Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Zollfreiheit selbst, die sie aufgeben, kam ihnen nur für den directen Verkehr
mit dem Auslande zu Gute, während die vielen Lebensbedürfnisse, die sie und
ihre Gutsangehörigen durch Vermittelung der Kaufleute in den benachbarten
Städten beziehen, von derselben nicht berührt wurden. Der Vortheil der Steuer-
und Zollfreiheit bestand besonders darin, daß sie ihr Vieh an auswärtige
Händler etwas theurer verkaufen konnten. Dies aber auch nur, wenn das
Vieh bis zur Ablieferung jenseits der Grenze an den auswärtigen Händler ihr
Eigenthum blieb. In dieser Bedingung lag der Anlaß zu vielen Fictionen,
Streitigkeiten, fiscalischen Processen und Beschwerden. Die neuen Einrichtungen
schneiden alles dies dadurch ab, daß sie den Export völlig freigeben. Ueber-
dies genießt der ländliche Grundbesitzer bei dem Eingangszoll durch Freigebung
eines gewissen Gewichtes beim Transport auf Landsuhrwcrk und durch Erleich¬
terung der Controle noch manche Vorzüge, welche auch ihren materiellen Werth
haben,

Die "Rostocker Zeitung", welche sich -- allein von allen Organen der
einheimischen Presse -- eingehend mit den Verhandlungen über die Steuer¬
reform beschäftigt und von Anfang an das Grenzzollproject bekämpft hat, findet
den Hauptwerth der auf dem Landtage von 1862 zu Ende geführten Verein¬
barung über eine partielle Steuerreform darin, daß sie das Bedürfniß einer
generellen Steuerreform in ein noch helleres Licht stellt und zugleich auch das
Bestreben neu belebt, zu dieser letzteren zu gelangen. Die Vorbedingung einer
solchen aber ist der constitutionelle Staat und die dazu gehörige Einführung des
Budgetsystems.

Schließlich ist hier noch die Exclusivität hervorzuheben, mit welcher die
Stände sich auf die Berathung des Grenzzollprojects beschränkten, ohne ' den
Antrag auf Anschluß an den zu reconstituirenden deutschen Zollverein, der von
Manecke, ingleichen von der Stadt Schwerin gestellt war, daneben auch nur
in Erwägung zu ziehen. Der Antrag war von Manecke schon in früheren
Jahren wiederholt vorgebracht, aber stets mit größter Kürze von der Landtags¬
versammlung abgefertigt worden. In dem vorliegenden Falle wäre Wohl eine
etwas ernstlichere Beschäftigung mit dem Antrage um so mehr am richtigen
Platze gewesen, als die Frage des Anschlusses an den Zollverein durch den
preußisch-französischen Handelsvertrag für Mecklenburg in eine ganz neue Phase
getreten war, da derselbe die Nhederei und den Handel der nicht zum Zoll¬
verein gehörigen deutschen Staaten in eine sehr üble und gefahrvolle Lage zu
bringen drohet. Dies hinderte jedoch den Landtag nicht, auch diesmal den
Antrag ohne vorgängige Prüfung gleich zu Anfang der Landtagsverhandlungen
im Plenum zur Abstimmung zu bringen und denselben durch Acclamation zu
verwerfen. Der Antragsteller erbat nur einen Tag Aufschub, um die gedruckten
Motive des Antrags, welche er binnen wenigen Stunden von seinem Wohnort


Zollfreiheit selbst, die sie aufgeben, kam ihnen nur für den directen Verkehr
mit dem Auslande zu Gute, während die vielen Lebensbedürfnisse, die sie und
ihre Gutsangehörigen durch Vermittelung der Kaufleute in den benachbarten
Städten beziehen, von derselben nicht berührt wurden. Der Vortheil der Steuer-
und Zollfreiheit bestand besonders darin, daß sie ihr Vieh an auswärtige
Händler etwas theurer verkaufen konnten. Dies aber auch nur, wenn das
Vieh bis zur Ablieferung jenseits der Grenze an den auswärtigen Händler ihr
Eigenthum blieb. In dieser Bedingung lag der Anlaß zu vielen Fictionen,
Streitigkeiten, fiscalischen Processen und Beschwerden. Die neuen Einrichtungen
schneiden alles dies dadurch ab, daß sie den Export völlig freigeben. Ueber-
dies genießt der ländliche Grundbesitzer bei dem Eingangszoll durch Freigebung
eines gewissen Gewichtes beim Transport auf Landsuhrwcrk und durch Erleich¬
terung der Controle noch manche Vorzüge, welche auch ihren materiellen Werth
haben,

Die „Rostocker Zeitung", welche sich — allein von allen Organen der
einheimischen Presse — eingehend mit den Verhandlungen über die Steuer¬
reform beschäftigt und von Anfang an das Grenzzollproject bekämpft hat, findet
den Hauptwerth der auf dem Landtage von 1862 zu Ende geführten Verein¬
barung über eine partielle Steuerreform darin, daß sie das Bedürfniß einer
generellen Steuerreform in ein noch helleres Licht stellt und zugleich auch das
Bestreben neu belebt, zu dieser letzteren zu gelangen. Die Vorbedingung einer
solchen aber ist der constitutionelle Staat und die dazu gehörige Einführung des
Budgetsystems.

