertigte Rede an die andere verrathen habe: eine Beschul¬
digung, die freilich bei dem Charakter des Aeschines wenig Glauben verdient.
Fast gleichzeitig erwarb sich ein beträchtliches Vermögen der Korinthier Dinarch,
von dem der Pseudoplutarch schreibt: „Ein Freund Kassandcrs geworden,
wurde er sehr wohlhabend, indem er Geld für die Reden einnahm, welche er
für Proccssircnde schrieb, und ohne öffentlich aufzutreten (denn er war es nicht
im Stande) wurde er deshalb den berühmtesten Rednern gleichgestellt." Daß
es übrigens auch außerhalb Attitas vorkam, daß man sich auswendig gelern¬
er fremder Reden bediente, zeigt Lysanders Beispiel, der, von Erbitterung
gegen Agcsilaos getrieben, mit dem Plane umging, das erbliche Königthum
in Sparta zu stürzen und sich zu einem darauf bezüglichen Antrage eine Rede
von Klcon aus Halikarnaß ausarbeiten ließ. Nach seinem Tode wurde die¬
selbe bei einer Nachsuchung im Hause gefunden. Agesilaos wollte sie auch
veröffentlichen, wurde aber davon abgehalten, weil man sich vor der Kraft und
Eindringlichkeit derselben fürchtete. Zuweilen konnte es sogar beredten Män¬
nern Geld einbringen, wenn sie schwiegen, anstatt zu reden; darauf scheint
sich wenigstens zu beziehen, was Aristophanes den Blcpsidemos zu dem plötz¬
lich reich gewordenen Chrcmylvs sagen läßt: „O Freund, den Handel will
ich schon mit Wenigem Dir völlig abthun, ehe davon die Stadt hört: das
Maul den Rednern nur verstopft mit Groschen!"
Bei Abfassung der Reden mußte aber je nach der Beschaffenheit des Falles
ein gewisses Maß der Länge beobachtet werden, da die Redner in den Gerichts¬
höfen ihre bestimmte Zeit zugemessen bekamen. Es geschah dies vermittelst der
Klepsydra, einer sehr einfach construirten Maschine, in welcher das in ein oberes
Gefäß gegossene Wasser dnrch den siebähnlichcn Boden desselben in ein darunter
befindliches zweites herabsickerte. Während der Vorlesung von Gesetzesstellcn und
D ocumcnten und während der Abhörung der Zeugen ließ sich der Redende durch
einen bei der Klepsydra stehenden Subalternbeamten den Abfluß des Wasser-
hcmmen. Von der verschiedenen Quantität des Wassers bekommt man eine
Vorstellung, wenn man findet, daß in dem Processe wegen Gesandtschaftsver¬
rath, der zwischen Demosthenes und Aeschines geführt wurde, jede Partei elf
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