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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Colloredo hegte und pflegte die ihm unterstehende Truppe mit wahrhaft
väterlicher Liebe. Durch den hohen Gehalt seiner militärischen Würden, die
Revenuen seiner bedeutenden Besitzungen und vor Allem durch den Genuß sei¬
ner Pfründen als Großkomthur des Malteserordens im Besitze eines immensen
Einkommens, verwendete er dasselbe zum größten Theile für seine Arenia'
rihten. Er erhöhte aus eigenen Mitteln die 'Löhnung der Unterkanoniere (Ge¬
meinen), schaffte goldene Tressen sür die Hüte der Unteroffiziere und Bombar¬
diere an und testirte, damit diese Benesicien seinen Lieblingen auch für die
Zukunft erhalten bleiben möchten, einen großen Theil seines Vermögens der
Ariillerie. Auch sonst war er sehr freigebig, unterstützte seine Offiziere und
belohnte besonders hervorragende Leistungen mit reichlichen Geschenken. Ob,
schon er bei den Beförderungen das System der Anciennetät aufgestellt hatte
und hiervon nur höchst selten abwich, wußte er doch besonders befähigte Köpfe
herauszufinden und ihren Verdiensten Geltung zu verschaffen. Vega, Savia,
Häring und Unterberger gelangten erst unter ihm und durch ihn zu Namen
und Stellung. Obgleich einer der ältesten Adelsfamilien Oestreichs angehörend
und für seine Person in mancher Hinsicht ein Aristokrat vom reinsten Wasser,
zog er doch, wenn es sich um seine Artillerie handelte, das bürgerliche Element
unbedingt vor und gewährte höheren Adeligen, wenn er auch nicht geradezu
ihren Eintritt verbat, auch nicht die mindeste Begünstigung. Bemerkenswerth ist
auch, daß er in Hinsicht der Nationalität nur das deutsche und slawische Element
duldete, letzterem aber noch den Vorzug gab. Von den Ungarn und Italienern
wollte er nichts wissen. "Die taugen zu den Husaren oder zu den Jägern,"
sagte er, "aber niemals wird man gute Kanoniere, wie ich sie haben will, aus
ihnen machen. Es fehlt ihnen das kalte Blut, die Ausdauer, der unbedingte
Gehorsam und -- die Lust zum Lernen. Zwei Sprachen kann einer leicht er¬
lernen, und wenn der Lieutenant auch nicht Böhmisch versteht, so kann es ge¬
wiß die Hälfte seiner Korporale. Was sollte aber geschehen, wenn wir auch
noch Ungarn, Italiener, Wallachen und Zigeuner bekämen. Und wenn ich
auch diese Leute in besondere Compagnien zusammenstellen wollte, wer würde
mir den Artillerieunterricht, Battcriebau und alle andern Vorschriften in alle
diese Sprachen übersetzen?" Wie richtig waren diese Ansichten, und wie weit
ist man in der Neuzeit davon abgewichen!

Der noch jetzt lebende Erzherzog Ludwig wurde nach Cvlloredos Tode
Artillcriedirector. Besaß er auch nicht entfernt das Genie oder die gründliche
artilleristische Kenntniß seiner Vorgänger, so brachten doch seine Leutseligfeit und
der Umstand, daß ein kaiserlicher Prinz an der Spitze der Artillerie stand, der
letzteren manchen Vortheil. Dem Bruder oder Oheim des Kaisers gegenüber
erlaubten sich der Hofkriegsrath und die Finanzbehörden weit geringere Ein-
mengungen. als ein gewöhnlicher General erfahren haben würde. Er trug


Colloredo hegte und pflegte die ihm unterstehende Truppe mit wahrhaft
väterlicher Liebe. Durch den hohen Gehalt seiner militärischen Würden, die
Revenuen seiner bedeutenden Besitzungen und vor Allem durch den Genuß sei¬
ner Pfründen als Großkomthur des Malteserordens im Besitze eines immensen
Einkommens, verwendete er dasselbe zum größten Theile für seine Arenia'
rihten. Er erhöhte aus eigenen Mitteln die 'Löhnung der Unterkanoniere (Ge¬
meinen), schaffte goldene Tressen sür die Hüte der Unteroffiziere und Bombar¬
diere an und testirte, damit diese Benesicien seinen Lieblingen auch für die
Zukunft erhalten bleiben möchten, einen großen Theil seines Vermögens der
Ariillerie. Auch sonst war er sehr freigebig, unterstützte seine Offiziere und
belohnte besonders hervorragende Leistungen mit reichlichen Geschenken. Ob,
schon er bei den Beförderungen das System der Anciennetät aufgestellt hatte
und hiervon nur höchst selten abwich, wußte er doch besonders befähigte Köpfe
herauszufinden und ihren Verdiensten Geltung zu verschaffen. Vega, Savia,
Häring und Unterberger gelangten erst unter ihm und durch ihn zu Namen
und Stellung. Obgleich einer der ältesten Adelsfamilien Oestreichs angehörend
und für seine Person in mancher Hinsicht ein Aristokrat vom reinsten Wasser,
zog er doch, wenn es sich um seine Artillerie handelte, das bürgerliche Element
unbedingt vor und gewährte höheren Adeligen, wenn er auch nicht geradezu
ihren Eintritt verbat, auch nicht die mindeste Begünstigung. Bemerkenswerth ist
auch, daß er in Hinsicht der Nationalität nur das deutsche und slawische Element
duldete, letzterem aber noch den Vorzug gab. Von den Ungarn und Italienern
wollte er nichts wissen. „Die taugen zu den Husaren oder zu den Jägern,"
sagte er, „aber niemals wird man gute Kanoniere, wie ich sie haben will, aus
ihnen machen. Es fehlt ihnen das kalte Blut, die Ausdauer, der unbedingte
Gehorsam und — die Lust zum Lernen. Zwei Sprachen kann einer leicht er¬
lernen, und wenn der Lieutenant auch nicht Böhmisch versteht, so kann es ge¬
wiß die Hälfte seiner Korporale. Was sollte aber geschehen, wenn wir auch
noch Ungarn, Italiener, Wallachen und Zigeuner bekämen. Und wenn ich
auch diese Leute in besondere Compagnien zusammenstellen wollte, wer würde
mir den Artillerieunterricht, Battcriebau und alle andern Vorschriften in alle
diese Sprachen übersetzen?" Wie richtig waren diese Ansichten, und wie weit
ist man in der Neuzeit davon abgewichen!

Der noch jetzt lebende Erzherzog Ludwig wurde nach Cvlloredos Tode
Artillcriedirector. Besaß er auch nicht entfernt das Genie oder die gründliche
artilleristische Kenntniß seiner Vorgänger, so brachten doch seine Leutseligfeit und
der Umstand, daß ein kaiserlicher Prinz an der Spitze der Artillerie stand, der
letzteren manchen Vortheil. Dem Bruder oder Oheim des Kaisers gegenüber
erlaubten sich der Hofkriegsrath und die Finanzbehörden weit geringere Ein-
mengungen. als ein gewöhnlicher General erfahren haben würde. Er trug


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/110>, abgerufen am 26.11.2024.