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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Schufte und Verläumder dastehen wollten. Und sie kamen! Auch Wildauer
kam. Noch kurz zuvor hatte er Greuter mit einer Denunciation, welche ihm
Amt und Stelle kosten sollte, bedroht, wenn er mit seiner Anklage fortfahre;
vielleicht mochte er jetzt in der Erinnerung seiner Frankfurter Triumphe denken,
er brauche nur den Mund aufzuthun und seine Gegner müßten erstickt vom
allgemeinen Jubelgeschrei verschwinden.

Lassen Sie mich über die ungeheuer schmachvolle Scene, die erfolgte, schweigen.
Wildauer soll sich dabei ausgenommen Habens wie Einer, dem man das Fleisch
mit glühenden Zangen vom Leibe zwickt. Blaß, verwirrt, niedergeschmettert
verließ er den Saal, wahrend die Anwesenden, erschüttert durch das Gottesgericht
der öffentlichen Meinung, schwer aufathmeten. Nicht blos die politische Ehre,
sondern auch seinen Ruhm als Redner hatte er zurückgelassen; denn nur so
lange sich kein EinWurf gegen ihn erhob, vermochte er zu sprechen, und man
sagte sich nun, daß er von Frankfurt, wenn es dort zu einer Debatte gekommen
wäre, vielleicht einen Orden und Geld (denn das Ministerium ließ ihm für
seine Reise 300 Fi. auszahlen), aber schwerlich Lorbeeren geholt hätte.

Tags darauf trat die Mittelpartei -- seine Partei -- großentheils aus
Beamten bestehend, zusammen. Hier wurde ihm noch das letzte Feigenblatt ab¬
gerissen, so daß er in stummer Blöße abzog. Gerade seine ehemaligen Anhänger
standen ihm nach allen Berichten am ergrimmtesten gegenüber; sie fühlten sich
blamirt, daß sie einen solchen Erbärmlichen als Kandidaten aufgestellt, sie
waren empört, weil er ihnen Mann gegen Mann feierlichst versprochen, seine
Ankläger niederzuwerfen. Doch genug davon. Offiziere, welche ihm früher
ihre Stimmen geben wollten, sollen nach diesen Auftritten versichert haben, es
Vertrage sich nicht mit ihren Begriffen von Ehre, ihn noch zu wählen, nachdem
er die erhobenen schweren Anklagen nicht zu widerlegen vermocht.

So kam es, daß Wildauer bei der letzte" Wahl von 600 nur 10 Stim¬
men erhielt. Das schreckte ihn jedoch nicht ab, am 3. Januar sein Glück in
Rattenberg zu versuchen, freilich siel er auch hier durch. Muth kann man ein
solches Benehmen wohl schwerlich nennen, und was sollen wir zur Frechheit
mancher ministerieller Blätter sagen, die den Thatbestand zu vertuschen streben,
seine Niederlage aus dem Neide der Gegner ableiten und es den Liberalen ver¬
übeln, daß sie ihn nicht dennoch wählten? Wenn ihn der Herr Statthalter zu¬
gleich mit den Abgeordneten des Landtages einlud, so ist das seine Sache.
Wenn man zu Wien bei Staatsmännern den Hautgout liebt und die Gentz
und die Fröbel beruft, immerhin! Nur möge man sich nicht beifallen lassen, sie
einer Partei, welche sich ehrlicher Zwecke bewußt ist und sich mit dem Ministe¬
rium Schmerling, insoweit dieses ehrlich den Fortschritt will, solidarisch ver¬
bunden glaubt, als Kandidaten zu octroyiren und zu schmollen, wenn man sie
sitzen läßt. Wildauer selbst wird von seinen Freunden schlimm bedient, wenn


Schufte und Verläumder dastehen wollten. Und sie kamen! Auch Wildauer
kam. Noch kurz zuvor hatte er Greuter mit einer Denunciation, welche ihm
Amt und Stelle kosten sollte, bedroht, wenn er mit seiner Anklage fortfahre;
vielleicht mochte er jetzt in der Erinnerung seiner Frankfurter Triumphe denken,
er brauche nur den Mund aufzuthun und seine Gegner müßten erstickt vom
allgemeinen Jubelgeschrei verschwinden.

Lassen Sie mich über die ungeheuer schmachvolle Scene, die erfolgte, schweigen.
Wildauer soll sich dabei ausgenommen Habens wie Einer, dem man das Fleisch
mit glühenden Zangen vom Leibe zwickt. Blaß, verwirrt, niedergeschmettert
verließ er den Saal, wahrend die Anwesenden, erschüttert durch das Gottesgericht
der öffentlichen Meinung, schwer aufathmeten. Nicht blos die politische Ehre,
sondern auch seinen Ruhm als Redner hatte er zurückgelassen; denn nur so
lange sich kein EinWurf gegen ihn erhob, vermochte er zu sprechen, und man
sagte sich nun, daß er von Frankfurt, wenn es dort zu einer Debatte gekommen
wäre, vielleicht einen Orden und Geld (denn das Ministerium ließ ihm für
seine Reise 300 Fi. auszahlen), aber schwerlich Lorbeeren geholt hätte.

Tags darauf trat die Mittelpartei — seine Partei — großentheils aus
Beamten bestehend, zusammen. Hier wurde ihm noch das letzte Feigenblatt ab¬
gerissen, so daß er in stummer Blöße abzog. Gerade seine ehemaligen Anhänger
standen ihm nach allen Berichten am ergrimmtesten gegenüber; sie fühlten sich
blamirt, daß sie einen solchen Erbärmlichen als Kandidaten aufgestellt, sie
waren empört, weil er ihnen Mann gegen Mann feierlichst versprochen, seine
Ankläger niederzuwerfen. Doch genug davon. Offiziere, welche ihm früher
ihre Stimmen geben wollten, sollen nach diesen Auftritten versichert haben, es
Vertrage sich nicht mit ihren Begriffen von Ehre, ihn noch zu wählen, nachdem
er die erhobenen schweren Anklagen nicht zu widerlegen vermocht.

So kam es, daß Wildauer bei der letzte» Wahl von 600 nur 10 Stim¬
men erhielt. Das schreckte ihn jedoch nicht ab, am 3. Januar sein Glück in
Rattenberg zu versuchen, freilich siel er auch hier durch. Muth kann man ein
solches Benehmen wohl schwerlich nennen, und was sollen wir zur Frechheit
mancher ministerieller Blätter sagen, die den Thatbestand zu vertuschen streben,
seine Niederlage aus dem Neide der Gegner ableiten und es den Liberalen ver¬
übeln, daß sie ihn nicht dennoch wählten? Wenn ihn der Herr Statthalter zu¬
gleich mit den Abgeordneten des Landtages einlud, so ist das seine Sache.
Wenn man zu Wien bei Staatsmännern den Hautgout liebt und die Gentz
und die Fröbel beruft, immerhin! Nur möge man sich nicht beifallen lassen, sie
einer Partei, welche sich ehrlicher Zwecke bewußt ist und sich mit dem Ministe¬
rium Schmerling, insoweit dieses ehrlich den Fortschritt will, solidarisch ver¬
bunden glaubt, als Kandidaten zu octroyiren und zu schmollen, wenn man sie
sitzen läßt. Wildauer selbst wird von seinen Freunden schlimm bedient, wenn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/237>, abgerufen am 01.09.2024.