Schließlich ist hier noch die Exclusivität hervorzuheben, mit welcher die
Stände sich auf die Berathung des Grenzzollprojects beschränkten, ohne ' den
Antrag auf Anschluß an den zu reconstituirenden deutschen Zollverein, der von
Manecke, ingleichen von der Stadt Schwerin gestellt war, daneben auch nur
in Erwägung zu ziehen. Der Antrag war von Manecke schon in früheren
Jahren wiederholt vorgebracht, aber stets mit größter Kürze von der Landtags¬
versammlung abgefertigt worden. In dem vorliegenden Falle wäre Wohl eine
etwas ernstlichere Beschäftigung mit dem Antrage um so mehr am richtigen
Platze gewesen, als die Frage des Anschlusses an den Zollverein durch den
preußisch-französischen Handelsvertrag für Mecklenburg in eine ganz neue Phase
getreten war, da derselbe die Nhederei und den Handel der nicht zum Zoll¬
verein gehörigen deutschen Staaten in eine sehr üble und gefahrvolle Lage zu
bringen drohet. Dies hinderte jedoch den Landtag nicht, auch diesmal den
Antrag ohne vorgängige Prüfung gleich zu Anfang der Landtagsverhandlungen
im Plenum zur Abstimmung zu bringen und denselben durch Acclamation zu
verwerfen. Der Antragsteller erbat nur einen Tag Aufschub, um die gedruckten
Motive des Antrags, welche er binnen wenigen Stunden von seinem Wohnort


