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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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am Markte und bis zehn Schritt von demselben 13 höhere und niedere Wodka-
tempel offen stehen.

Sonst ist nicht viel von Gewerbe zu erzählen. Es sind bei uns 866 Wasser¬
mühlen, 2,67K Bockwindmühlen, 20 solche mit holländischem Werke, 144 von
Thieren gezogen, 33 von Dampf getrieben, im Gange. Der leiztern gibt es
nirgends so wenige wie hier; doch gehört die Herkulcsmühle in Bromberg zu
den großartigsten ihrer Art. Die Windmüllerei machte vordem einen erheblichen
Nahrungszweig unserer Städte aus, und noch jept macht sie alle Anstrengungen,
um den vordringenden Dampfwerken nicht ohne Kampf zu unterliegen. Die
Mühlen stehen massenhaft bei einander, in der Regel alle an derselben Seite
der Stadt, vor welcher sie eine mächtige Brustwehr zu bilden scheinen und dem
Fremden einen gar eigenthümlichen Eindruck machen. Der Heimische kennt sie
und freut sich ihrer, wenn er nach langer Tour über die schneebedeckte Ebene
oder durch böse Wege "zu den Mühlen" kommt und sich so wieder unter mensch¬
lichem Obdach weiß.

Von andern industriellen Unternehmungen können wir 8 Eisenwerke,
2 Frischfeuer, 9 Kugelöfen, 4 Flammöfen, dann 13 Glashütten mit 446 Ar¬
beitern, und 9 Fabriken irdener Waaren anführen. Besonder? gern erwähne
ich die meist sehr gelungenen Arbeiten, die Herr Krzyzanowski zu Posen in
Gußstein ausführt. Ein anderes bedeutendes Etablissement ist die große Fabrik
landwirtschaftlicher Werkzeuge, welche Dr. Cegielski in Posen ins Leben ge¬
rufen hat und an der mehr als zweihundert Arbeiter beschäftigt werden. Der
Chef dieser Anstalt erwirbt sich auch dadurch ein besonderes Verdienst, daß er
die von ihm construirten Maschinen öffentlich ausstellt und Versuche mit ihnen
auch aus offenem Felde gestattet, wodurch die Landwirthe über ihre Brauch¬
barkeit sich ein eignes Urtheil zu bilden vermögen.

Leider bin ich nun ziemlich am Ende. Das Handwerk blüht bei uns noch
nicht. Städte wie Posen und Bromberg haben zwar einen achtungswerthen
und fleißigen Handwerkerstand. In den kleinen Orten fehlt er. Es ist das
helft zu bedauern; denn wenn sich der Pole zu einem Gewerbe entschließt, so
erreicht er bei einiger Sorgfalt in der Regel eine große Gewandtheit darin.
Selten aber will er. Schlechte Schulbildung, Hang zur Trägheit, damit ver.
buntere Abneigung vor dem Wandern und vorzüglich das zeitige Heirathen
halten ihn ab. Meister, ehe er Meisterschaft erlangt hat, vermag er der Con-
currenz der Geschickteren und namentlich des Importes aus Posen und Berlin
nicht zu widerstehen. Er sucht als Obstpächter. Landwirth u. s. w. Neben¬
erwerb und ist bald genug ein darbender Stümper.

Einst war das Alles in unserer Provinz anders. Da standen die Gewerbe,
wenigstens in den deutschen Städten, im höchsten Flor.

Der Reichthum der Stadt Bojanowo lag in der Fabrikation und dem


am Markte und bis zehn Schritt von demselben 13 höhere und niedere Wodka-
tempel offen stehen.

Sonst ist nicht viel von Gewerbe zu erzählen. Es sind bei uns 866 Wasser¬
mühlen, 2,67K Bockwindmühlen, 20 solche mit holländischem Werke, 144 von
Thieren gezogen, 33 von Dampf getrieben, im Gange. Der leiztern gibt es
nirgends so wenige wie hier; doch gehört die Herkulcsmühle in Bromberg zu
den großartigsten ihrer Art. Die Windmüllerei machte vordem einen erheblichen
Nahrungszweig unserer Städte aus, und noch jept macht sie alle Anstrengungen,
um den vordringenden Dampfwerken nicht ohne Kampf zu unterliegen. Die
Mühlen stehen massenhaft bei einander, in der Regel alle an derselben Seite
der Stadt, vor welcher sie eine mächtige Brustwehr zu bilden scheinen und dem
Fremden einen gar eigenthümlichen Eindruck machen. Der Heimische kennt sie
und freut sich ihrer, wenn er nach langer Tour über die schneebedeckte Ebene
oder durch böse Wege „zu den Mühlen" kommt und sich so wieder unter mensch¬
lichem Obdach weiß.

