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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Posen-Stargarder-Bahn schneidet. Westpreußen und Schlesien schirmen uns
von Norden und Süden her, während die Neumark unsern Westen begrenzt.
Der ganze Osten öffnet sich nach dem "Königreich" d, i. nach Russisch-Polen.

Die 336 ^Meilen oder IIV2 Millionen Magdeburger Morgen, welche die
Provinz Posen bilden, sind in zwei sehr ungleiche Regierungsbezirke getheilt;
der nördliche, Bromberg, umfaßt nur 214,83 ^Meilen, während der Posener
deren 321,38 ^Meilen mißt. Bei der Einteilung ist nur die Rücksicht gel¬
tend gewesen, zusammengehörige große Gütercomplexe nicht zu zerreißen.

Eine Gebirgsreihe wird Niemanden zu uns führen; wohnen wir doch in
der großen norddeutschen Tiefebene. Aber innerhalb derselben beanspruchen wir
einen gewissen Vorrang, welcher dem Osten derselben wohl auch allgemein
zugesprochen wird. Dieser gehört der uralisch-baltischen Tiefebene an, und
zwar wird gerade unsere Provinz von jener dritten Zone desselben durchzogen,
welche sich durch die merkwürdige Regelmäßigkeit ihrer einzelnen Theile aus¬
zeichnet. Immer sind es je zwei Flüsse, von denen der eine in dieser Ebene
gegen Westen zieht, während der andere mit längerem Lause von Süden ihm
zuströmt. Wie im Osten Narcw und Bug, im Westen Havel und Spree.
Aller und Leine in solchem Laufe gegen einander strömen, so hier Netze und
Warthe. Die Ebene dacht sich von Osten nach Westen zu ab und ist bei uns
schon erheblich flacher als im eigentlichen Stromgebiet der Weichsel; ja der
Nullpunkt des Pegels beim Einfluß der Brahe in die Weichsel erhebt sich nur
80' über den mittleren Stand der Ostsee. Dies ist aber auch der niedrigste
Punkt in unserer Provinz, die trotz alledem an einzelnen Stellen ganz aller¬
liebste Hügelpartien auszuweisen hat. Der Annaberg bei Owinsk an der
Warthe, kaum zwei Meilen unterhalb Posen, erhebt sich bis zu einer Höhe
von 985'. Bei der tiefen Lage des Thales bietet der Hügel, auf welchem der
Grundherr einen hölzernen Thurm errichtet und dessen ganze Umgegend er mit
großem Kostenaufwands parkartig eingerichtet hat, eine reizende, weithin reichende
Aussicht.

Zu den Füßen des Beschauers liegen die Klostergebäude von Owinsk,
jetzt zu einer Irrenanstalt benutzt, ringsum Wald und Feld, weiterhin die
Thürme und Wälle der Hauptstadt; in größerer Ferne die Stargard-Posener
Eisenbahn und endlich, das ganze Thal belebend, die breite Warthe mit ihren
Flößen und Kähnen.

Lieblicher noch und mannigfacher ist die Hügellandschaft bei Gorzyn im Birn¬
baumer Kreise. Ueberhaupt gehört es zu den Vorzügen der Provinz, daß sich
diese kleinen Höhen fast überall gleichmäßig vertheilen. Es ist kaum ein Kreis,
der nicht da oder dort durch eine anmuthige Landschaft überrascht. Selbst aus
dem Sande von Mitostaw erhebt sich der freundliche Weinberg von Winna-
göra. und im Schubiner Kreis, wo der vierspännige Postwagen sich mühsam


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Posen-Stargarder-Bahn schneidet. Westpreußen und Schlesien schirmen uns
von Norden und Süden her, während die Neumark unsern Westen begrenzt.
Der ganze Osten öffnet sich nach dem „Königreich" d, i. nach Russisch-Polen.

Die 336 ^Meilen oder IIV2 Millionen Magdeburger Morgen, welche die
Provinz Posen bilden, sind in zwei sehr ungleiche Regierungsbezirke getheilt;
der nördliche, Bromberg, umfaßt nur 214,83 ^Meilen, während der Posener
deren 321,38 ^Meilen mißt. Bei der Einteilung ist nur die Rücksicht gel¬
tend gewesen, zusammengehörige große Gütercomplexe nicht zu zerreißen.

Eine Gebirgsreihe wird Niemanden zu uns führen; wohnen wir doch in
der großen norddeutschen Tiefebene. Aber innerhalb derselben beanspruchen wir
einen gewissen Vorrang, welcher dem Osten derselben wohl auch allgemein
zugesprochen wird. Dieser gehört der uralisch-baltischen Tiefebene an, und
zwar wird gerade unsere Provinz von jener dritten Zone desselben durchzogen,
welche sich durch die merkwürdige Regelmäßigkeit ihrer einzelnen Theile aus¬
zeichnet. Immer sind es je zwei Flüsse, von denen der eine in dieser Ebene
gegen Westen zieht, während der andere mit längerem Lause von Süden ihm
zuströmt. Wie im Osten Narcw und Bug, im Westen Havel und Spree.
Aller und Leine in solchem Laufe gegen einander strömen, so hier Netze und
Warthe. Die Ebene dacht sich von Osten nach Westen zu ab und ist bei uns
schon erheblich flacher als im eigentlichen Stromgebiet der Weichsel; ja der
Nullpunkt des Pegels beim Einfluß der Brahe in die Weichsel erhebt sich nur
80' über den mittleren Stand der Ostsee. Dies ist aber auch der niedrigste
Punkt in unserer Provinz, die trotz alledem an einzelnen Stellen ganz aller¬
liebste Hügelpartien auszuweisen hat. Der Annaberg bei Owinsk an der
Warthe, kaum zwei Meilen unterhalb Posen, erhebt sich bis zu einer Höhe
von 985'. Bei der tiefen Lage des Thales bietet der Hügel, auf welchem der
Grundherr einen hölzernen Thurm errichtet und dessen ganze Umgegend er mit
großem Kostenaufwands parkartig eingerichtet hat, eine reizende, weithin reichende
Aussicht.

