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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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ihres eignen Interesses dem Unternehmen des "französischen Kanals"*) Vor¬
schub, so hat Said Paschas Verblendung dem Herrn v. Lesseps noch weit
wichtigere Zugeständnisse gemacht. Der Vicekönig hat mit 85 Millionen Francs
Actien für mehr als die Hälfte der Summe genommen, welche jener für die
Vollendung des Unternehmens beanspruchte, und hiervon bereits sehr bedeutende
Beträge theils in Baarem. theils auf andere Weise eingezahlt, und so wird
an dem Kanal zwar unter französischer Leitung, aber großentheils mit ägyp¬
tischem Gelde gearbeitet. Die Direction verwendet letzteres ganz nach eignem
Ermessen. Sie ist nur der Generalversammlung der Actionäre, die in Paris
stattzufinden hat, Rechenschaft schuldig. Auch das gerichtliche Dominik der Ge¬
sellschaft, welches alle dieselben betreffenden Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden
hat, befindet sich nicht in Aegypten, sondern in Paris. Endlich aber kann
auch die große Masse von Franzosen, welche sich infolge des Unternehmens
im Wadi Tumeilat sowie in Zakazik, Damiette und Port Said angesiedelt
hat, der Regierung Aegyptens keine Freude sein, da diese Fremdlinge laut der
Tractate nicht unter ihrer, sondern unter der Gerichtsbarkeit des französischen
Generalconsulats stehen. Schon jetzt entzieht sich auch ein beträchtlicher Theil der
einheimischen Arbeiter am Kanal auf diesem Wege der Autorität der ägyptischen
Behörden, und in viel höherem Grade wird dies der Fall sein, wenn ein
systematisches Cvlonisativnssystem im Wadi Tumeilat zur Durchführung ge¬
kommen ist.

Und das wird nicht lange auf sich warten lassen. Wie schon angedeutet,
concentrirt sich fast die ganze Thätigkeit der Unternehmer jetzt aus das letztgenannte
Thal, welches sich zwischen Ramses und dem Wirket Timsach (Krokodilsee) hin¬
streckt. Der Kanal zwischen letzterem See und dem Nil ist ziemlich fertig und
damit eine große Strecke Culturland der Bewässerung und BePflanzung zugäng¬
lich gemacht. Beinahe im ganzem Wadi Tumeilat schaltet die Gesellschaft schon
jetzt wie ein unumschränkter Grundherr, auf den neugewonnenen Strecken wird
ihr dasselbe Recht zustehen, und Herr v. Lesseps, die Seele der Gesellschaft, der
Vetter Napoleons des Dritten, wird somit in Aegypten über ein Gebiet ver¬
fügen, welches größer als manches deutsche Herzogthum ist.

Dazu kommt schließlich eine wichtige Frage, welche die Concessionsurkunde
unentschieden gelassen und damit dem Tribunal der Gesellschaft in Paris zur
Entscheidung anheimgestellt hat. Was soll geschehen, wenn Herr v. Lesseps
den Kanal über den Isthmus nicht, wie im Vertrag festgesetzt, binnen sechs
Jahren fertig oder nur theilweise fertig hat? Nach dem Text der Concession
bliebe die Gesellschaft auch in diesem Falle im Genuß der ihr zugesicherten



") Et tur'at el fransauijeh, wie das Kolk in Aegypten sehr richtig das scheinbar t-smo-
politische Unternehmen bezeichnet.

ihres eignen Interesses dem Unternehmen des „französischen Kanals"*) Vor¬
schub, so hat Said Paschas Verblendung dem Herrn v. Lesseps noch weit
wichtigere Zugeständnisse gemacht. Der Vicekönig hat mit 85 Millionen Francs
Actien für mehr als die Hälfte der Summe genommen, welche jener für die
Vollendung des Unternehmens beanspruchte, und hiervon bereits sehr bedeutende
Beträge theils in Baarem. theils auf andere Weise eingezahlt, und so wird
an dem Kanal zwar unter französischer Leitung, aber großentheils mit ägyp¬
tischem Gelde gearbeitet. Die Direction verwendet letzteres ganz nach eignem
Ermessen. Sie ist nur der Generalversammlung der Actionäre, die in Paris
stattzufinden hat, Rechenschaft schuldig. Auch das gerichtliche Dominik der Ge¬
sellschaft, welches alle dieselben betreffenden Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden
hat, befindet sich nicht in Aegypten, sondern in Paris. Endlich aber kann
auch die große Masse von Franzosen, welche sich infolge des Unternehmens
im Wadi Tumeilat sowie in Zakazik, Damiette und Port Said angesiedelt
hat, der Regierung Aegyptens keine Freude sein, da diese Fremdlinge laut der
Tractate nicht unter ihrer, sondern unter der Gerichtsbarkeit des französischen
Generalconsulats stehen. Schon jetzt entzieht sich auch ein beträchtlicher Theil der
einheimischen Arbeiter am Kanal auf diesem Wege der Autorität der ägyptischen
Behörden, und in viel höherem Grade wird dies der Fall sein, wenn ein
systematisches Cvlonisativnssystem im Wadi Tumeilat zur Durchführung ge¬
kommen ist.