Von andern industriellen Unternehmungen können wir 8 Eisenwerke,
2 Frischfeuer, 9 Kugelöfen, 4 Flammöfen, dann 13 Glashütten mit 446 Ar¬
beitern, und 9 Fabriken irdener Waaren anführen. Besonder? gern erwähne
ich die meist sehr gelungenen Arbeiten, die Herr Krzyzanowski zu Posen in
Gußstein ausführt. Ein anderes bedeutendes Etablissement ist die große Fabrik
landwirtschaftlicher Werkzeuge, welche Dr. Cegielski in Posen ins Leben ge¬
rufen hat und an der mehr als zweihundert Arbeiter beschäftigt werden. Der
Chef dieser Anstalt erwirbt sich auch dadurch ein besonderes Verdienst, daß er
die von ihm construirten Maschinen öffentlich ausstellt und Versuche mit ihnen
auch aus offenem Felde gestattet, wodurch die Landwirthe über ihre Brauch¬
barkeit sich ein eignes Urtheil zu bilden vermögen.

Leider bin ich nun ziemlich am Ende. Das Handwerk blüht bei uns noch
nicht. Städte wie Posen und Bromberg haben zwar einen achtungswerthen
und fleißigen Handwerkerstand. In den kleinen Orten fehlt er. Es ist das
helft zu bedauern; denn wenn sich der Pole zu einem Gewerbe entschließt, so
erreicht er bei einiger Sorgfalt in der Regel eine große Gewandtheit darin.
Selten aber will er. Schlechte Schulbildung, Hang zur Trägheit, damit ver.
buntere Abneigung vor dem Wandern und vorzüglich das zeitige Heirathen
halten ihn ab. Meister, ehe er Meisterschaft erlangt hat, vermag er der Con-
currenz der Geschickteren und namentlich des Importes aus Posen und Berlin
nicht zu widerstehen. Er sucht als Obstpächter. Landwirth u. s. w. Neben¬
erwerb und ist bald genug ein darbender Stümper.

Einst war das Alles in unserer Provinz anders. Da standen die Gewerbe,
wenigstens in den deutschen Städten, im höchsten Flor.

Der Reichthum der Stadt Bojanowo lag in der Fabrikation und dem


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[0140] am Markte und bis zehn Schritt von demselben 13 höhere und niedere Wodka- tempel offen stehen. Sonst ist nicht viel von Gewerbe zu erzählen. Es sind bei uns 866 Wasser¬ mühlen, 2,67K Bockwindmühlen, 20 solche mit holländischem Werke, 144 von Thieren gezogen, 33 von Dampf getrieben, im Gange. Der leiztern gibt es nirgends so wenige wie hier; doch gehört die Herkulcsmühle in Bromberg zu den großartigsten ihrer Art. Die Windmüllerei machte vordem einen erheblichen Nahrungszweig unserer Städte aus, und noch jept macht sie alle Anstrengungen, um den vordringenden Dampfwerken nicht ohne Kampf zu unterliegen. Die Mühlen stehen massenhaft bei einander, in der Regel alle an derselben Seite der Stadt, vor welcher sie eine mächtige Brustwehr zu bilden scheinen und dem Fremden einen gar eigenthümlichen Eindruck machen. Der Heimische kennt sie und freut sich ihrer, wenn er nach langer Tour über die schneebedeckte Ebene oder durch böse Wege „zu den Mühlen" kommt und sich so wieder unter mensch¬ lichem Obdach weiß. Von andern industriellen Unternehmungen können wir 8 Eisenwerke, 2 Frischfeuer, 9 Kugelöfen, 4 Flammöfen, dann 13 Glashütten mit 446 Ar¬ beitern, und 9 Fabriken irdener Waaren anführen. Besonder? gern erwähne ich die meist sehr gelungenen Arbeiten, die Herr Krzyzanowski zu Posen in Gußstein ausführt. Ein anderes bedeutendes Etablissement ist die große Fabrik landwirtschaftlicher Werkzeuge, welche Dr. Cegielski in Posen ins Leben ge¬ rufen hat und an der mehr als zweihundert Arbeiter beschäftigt werden. Der Chef dieser Anstalt erwirbt sich auch dadurch ein besonderes Verdienst, daß er die von ihm construirten Maschinen öffentlich ausstellt und Versuche mit ihnen auch aus offenem Felde gestattet, wodurch die Landwirthe über ihre Brauch¬ barkeit sich ein eignes Urtheil zu bilden vermögen. Leider bin ich nun ziemlich am Ende. Das Handwerk blüht bei uns noch nicht. Städte wie Posen und Bromberg haben zwar einen achtungswerthen und fleißigen Handwerkerstand. In den kleinen Orten fehlt er. Es ist das helft zu bedauern; denn wenn sich der Pole zu einem Gewerbe entschließt, so erreicht er bei einiger Sorgfalt in der Regel eine große Gewandtheit darin. Selten aber will er. Schlechte Schulbildung, Hang zur Trägheit, damit ver. buntere Abneigung vor dem Wandern und vorzüglich das zeitige Heirathen halten ihn ab. Meister, ehe er Meisterschaft erlangt hat, vermag er der Con- currenz der Geschickteren und namentlich des Importes aus Posen und Berlin nicht zu widerstehen. Er sucht als Obstpächter. Landwirth u. s. w. Neben¬ erwerb und ist bald genug ein darbender Stümper. Einst war das Alles in unserer Provinz anders. Da standen die Gewerbe, wenigstens in den deutschen Städten, im höchsten Flor. Der Reichthum der Stadt Bojanowo lag in der Fabrikation und dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/140>, abgerufen am 29.11.2024.