Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

können, den Juden zu überlisten. Oft mit Glück, etwa wie in folgender
Geschichte.

Jasz hat dem Jtzig eines von zwei Schafen gestohlen. Während dieser
mit dem andern heimtreibt, wo er noch ein drittes hat, hört er das entwendete
blöken; er bindet sein Thier fest und folgt der Stimme, die ihn immer tiefer
in den Wald lockt und zuletzt verstummt, weil Jasz, in welchem der Leser den
Blökenden errathen hat, nun zurückeilt, um das andere Schaf zu entführen.
Er weiß, daß Jtzig morgen mit dem dritten dieselbe Straße kommen werde.
Darum wirft er zwei Schuhe an den Weg; erst einen recht schlechten; weiterhin
einen bessern.

Der Jude kommt, besteht den ersten Schuh und straft ihn mit Verachtung;
als er aber den brauchbaren findet, gewinnt der verschmähte neuen Werth, und
während Jtzig nach diesem zurückgeht, gelangt das allein gelassene dritte Schaf
in den Besitz des verschlagenen Jasz.

So neckt der Bolkswitz den Juden.

Ich habe aber die vorausbezablte Wolle selbst gesehen, welche voriges
Jahr eine polnische Edelfrau dem jüdischen Käufer in so schweren Säcken, über¬
haupt mit so viel Tara sandte, daß der Betrogene obrigkeitliche Hülfe gesucht
hätte, wenn er nicht hätte die Rache des ganzen Adels der Gegend fürchten
müssen. Ich berufe mich schließlich auf August Wilkoüökis "Schmieralien"
vergl. p. 30 31.

Unsere Juden sind über Land und Stadt verstreut; in den Dörfern sind
sie besonders Schenkwirthe. in den Städten treiben sie auch Handwerke. Sie
sind namentlich Schlächter. Kürschner. Glaser und Schneider; letztere Gewerbe
vereinigen sie. Viele von ihnen ziehen als Haustrschneider, gewöhnlich von
einem halbwüchsigen Jungen begleitet, auf die Dörfer und arbeiten dort ganz
wie in Berlin die "Schncidcrmamsells".

Auffallend ist der Zug des Juden, selbst an's Licht zu kommen, ein klarer
Beweis, daß ihre völlige Emancipation das beste Mittel wäre, sie für die
Gesellschaft unschädlich zu machen. Sie drängen an die Grenzen; Kempen und
Schwerin a/W. sind verhältnißmäßig am stärksten von ihnen bevölkert.

Jetzt würde es sich hübsch machen, diesen Ungläubigen den polnischen
Geistlichen entgegenzustelle". Da wir aber eigentlich keine solchen kennen, sondern
nur predigende Agitatoren, so wollen wir von diesen Herren erst im sechsten
Briefe reden. Es bleibt mir also nur noch übrig, Sie auf die alten Kirchen von
Gnesen, Inowraclaw, Kruscbwitz und Krone, auf die noch älteren, vielleicht
ältesten halb gothischen Dome zu Bischcwo bei Poln.- Krone und zu Lekno bei
Wongrowicc. die merkwürdiger Weise Nebeutirchen geworden sind, aufmerksam
zu machU. Dann mochte ich Ihnen noch die alten Schlösser zu Czarnitau,
U66. Bromberg, Ratel und Dziekanowic nennen. Letzteres auf dem Lemna-


können, den Juden zu überlisten. Oft mit Glück, etwa wie in folgender
Geschichte.

Jasz hat dem Jtzig eines von zwei Schafen gestohlen. Während dieser
mit dem andern heimtreibt, wo er noch ein drittes hat, hört er das entwendete
blöken; er bindet sein Thier fest und folgt der Stimme, die ihn immer tiefer
in den Wald lockt und zuletzt verstummt, weil Jasz, in welchem der Leser den
Blökenden errathen hat, nun zurückeilt, um das andere Schaf zu entführen.
Er weiß, daß Jtzig morgen mit dem dritten dieselbe Straße kommen werde.
Darum wirft er zwei Schuhe an den Weg; erst einen recht schlechten; weiterhin
einen bessern.

Der Jude kommt, besteht den ersten Schuh und straft ihn mit Verachtung;
als er aber den brauchbaren findet, gewinnt der verschmähte neuen Werth, und
während Jtzig nach diesem zurückgeht, gelangt das allein gelassene dritte Schaf
in den Besitz des verschlagenen Jasz.

So neckt der Bolkswitz den Juden.