Zu den Füßen des Beschauers liegen die Klostergebäude von Owinsk,
jetzt zu einer Irrenanstalt benutzt, ringsum Wald und Feld, weiterhin die
Thürme und Wälle der Hauptstadt; in größerer Ferne die Stargard-Posener
Eisenbahn und endlich, das ganze Thal belebend, die breite Warthe mit ihren
Flößen und Kähnen.

Lieblicher noch und mannigfacher ist die Hügellandschaft bei Gorzyn im Birn¬
baumer Kreise. Ueberhaupt gehört es zu den Vorzügen der Provinz, daß sich
diese kleinen Höhen fast überall gleichmäßig vertheilen. Es ist kaum ein Kreis,
der nicht da oder dort durch eine anmuthige Landschaft überrascht. Selbst aus
dem Sande von Mitostaw erhebt sich der freundliche Weinberg von Winna-
göra. und im Schubiner Kreis, wo der vierspännige Postwagen sich mühsam


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[0131] Posen-Stargarder-Bahn schneidet. Westpreußen und Schlesien schirmen uns von Norden und Süden her, während die Neumark unsern Westen begrenzt. Der ganze Osten öffnet sich nach dem „Königreich" d, i. nach Russisch-Polen. Die 336 ^Meilen oder IIV2 Millionen Magdeburger Morgen, welche die Provinz Posen bilden, sind in zwei sehr ungleiche Regierungsbezirke getheilt; der nördliche, Bromberg, umfaßt nur 214,83 ^Meilen, während der Posener deren 321,38 ^Meilen mißt. Bei der Einteilung ist nur die Rücksicht gel¬ tend gewesen, zusammengehörige große Gütercomplexe nicht zu zerreißen. Eine Gebirgsreihe wird Niemanden zu uns führen; wohnen wir doch in der großen norddeutschen Tiefebene. Aber innerhalb derselben beanspruchen wir einen gewissen Vorrang, welcher dem Osten derselben wohl auch allgemein zugesprochen wird. Dieser gehört der uralisch-baltischen Tiefebene an, und zwar wird gerade unsere Provinz von jener dritten Zone desselben durchzogen, welche sich durch die merkwürdige Regelmäßigkeit ihrer einzelnen Theile aus¬ zeichnet. Immer sind es je zwei Flüsse, von denen der eine in dieser Ebene gegen Westen zieht, während der andere mit längerem Lause von Süden ihm zuströmt. Wie im Osten Narcw und Bug, im Westen Havel und Spree. Aller und Leine in solchem Laufe gegen einander strömen, so hier Netze und Warthe. Die Ebene dacht sich von Osten nach Westen zu ab und ist bei uns schon erheblich flacher als im eigentlichen Stromgebiet der Weichsel; ja der Nullpunkt des Pegels beim Einfluß der Brahe in die Weichsel erhebt sich nur 80' über den mittleren Stand der Ostsee. Dies ist aber auch der niedrigste Punkt in unserer Provinz, die trotz alledem an einzelnen Stellen ganz aller¬ liebste Hügelpartien auszuweisen hat. Der Annaberg bei Owinsk an der Warthe, kaum zwei Meilen unterhalb Posen, erhebt sich bis zu einer Höhe von 985'. Bei der tiefen Lage des Thales bietet der Hügel, auf welchem der Grundherr einen hölzernen Thurm errichtet und dessen ganze Umgegend er mit großem Kostenaufwands parkartig eingerichtet hat, eine reizende, weithin reichende Aussicht. Zu den Füßen des Beschauers liegen die Klostergebäude von Owinsk, jetzt zu einer Irrenanstalt benutzt, ringsum Wald und Feld, weiterhin die Thürme und Wälle der Hauptstadt; in größerer Ferne die Stargard-Posener Eisenbahn und endlich, das ganze Thal belebend, die breite Warthe mit ihren Flößen und Kähnen. Lieblicher noch und mannigfacher ist die Hügellandschaft bei Gorzyn im Birn¬ baumer Kreise. Ueberhaupt gehört es zu den Vorzügen der Provinz, daß sich diese kleinen Höhen fast überall gleichmäßig vertheilen. Es ist kaum ein Kreis, der nicht da oder dort durch eine anmuthige Landschaft überrascht. Selbst aus dem Sande von Mitostaw erhebt sich der freundliche Weinberg von Winna- göra. und im Schubiner Kreis, wo der vierspännige Postwagen sich mühsam 16"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/131>, abgerufen am 28.07.2024.