Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.einandergelegt, diese in rhythmische Beziehung gesetzt und über das Ganze die Und dennoch: nicht blos war schon alsbald nach dem Tode Raphaels Und Kaulbach? Wird er die Klippe umgangen haben, an der Raphael einandergelegt, diese in rhythmische Beziehung gesetzt und über das Ganze die Und dennoch: nicht blos war schon alsbald nach dem Tode Raphaels Und Kaulbach? Wird er die Klippe umgangen haben, an der Raphael <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0260" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187754"/> <p xml:id="ID_1007" prev="#ID_1006"> einandergelegt, diese in rhythmische Beziehung gesetzt und über das Ganze die<lb/> eigenthümliche Stimmung, gleichsam den Hauch geistigen Lebens ausgebreitet hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1008"> Und dennoch: nicht blos war schon alsbald nach dem Tode Raphaels<lb/> das Verständniß des Bildes ganz verloren, wie aus Vasari sowohl als aus<lb/> dem Kupferstich des Giorgio Mantuano (die Unterschrift legte es als eine Dar¬<lb/> stellung der Predigt des Apostel Paulus in Athen aus) von 1SS0 erhellt, nicht<lb/> blos schwanken auch heutigen Tages noch die Erklärungen, von denen die eine<lb/> am liebsten den vollständigen Entwickelungsgang der griechischen Philosophie<lb/> herauslesen möchte; sondern — und das ist das Schlimme — der Beschauer<lb/> muß, wenn er ehrlich und vom Interesse für den Inhalt nicht befangen ist, sich<lb/> gestehen, daß ihn die Totalwirkung als Ausdruck eben dieses Inhalts kalt<lb/> läßt. Dieser gehört nun einmal dem Reiche des Gedankens an, und Raphael<lb/> mußte zur symbolischen Geberde greifen, um auszudrücken, was seine Personen<lb/> bewegt. Ein solches Geberdenspiel aber, statt den Ausdruck des natürlichen<lb/> Lebens zu steigern, hebt ihn vielmehr durch den Zusatz des Künstlicher und<lb/> Gemachtem wieder auf: die vorgeführten Gestalten treiben dies Wesen nur<lb/> scheinbar, und der Eindruck geht verloren. Auch die ideale Welt, die uns der<lb/> Künstler aus seinem Geiste aufbaut, muß Wirten wie die Natur und daher den<lb/> vollen Wurf des Lebens haben: was sollen aber diese Figuren, die in den<lb/> unbequemsten Stellungen mathematische Probleme lösen, an Säulen gelehnt<lb/> auf den Knieen schreiben, auf man weiß nicht woher geholte Steinblöcke sich<lb/> stützen? Die mit einem erhobenen Arm die Macht der Idee, mit einem zur<lb/> Erde gestreckten die der Wirklichkeit beweisen? So unbequem, so zubereitet, so<lb/> hergerichtet, lebt sichs hoffentlich im Reich der Geister nicht. Die Seele,<lb/> welche diese Welt treibt, kann eben der Maier nicht packen. Er sucht sie zu be¬<lb/> schreiben, anzudeuten, in diese oder jene Bewegung zu fassen; doch der leicht¬<lb/> geflügelte Gedanke ist seinen Händen schon entschlüpft, da er eben meint, ihn<lb/> festzuhalten, und der Beschauer erwartet nun vergebens, daß er ihm belebend<lb/> aus dem Bilde entgegenschlage. Wie ganz anders wirkt da die Vertreibung<lb/> des Heliodor, in welcher der Künstler den lebendigen Moment der Handlung<lb/> ganz in seine Gestalten goß! Indessen, nicht zu vergessen: man kann dennoch<lb/> an der Schule von Athen seine Freude haben, wenn man sich an die Voll¬<lb/> endung der Körper, den Reiz des Malerischen, den Rhythmus der Linien hält.<lb/> Auch da, wo ein Raphael nicht das Höchste erreichte, weil er den vollen Ein¬<lb/> klang der Erscheinung mit ihrem innern Leben nicht zu fassen vermochte,<lb/> wirkt noch die Meisterschaft der äußeren Darstellung. Und dann sind es doch<lb/> immer Menschen von einem großen Schnitt, wahrhaft schöne Gestalten, die er<lb/> uns vorführt, während durch die Klarheit und das Ebenmaß der monumentalen<lb/> Anordnung auch das Ganze nicht ohne Wirkung bleibt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1009" next="#ID_1010"> Und Kaulbach? Wird er die Klippe umgangen haben, an der Raphael</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0260]
einandergelegt, diese in rhythmische Beziehung gesetzt und über das Ganze die
eigenthümliche Stimmung, gleichsam den Hauch geistigen Lebens ausgebreitet hat.