Ich habe aber die vorausbezablte Wolle selbst gesehen, welche voriges
Jahr eine polnische Edelfrau dem jüdischen Käufer in so schweren Säcken, über¬
haupt mit so viel Tara sandte, daß der Betrogene obrigkeitliche Hülfe gesucht
hätte, wenn er nicht hätte die Rache des ganzen Adels der Gegend fürchten
müssen. Ich berufe mich schließlich auf August Wilkoüökis „Schmieralien"
vergl. p. 30 31.

Unsere Juden sind über Land und Stadt verstreut; in den Dörfern sind
sie besonders Schenkwirthe. in den Städten treiben sie auch Handwerke. Sie
sind namentlich Schlächter. Kürschner. Glaser und Schneider; letztere Gewerbe
vereinigen sie. Viele von ihnen ziehen als Haustrschneider, gewöhnlich von
einem halbwüchsigen Jungen begleitet, auf die Dörfer und arbeiten dort ganz
wie in Berlin die „Schncidcrmamsells".

Auffallend ist der Zug des Juden, selbst an's Licht zu kommen, ein klarer
Beweis, daß ihre völlige Emancipation das beste Mittel wäre, sie für die
Gesellschaft unschädlich zu machen. Sie drängen an die Grenzen; Kempen und
Schwerin a/W. sind verhältnißmäßig am stärksten von ihnen bevölkert.

