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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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rungskanal dagegen, welcher, dem Vorgeben des Herrn v. Lesseps zufolge,
nur den Arbeitern ein jenem das nöthige süße Wasser in die Wüste bringen
sollte, in Wahrheit aber ein Speisungskanal für die hier projectirte
französische Colonie ist, geht mit raschen Schritten seiner Vollendung
entgegen.

Die Gegend, welche dieser Süßwasserkanal durchschneidet, gehörte einst,
wie man meint, zu dem Lande Gösen und war noch vor nicht vielen Jahrhun¬
derten einer der bevölkertsten und am besten angebauten Striche des untern
Nilthales. Jetzt ist sie großentheils Wüste, da es ihr in den letzten Zeiten
fast ganz an süßem Wasser mangelte. Der Kanal wird ihr letzteres zuführen
und überdies einen trefflichen Wasserweg bilden, welcher neuen Ansiedlern das
Herkommen und die Verwerthung ihrer Producte wesentlich erleichtern wird.
Auch wenn der Durchstich des Isthmus nicht vollendet werden sollte, wird der
Stutzen dieses Seitenkanals mit süßem Wasser in nichts geschmälert sein. Von
diesem Gesichtspunkt ausgehend, hat Herr v. Lesseps nicht nur mit dem Nebcn-
kanal begonnen, sondern hier für seine Actiengesellschaft -- hinter der, wie
mit Bestimmtheit anzunehmen, sein Vetter, der Kaiser der Franzosen steht --
auch sehr beträchtlichen Grundbesitz an sich gebracht, in dem er weite Strecken
des Wadi Tumeilat, namentlich die früher dem verstorbenen Jlhami Pascha
gehörige Besitzung Ras El Wadi ankaufte. Die Besiedelung dieser Strecken
wird der Actiengesellschaft mit der Zeit zum Vortheil gereichen und im gewissen
Grade auch der ägyptischen Negierung und Bevölkerung Gewinn bringen. Doch
wird der Schaden, den letztere davon haben, selbst wenn der Hauptkanal
ebenfalls zu Stande käme, diesen Nutzen jedenfalls aufwiegen, wo nicht
überwiegen.

Der Hauptkanal quer über den Isthmus würde, um dem Lande selbst
zu nützen, durch belebte Gegenden und an bevölkerten Plätzen vorüberführen
müssen. Er würde aber so, wie er angelegt werden sollte, durch die dürrste
und einsamste Wüste laufen, und so für den innern Handel Aegyptens keine
oder nur geringe Wichtigkeit haben. Der Süßwasserkanal wird der Wüste
allerdings culturfähige Gründe von großer Ausdehnung abgewinnen, aber an
vielen Stellen Aegyptens findet sich noch besseres, leichter für den Ackerbau
ertragfähiz zu machendes Land. Das Unternehmen des Herrn v. Lesseps hat


lieben Arbeiten repräsentirt; auf der Strecke von jenem See bis Suez aber und an den dor¬
tigen Hnfenbauten ist noch gar nichts gethan. Der Hafendamm in Port Said endlich, der
beiläufig unabhängig von der Durchstechung der Landenge als nützlich betrieben werden kann,
ist jetzt etwa zum vierzigsten Theil vollendet. Rechnet man Alles, was in den drei Jahren
seit Beginn der Arbeiten geschehen ist, zusammen, so wird etwa '/"o dessen herauskommen, was
bis zur Eröffnung des Kanals geschehen müßte.

rungskanal dagegen, welcher, dem Vorgeben des Herrn v. Lesseps zufolge,
nur den Arbeitern ein jenem das nöthige süße Wasser in die Wüste bringen
sollte, in Wahrheit aber ein Speisungskanal für die hier projectirte
französische Colonie ist, geht mit raschen Schritten seiner Vollendung
entgegen.

Die Gegend, welche dieser Süßwasserkanal durchschneidet, gehörte einst,
wie man meint, zu dem Lande Gösen und war noch vor nicht vielen Jahrhun¬
derten einer der bevölkertsten und am besten angebauten Striche des untern
Nilthales. Jetzt ist sie großentheils Wüste, da es ihr in den letzten Zeiten
fast ganz an süßem Wasser mangelte. Der Kanal wird ihr letzteres zuführen
und überdies einen trefflichen Wasserweg bilden, welcher neuen Ansiedlern das
Herkommen und die Verwerthung ihrer Producte wesentlich erleichtern wird.
Auch wenn der Durchstich des Isthmus nicht vollendet werden sollte, wird der
Stutzen dieses Seitenkanals mit süßem Wasser in nichts geschmälert sein. Von
diesem Gesichtspunkt ausgehend, hat Herr v. Lesseps nicht nur mit dem Nebcn-
kanal begonnen, sondern hier für seine Actiengesellschaft — hinter der, wie
mit Bestimmtheit anzunehmen, sein Vetter, der Kaiser der Franzosen steht —
auch sehr beträchtlichen Grundbesitz an sich gebracht, in dem er weite Strecken
des Wadi Tumeilat, namentlich die früher dem verstorbenen Jlhami Pascha
gehörige Besitzung Ras El Wadi ankaufte. Die Besiedelung dieser Strecken
wird der Actiengesellschaft mit der Zeit zum Vortheil gereichen und im gewissen
Grade auch der ägyptischen Negierung und Bevölkerung Gewinn bringen. Doch
wird der Schaden, den letztere davon haben, selbst wenn der Hauptkanal
ebenfalls zu Stande käme, diesen Nutzen jedenfalls aufwiegen, wo nicht
überwiegen.

Der Hauptkanal quer über den Isthmus würde, um dem Lande selbst
zu nützen, durch belebte Gegenden und an bevölkerten Plätzen vorüberführen
müssen. Er würde aber so, wie er angelegt werden sollte, durch die dürrste
und einsamste Wüste laufen, und so für den innern Handel Aegyptens keine
oder nur geringe Wichtigkeit haben. Der Süßwasserkanal wird der Wüste
allerdings culturfähige Gründe von großer Ausdehnung abgewinnen, aber an
vielen Stellen Aegyptens findet sich noch besseres, leichter für den Ackerbau
ertragfähiz zu machendes Land. Das Unternehmen des Herrn v. Lesseps hat


lieben Arbeiten repräsentirt; auf der Strecke von jenem See bis Suez aber und an den dor¬
tigen Hnfenbauten ist noch gar nichts gethan. Der Hafendamm in Port Said endlich, der
beiläufig unabhängig von der Durchstechung der Landenge als nützlich betrieben werden kann,
ist jetzt etwa zum vierzigsten Theil vollendet. Rechnet man Alles, was in den drei Jahren
seit Beginn der Arbeiten geschehen ist, zusammen, so wird etwa '/«o dessen herauskommen, was
bis zur Eröffnung des Kanals geschehen müßte.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/232>, abgerufen am 22.11.2024.