Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.Wir meinen damit nicht die Recension Fallmerayers, die in Tischendorfs Ueber die Bedeutung, welche die in Rede stehende Urkunde vom Sinai Im Juli 1855 erschien in Leipzig ein geheimnißvoller Grieche, der sich Wir meinen damit nicht die Recension Fallmerayers, die in Tischendorfs Ueber die Bedeutung, welche die in Rede stehende Urkunde vom Sinai Im Juli 1855 erschien in Leipzig ein geheimnißvoller Grieche, der sich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0212" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187706"/> <p xml:id="ID_835"> Wir meinen damit nicht die Recension Fallmerayers, die in Tischendorfs<lb/> „Reise in den Orient" einen „wahren Abgrund von Gedankenleere, Maßlosigkeit,<lb/> Nichtigkeit und Zerfahrenheit" entdeckte und in dem Verfasser einen „decorirten<lb/> Wanderhelden" erblickte, „den gleichsam von der Schulbank weg die polirtestcn<lb/> Staaten Europas in die Wette mit ihrem Nischan Jftichar behängen/' Wir<lb/> sehen ferner von gewisser Leute Meinungen über die späteren Redeschriften des<lb/> Betreffenden ad, Meinungen, die sehnliches, wenn auch nicht in so unhöflicher<lb/> Form wie der Fragmentist aussprachen. Ebensowenig gedenken wir für jetzt<lb/> die Stimme eines sehr achtungswerthen Gelehrten ausführlich reden zu lassen,<lb/> welche sich vor einiger Zeit in der „Petersburger Zeitung" dahin äußerte, das<lb/> von Tischendorf beanspruchte Verdienst, die sinaitische Handschrift entdeckt zu<lb/> haben, gebühre andern Reisenden. Endlich wollen wir auch diejenigen Gegner<lb/> unseres großen Mannes vorläufig unerwähnt lassen, denen aus dem Orient<lb/> das dunkle Gerücht zu Ohren gedrungen ist, das besagte Manuscript sei der<lb/> russischen Regierung auf wesentlich andere Art gewonnen worden, als Tischen¬<lb/> dorf in seinem neuesten (beiläufig dem Anschein nach mehr für den Petersburger<lb/> Hof als für ein deutsches Publicum berechneten) Reisebuch „Aus dem heiligen<lb/> Lande" mit gesalbten Worten berichtet. Was wir meinen, ist der Angriff auf<lb/> die Aechtheit jener sinaitischen Bibelurkunde, welcher vor Kurzem von dem Grie¬<lb/> chen Simonides ausgegangen ist, und die Stimmen des Zweifels, die infolge<lb/> dessen in der englischen Presse laut geworden sind. Jener ist der obenerwähnte<lb/> bittere Feind unseres Tischendorf, diese sind die respectabeln Gegner.</p><lb/> <p xml:id="ID_836"> Ueber die Bedeutung, welche die in Rede stehende Urkunde vom Sinai<lb/> für die biblische Textkritik beansprucht, brauchen wir hier nicht zu reden, da<lb/> Tischendorf selbst in jenem Rciscbuche, in der Allgemeinen, der Leipziger und,<lb/> irren wir nicht, auch in der Jlluflnrten Zeitung sowie in einer Anzahl ähnlicher<lb/> Blätter mit schönem Eifer Sorge getragen hat, daß die Welt darüber aufgeklärt<lb/> werde. Dagegen müssen wir mit el» paar Worten das Gedächtniß an jenen<lb/> Simonides auffrischen, wozu ein Auszug aus dem in der dritten Anmerkung<lb/> genannten Aufsätze d. Bl. dienen möge.</p><lb/> <p xml:id="ID_837" next="#ID_838"> Im Juli 1855 erschien in Leipzig ein geheimnißvoller Grieche, der sich<lb/> Konstantin Simonides nannte und eine Anzahl seltner Handschriften zu besitzen<lb/> vorgab. Mißtrauische Gemüther hatten darüber ihre Vermuthungen, indeß ge><lb/> lang es jenem. Einiges von seinen Schätzen an die Universität abzusetzen, wie¬<lb/> wohl sich Bedenken erhoben, ob nicht wenigstens ein Theil davon unächt sei.<lb/> Darauf brachte Simonides ein anderes Manuscript hervor: 72 Blätter einer<lb/> Ägyptischen Königsgeschichtc des Alexandriners Uranios. Die Handschrift war<lb/> ein Palimpsest, d. h, ein Pergament, aus welchem die ursprüngliche Schrift<lb/> von spätern Abschreibern bis auf einen bleichen Rest der Züge abgewischt, und<lb/> welches dann von neuem beschrieben worden war. Der Inhalt der zweiten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0212]