Und dennoch: nicht blos war schon alsbald nach dem Tode Raphaels
das Verständniß des Bildes ganz verloren, wie aus Vasari sowohl als aus
dem Kupferstich des Giorgio Mantuano (die Unterschrift legte es als eine Dar¬
stellung der Predigt des Apostel Paulus in Athen aus) von 1SS0 erhellt, nicht
blos schwanken auch heutigen Tages noch die Erklärungen, von denen die eine
am liebsten den vollständigen Entwickelungsgang der griechischen Philosophie
herauslesen möchte; sondern — und das ist das Schlimme — der Beschauer
muß, wenn er ehrlich und vom Interesse für den Inhalt nicht befangen ist, sich
gestehen, daß ihn die Totalwirkung als Ausdruck eben dieses Inhalts kalt
läßt. Dieser gehört nun einmal dem Reiche des Gedankens an, und Raphael
mußte zur symbolischen Geberde greifen, um auszudrücken, was seine Personen
bewegt. Ein solches Geberdenspiel aber, statt den Ausdruck des natürlichen
Lebens zu steigern, hebt ihn vielmehr durch den Zusatz des Künstlicher und
Gemachtem wieder auf: die vorgeführten Gestalten treiben dies Wesen nur
scheinbar, und der Eindruck geht verloren. Auch die ideale Welt, die uns der
Künstler aus seinem Geiste aufbaut, muß Wirten wie die Natur und daher den
vollen Wurf des Lebens haben: was sollen aber diese Figuren, die in den
unbequemsten Stellungen mathematische Probleme lösen, an Säulen gelehnt
auf den Knieen schreiben, auf man weiß nicht woher geholte Steinblöcke sich
stützen? Die mit einem erhobenen Arm die Macht der Idee, mit einem zur
Erde gestreckten die der Wirklichkeit beweisen? So unbequem, so zubereitet, so
hergerichtet, lebt sichs hoffentlich im Reich der Geister nicht. Die Seele,
welche diese Welt treibt, kann eben der Maier nicht packen. Er sucht sie zu be¬
schreiben, anzudeuten, in diese oder jene Bewegung zu fassen; doch der leicht¬
geflügelte Gedanke ist seinen Händen schon entschlüpft, da er eben meint, ihn
festzuhalten, und der Beschauer erwartet nun vergebens, daß er ihm belebend
aus dem Bilde entgegenschlage. Wie ganz anders wirkt da die Vertreibung
des Heliodor, in welcher der Künstler den lebendigen Moment der Handlung
ganz in seine Gestalten goß! Indessen, nicht zu vergessen: man kann dennoch
an der Schule von Athen seine Freude haben, wenn man sich an die Voll¬
endung der Körper, den Reiz des Malerischen, den Rhythmus der Linien hält.
Auch da, wo ein Raphael nicht das Höchste erreichte, weil er den vollen Ein¬
klang der Erscheinung mit ihrem innern Leben nicht zu fassen vermochte,
wirkt noch die Meisterschaft der äußeren Darstellung. Und dann sind es doch
immer Menschen von einem großen Schnitt, wahrhaft schöne Gestalten, die er
uns vorführt, während durch die Klarheit und das Ebenmaß der monumentalen
Anordnung auch das Ganze nicht ohne Wirkung bleibt.
Und Kaulbach? Wird er die Klippe umgangen haben, an der Raphael
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