Jetzt würde es sich hübsch machen, diesen Ungläubigen den polnischen
Geistlichen entgegenzustelle». Da wir aber eigentlich keine solchen kennen, sondern
nur predigende Agitatoren, so wollen wir von diesen Herren erst im sechsten
Briefe reden. Es bleibt mir also nur noch übrig, Sie auf die alten Kirchen von
Gnesen, Inowraclaw, Kruscbwitz und Krone, auf die noch älteren, vielleicht
ältesten halb gothischen Dome zu Bischcwo bei Poln.- Krone und zu Lekno bei
Wongrowicc. die merkwürdiger Weise Nebeutirchen geworden sind, aufmerksam
zu machU. Dann mochte ich Ihnen noch die alten Schlösser zu Czarnitau,
U66. Bromberg, Ratel und Dziekanowic nennen. Letzteres auf dem Lemna-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0244" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187738"/>
            <p xml:id="ID_956" prev="#ID_955"> können, den Juden zu überlisten. Oft mit Glück, etwa wie in folgender<lb/>
Geschichte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_957"> Jasz hat dem Jtzig eines von zwei Schafen gestohlen. Während dieser<lb/>
mit dem andern heimtreibt, wo er noch ein drittes hat, hört er das entwendete<lb/>
blöken; er bindet sein Thier fest und folgt der Stimme, die ihn immer tiefer<lb/>
in den Wald lockt und zuletzt verstummt, weil Jasz, in welchem der Leser den<lb/>
Blökenden errathen hat, nun zurückeilt, um das andere Schaf zu entführen.<lb/>
Er weiß, daß Jtzig morgen mit dem dritten dieselbe Straße kommen werde.<lb/>
Darum wirft er zwei Schuhe an den Weg; erst einen recht schlechten; weiterhin<lb/>
einen bessern.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_958"> Der Jude kommt, besteht den ersten Schuh und straft ihn mit Verachtung;<lb/>
als er aber den brauchbaren findet, gewinnt der verschmähte neuen Werth, und<lb/>
während Jtzig nach diesem zurückgeht, gelangt das allein gelassene dritte Schaf<lb/>
in den Besitz des verschlagenen Jasz.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_959"> So neckt der Bolkswitz den Juden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_960"> Ich habe aber die vorausbezablte Wolle selbst gesehen, welche voriges<lb/>
Jahr eine polnische Edelfrau dem jüdischen Käufer in so schweren Säcken, über¬<lb/>
haupt mit so viel Tara sandte, daß der Betrogene obrigkeitliche Hülfe gesucht<lb/>
hätte, wenn er nicht hätte die Rache des ganzen Adels der Gegend fürchten<lb/>
müssen. Ich berufe mich schließlich auf August Wilkoüökis &#x201E;Schmieralien"<lb/>
vergl. p. 30 31.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_961"> Unsere Juden sind über Land und Stadt verstreut; in den Dörfern sind<lb/>
sie besonders Schenkwirthe. in den Städten treiben sie auch Handwerke. Sie<lb/>
sind namentlich Schlächter. Kürschner. Glaser und Schneider; letztere Gewerbe<lb/>
vereinigen sie. Viele von ihnen ziehen als Haustrschneider, gewöhnlich von<lb/>
einem halbwüchsigen Jungen begleitet, auf die Dörfer und arbeiten dort ganz<lb/>
wie in Berlin die &#x201E;Schncidcrmamsells".</p><lb/>
            <p xml:id="ID_962"> Auffallend ist der Zug des Juden, selbst an's Licht zu kommen, ein klarer<lb/>
Beweis, daß ihre völlige Emancipation das beste Mittel wäre, sie für die<lb/>
Gesellschaft unschädlich zu machen. Sie drängen an die Grenzen; Kempen und<lb/>
Schwerin a/W. sind verhältnißmäßig am stärksten von ihnen bevölkert.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_963" next="#ID_964"> Jetzt würde es sich hübsch machen, diesen Ungläubigen den polnischen<lb/>
Geistlichen entgegenzustelle». Da wir aber eigentlich keine solchen kennen, sondern<lb/>
nur predigende Agitatoren, so wollen wir von diesen Herren erst im sechsten<lb/>
Briefe reden. Es bleibt mir also nur noch übrig, Sie auf die alten Kirchen von<lb/>
Gnesen, Inowraclaw, Kruscbwitz und Krone, auf die noch älteren, vielleicht<lb/>
ältesten halb gothischen Dome zu Bischcwo bei Poln.- Krone und zu Lekno bei<lb/>
Wongrowicc. die merkwürdiger Weise Nebeutirchen geworden sind, aufmerksam<lb/>
zu machU. Dann mochte ich Ihnen noch die alten Schlösser zu Czarnitau,<lb/>
U66. Bromberg, Ratel und Dziekanowic nennen.  Letzteres auf dem Lemna-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0244] können, den Juden zu überlisten. Oft mit Glück, etwa wie in folgender Geschichte. Jasz hat dem Jtzig eines von zwei Schafen gestohlen. Während dieser mit dem andern heimtreibt, wo er noch ein drittes hat, hört er das entwendete blöken; er bindet sein Thier fest und folgt der Stimme, die ihn immer tiefer in den Wald lockt und zuletzt verstummt, weil Jasz, in welchem der Leser den Blökenden errathen hat, nun zurückeilt, um das andere Schaf zu entführen. Er weiß, daß Jtzig morgen mit dem dritten dieselbe Straße kommen werde. Darum wirft er zwei Schuhe an den Weg; erst einen recht schlechten; weiterhin einen bessern. Der Jude kommt, besteht den ersten Schuh und straft ihn mit Verachtung; als er aber den brauchbaren findet, gewinnt der verschmähte neuen Werth, und während Jtzig nach diesem zurückgeht, gelangt das allein gelassene dritte Schaf in den Besitz des verschlagenen Jasz. So neckt der Bolkswitz den Juden. Ich habe aber die vorausbezablte Wolle selbst gesehen, welche voriges Jahr eine polnische Edelfrau dem jüdischen Käufer in so schweren Säcken, über¬ haupt mit so viel Tara sandte, daß der Betrogene obrigkeitliche Hülfe gesucht hätte, wenn er nicht hätte die Rache des ganzen Adels der Gegend fürchten müssen. Ich berufe mich schließlich auf August Wilkoüökis „Schmieralien" vergl. p. 30 31. Unsere Juden sind über Land und Stadt verstreut; in den Dörfern sind sie besonders Schenkwirthe. in den Städten treiben sie auch Handwerke. Sie sind namentlich Schlächter. Kürschner. Glaser und Schneider; letztere Gewerbe vereinigen sie. Viele von ihnen ziehen als Haustrschneider, gewöhnlich von einem halbwüchsigen Jungen begleitet, auf die Dörfer und arbeiten dort ganz wie in Berlin die „Schncidcrmamsells". Auffallend ist der Zug des Juden, selbst an's Licht zu kommen, ein klarer Beweis, daß ihre völlige Emancipation das beste Mittel wäre, sie für die Gesellschaft unschädlich zu machen. Sie drängen an die Grenzen; Kempen und Schwerin a/W. sind verhältnißmäßig am stärksten von ihnen bevölkert. Jetzt würde es sich hübsch machen, diesen Ungläubigen den polnischen Geistlichen entgegenzustelle». Da wir aber eigentlich keine solchen kennen, sondern nur predigende Agitatoren, so wollen wir von diesen Herren erst im sechsten Briefe reden. Es bleibt mir also nur noch übrig, Sie auf die alten Kirchen von Gnesen, Inowraclaw, Kruscbwitz und Krone, auf die noch älteren, vielleicht ältesten halb gothischen Dome zu Bischcwo bei Poln.- Krone und zu Lekno bei Wongrowicc. die merkwürdiger Weise Nebeutirchen geworden sind, aufmerksam zu machU. Dann mochte ich Ihnen noch die alten Schlösser zu Czarnitau, U66. Bromberg, Ratel und Dziekanowic nennen. Letzteres auf dem Lemna-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/244
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/244>, abgerufen am 27.07.2024.