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0194" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187688"/>
            <p xml:id="ID_773" prev="#ID_772"> Zollfreiheit selbst, die sie aufgeben, kam ihnen nur für den directen Verkehr<lb/>
mit dem Auslande zu Gute, während die vielen Lebensbedürfnisse, die sie und<lb/>
ihre Gutsangehörigen durch Vermittelung der Kaufleute in den benachbarten<lb/>
Städten beziehen, von derselben nicht berührt wurden. Der Vortheil der Steuer-<lb/>
und Zollfreiheit bestand besonders darin, daß sie ihr Vieh an auswärtige<lb/>
Händler etwas theurer verkaufen konnten. Dies aber auch nur, wenn das<lb/>
Vieh bis zur Ablieferung jenseits der Grenze an den auswärtigen Händler ihr<lb/>
Eigenthum blieb. In dieser Bedingung lag der Anlaß zu vielen Fictionen,<lb/>
Streitigkeiten, fiscalischen Processen und Beschwerden. Die neuen Einrichtungen<lb/>
schneiden alles dies dadurch ab, daß sie den Export völlig freigeben. Ueber-<lb/>
dies genießt der ländliche Grundbesitzer bei dem Eingangszoll durch Freigebung<lb/>
eines gewissen Gewichtes beim Transport auf Landsuhrwcrk und durch Erleich¬<lb/>
terung der Controle noch manche Vorzüge, welche auch ihren materiellen Werth<lb/>
haben,</p><lb/>
            <p xml:id="ID_774"> Die &#x201E;Rostocker Zeitung", welche sich &#x2014; allein von allen Organen der<lb/>
einheimischen Presse &#x2014; eingehend mit den Verhandlungen über die Steuer¬<lb/>
reform beschäftigt und von Anfang an das Grenzzollproject bekämpft hat, findet<lb/>
den Hauptwerth der auf dem Landtage von 1862 zu Ende geführten Verein¬<lb/>
barung über eine partielle Steuerreform darin, daß sie das Bedürfniß einer<lb/>
generellen Steuerreform in ein noch helleres Licht stellt und zugleich auch das<lb/>
Bestreben neu belebt, zu dieser letzteren zu gelangen. Die Vorbedingung einer<lb/>
solchen aber ist der constitutionelle Staat und die dazu gehörige Einführung des<lb/>
Budgetsystems.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_775" next="#ID_776"> Schließlich ist hier noch die Exclusivität hervorzuheben, mit welcher die<lb/>
Stände sich auf die Berathung des Grenzzollprojects beschränkten, ohne ' den<lb/>
Antrag auf Anschluß an den zu reconstituirenden deutschen Zollverein, der von<lb/>
Manecke, ingleichen von der Stadt Schwerin gestellt war, daneben auch nur<lb/>
in Erwägung zu ziehen. Der Antrag war von Manecke schon in früheren<lb/>
Jahren wiederholt vorgebracht, aber stets mit größter Kürze von der Landtags¬<lb/>
versammlung abgefertigt worden. In dem vorliegenden Falle wäre Wohl eine<lb/>
etwas ernstlichere Beschäftigung mit dem Antrage um so mehr am richtigen<lb/>
Platze gewesen, als die Frage des Anschlusses an den Zollverein durch den<lb/>
preußisch-französischen Handelsvertrag für Mecklenburg in eine ganz neue Phase<lb/>
getreten war, da derselbe die Nhederei und den Handel der nicht zum Zoll¬<lb/>
verein gehörigen deutschen Staaten in eine sehr üble und gefahrvolle Lage zu<lb/>
bringen drohet. Dies hinderte jedoch den Landtag nicht, auch diesmal den<lb/>
Antrag ohne vorgängige Prüfung gleich zu Anfang der Landtagsverhandlungen<lb/>
im Plenum zur Abstimmung zu bringen und denselben durch Acclamation zu<lb/>
verwerfen. Der Antragsteller erbat nur einen Tag Aufschub, um die gedruckten<lb/>
Motive des Antrags, welche er binnen wenigen Stunden von seinem Wohnort</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0194] Zollfreiheit selbst, die sie aufgeben, kam ihnen nur für den directen Verkehr mit dem Auslande zu Gute, während die vielen Lebensbedürfnisse, die sie und ihre Gutsangehörigen durch Vermittelung der Kaufleute in den benachbarten Städten beziehen, von derselben nicht berührt wurden. Der Vortheil der Steuer- und Zollfreiheit bestand besonders darin, daß sie ihr Vieh an auswärtige Händler etwas theurer verkaufen konnten. Dies aber auch nur, wenn das Vieh bis zur Ablieferung jenseits der Grenze an den auswärtigen Händler ihr Eigenthum blieb. In dieser Bedingung lag der Anlaß zu vielen Fictionen, Streitigkeiten, fiscalischen Processen und Beschwerden. Die neuen Einrichtungen schneiden alles dies dadurch ab, daß sie den Export völlig freigeben. Ueber- dies genießt der ländliche Grundbesitzer bei dem Eingangszoll durch Freigebung eines gewissen Gewichtes beim Transport auf Landsuhrwcrk und durch Erleich¬ terung der Controle noch manche Vorzüge, welche auch ihren materiellen Werth haben, Die „Rostocker Zeitung", welche sich — allein von allen Organen der einheimischen Presse — eingehend mit den Verhandlungen über die Steuer¬ reform beschäftigt und von Anfang an das Grenzzollproject bekämpft hat, findet den Hauptwerth der auf dem Landtage von 1862 zu Ende geführten Verein¬ barung über eine partielle Steuerreform darin, daß sie das Bedürfniß einer generellen Steuerreform in ein noch helleres Licht stellt und zugleich auch das Bestreben neu belebt, zu dieser letzteren zu gelangen. Die Vorbedingung einer solchen aber ist der constitutionelle Staat und die dazu gehörige Einführung des Budgetsystems. Schließlich ist hier noch die Exclusivität hervorzuheben, mit welcher die Stände sich auf die Berathung des Grenzzollprojects beschränkten, ohne ' den Antrag auf Anschluß an den zu reconstituirenden deutschen Zollverein, der von Manecke, ingleichen von der Stadt Schwerin gestellt war, daneben auch nur in Erwägung zu ziehen. Der Antrag war von Manecke schon in früheren Jahren wiederholt vorgebracht, aber stets mit größter Kürze von der Landtags¬ versammlung abgefertigt worden. In dem vorliegenden Falle wäre Wohl eine etwas ernstlichere Beschäftigung mit dem Antrage um so mehr am richtigen Platze gewesen, als die Frage des Anschlusses an den Zollverein durch den preußisch-französischen Handelsvertrag für Mecklenburg in eine ganz neue Phase getreten war, da derselbe die Nhederei und den Handel der nicht zum Zoll¬ verein gehörigen deutschen Staaten in eine sehr üble und gefahrvolle Lage zu bringen drohet. Dies hinderte jedoch den Landtag nicht, auch diesmal den Antrag ohne vorgängige Prüfung gleich zu Anfang der Landtagsverhandlungen im Plenum zur Abstimmung zu bringen und denselben durch Acclamation zu verwerfen. Der Antragsteller erbat nur einen Tag Aufschub, um die gedruckten Motive des Antrags, welche er binnen wenigen Stunden von seinem Wohnort

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/194
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/194>, abgerufen am 24.11.2024.