Wir meinen damit nicht die Recension Fallmerayers, die in Tischendorfs
„Reise in den Orient" einen „wahren Abgrund von Gedankenleere, Maßlosigkeit,
Nichtigkeit und Zerfahrenheit" entdeckte und in dem Verfasser einen „decorirten
Wanderhelden" erblickte, „den gleichsam von der Schulbank weg die polirtestcn
Staaten Europas in die Wette mit ihrem Nischan Jftichar behängen/' Wir
sehen ferner von gewisser Leute Meinungen über die späteren Redeschriften des
Betreffenden ad, Meinungen, die sehnliches, wenn auch nicht in so unhöflicher
Form wie der Fragmentist aussprachen. Ebensowenig gedenken wir für jetzt
die Stimme eines sehr achtungswerthen Gelehrten ausführlich reden zu lassen,
welche sich vor einiger Zeit in der „Petersburger Zeitung" dahin äußerte, das
von Tischendorf beanspruchte Verdienst, die sinaitische Handschrift entdeckt zu
haben, gebühre andern Reisenden. Endlich wollen wir auch diejenigen Gegner
unseres großen Mannes vorläufig unerwähnt lassen, denen aus dem Orient
das dunkle Gerücht zu Ohren gedrungen ist, das besagte Manuscript sei der
russischen Regierung auf wesentlich andere Art gewonnen worden, als Tischen¬
dorf in seinem neuesten (beiläufig dem Anschein nach mehr für den Petersburger
Hof als für ein deutsches Publicum berechneten) Reisebuch „Aus dem heiligen
Lande" mit gesalbten Worten berichtet. Was wir meinen, ist der Angriff auf
die Aechtheit jener sinaitischen Bibelurkunde, welcher vor Kurzem von dem Grie¬
chen Simonides ausgegangen ist, und die Stimmen des Zweifels, die infolge
dessen in der englischen Presse laut geworden sind. Jener ist der obenerwähnte
bittere Feind unseres Tischendorf, diese sind die respectabeln Gegner.
Ueber die Bedeutung, welche die in Rede stehende Urkunde vom Sinai
für die biblische Textkritik beansprucht, brauchen wir hier nicht zu reden, da
Tischendorf selbst in jenem Rciscbuche, in der Allgemeinen, der Leipziger und,
irren wir nicht, auch in der Jlluflnrten Zeitung sowie in einer Anzahl ähnlicher
Blätter mit schönem Eifer Sorge getragen hat, daß die Welt darüber aufgeklärt
werde. Dagegen müssen wir mit el» paar Worten das Gedächtniß an jenen
Simonides auffrischen, wozu ein Auszug aus dem in der dritten Anmerkung
genannten Aufsätze d. Bl. dienen möge.
Im Juli 1855 erschien in Leipzig ein geheimnißvoller Grieche, der sich
Konstantin Simonides nannte und eine Anzahl seltner Handschriften zu besitzen
vorgab. Mißtrauische Gemüther hatten darüber ihre Vermuthungen, indeß ge>
lang es jenem. Einiges von seinen Schätzen an die Universität abzusetzen, wie¬
wohl sich Bedenken erhoben, ob nicht wenigstens ein Theil davon unächt sei.
Darauf brachte Simonides ein anderes Manuscript hervor: 72 Blätter einer
Ägyptischen Königsgeschichtc des Alexandriners Uranios. Die Handschrift war
ein Palimpsest, d. h, ein Pergament, aus welchem die ursprüngliche Schrift
von spätern Abschreibern bis auf einen bleichen Rest der Züge abgewischt, und
welches dann von neuem beschrieben worden war. Der Inhalt der zweiten
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