Und das wird nicht lange auf sich warten lassen. Wie schon angedeutet,
concentrirt sich fast die ganze Thätigkeit der Unternehmer jetzt aus das letztgenannte
Thal, welches sich zwischen Ramses und dem Wirket Timsach (Krokodilsee) hin¬
streckt. Der Kanal zwischen letzterem See und dem Nil ist ziemlich fertig und
damit eine große Strecke Culturland der Bewässerung und BePflanzung zugäng¬
lich gemacht. Beinahe im ganzem Wadi Tumeilat schaltet die Gesellschaft schon
jetzt wie ein unumschränkter Grundherr, auf den neugewonnenen Strecken wird
ihr dasselbe Recht zustehen, und Herr v. Lesseps, die Seele der Gesellschaft, der
Vetter Napoleons des Dritten, wird somit in Aegypten über ein Gebiet ver¬
fügen, welches größer als manches deutsche Herzogthum ist.

Dazu kommt schließlich eine wichtige Frage, welche die Concessionsurkunde
unentschieden gelassen und damit dem Tribunal der Gesellschaft in Paris zur
Entscheidung anheimgestellt hat. Was soll geschehen, wenn Herr v. Lesseps
den Kanal über den Isthmus nicht, wie im Vertrag festgesetzt, binnen sechs
Jahren fertig oder nur theilweise fertig hat? Nach dem Text der Concession
bliebe die Gesellschaft auch in diesem Falle im Genuß der ihr zugesicherten



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politische Unternehmen bezeichnet.
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[0234] ihres eignen Interesses dem Unternehmen des „französischen Kanals"*) Vor¬ schub, so hat Said Paschas Verblendung dem Herrn v. Lesseps noch weit wichtigere Zugeständnisse gemacht. Der Vicekönig hat mit 85 Millionen Francs Actien für mehr als die Hälfte der Summe genommen, welche jener für die Vollendung des Unternehmens beanspruchte, und hiervon bereits sehr bedeutende Beträge theils in Baarem. theils auf andere Weise eingezahlt, und so wird an dem Kanal zwar unter französischer Leitung, aber großentheils mit ägyp¬ tischem Gelde gearbeitet. Die Direction verwendet letzteres ganz nach eignem Ermessen. Sie ist nur der Generalversammlung der Actionäre, die in Paris stattzufinden hat, Rechenschaft schuldig. Auch das gerichtliche Dominik der Ge¬ sellschaft, welches alle dieselben betreffenden Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden hat, befindet sich nicht in Aegypten, sondern in Paris. Endlich aber kann auch die große Masse von Franzosen, welche sich infolge des Unternehmens im Wadi Tumeilat sowie in Zakazik, Damiette und Port Said angesiedelt hat, der Regierung Aegyptens keine Freude sein, da diese Fremdlinge laut der Tractate nicht unter ihrer, sondern unter der Gerichtsbarkeit des französischen Generalconsulats stehen. Schon jetzt entzieht sich auch ein beträchtlicher Theil der einheimischen Arbeiter am Kanal auf diesem Wege der Autorität der ägyptischen Behörden, und in viel höherem Grade wird dies der Fall sein, wenn ein systematisches Cvlonisativnssystem im Wadi Tumeilat zur Durchführung ge¬ kommen ist. Und das wird nicht lange auf sich warten lassen. Wie schon angedeutet, concentrirt sich fast die ganze Thätigkeit der Unternehmer jetzt aus das letztgenannte Thal, welches sich zwischen Ramses und dem Wirket Timsach (Krokodilsee) hin¬ streckt. Der Kanal zwischen letzterem See und dem Nil ist ziemlich fertig und damit eine große Strecke Culturland der Bewässerung und BePflanzung zugäng¬ lich gemacht. Beinahe im ganzem Wadi Tumeilat schaltet die Gesellschaft schon jetzt wie ein unumschränkter Grundherr, auf den neugewonnenen Strecken wird ihr dasselbe Recht zustehen, und Herr v. Lesseps, die Seele der Gesellschaft, der Vetter Napoleons des Dritten, wird somit in Aegypten über ein Gebiet ver¬ fügen, welches größer als manches deutsche Herzogthum ist. Dazu kommt schließlich eine wichtige Frage, welche die Concessionsurkunde unentschieden gelassen und damit dem Tribunal der Gesellschaft in Paris zur Entscheidung anheimgestellt hat. Was soll geschehen, wenn Herr v. Lesseps den Kanal über den Isthmus nicht, wie im Vertrag festgesetzt, binnen sechs Jahren fertig oder nur theilweise fertig hat? Nach dem Text der Concession bliebe die Gesellschaft auch in diesem Falle im Genuß der ihr zugesicherten ") Et tur'at el fransauijeh, wie das Kolk in Aegypten sehr richtig das scheinbar t-smo- politische Unternehmen bezeichnet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/234>, abgerufen am 27.07.2024.