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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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gelassen geführt worden. Auch in dieser Beziehung suchte man durch die Masse
-- der eingesandten Artikel zu wirken. Bald wurde der diplomatische Schleier ein
wenig gelüftet und aus Depeschenauszügen gezeigt, wie unredlich Preußen
an seinen Bundesgenossen gehandelt, bald wurden die Gefahren heraufbeschworen,
die aus dem Vertrag für Württembergs Industrie und landwirthschaftliche Pro-
duction erwüchsen, bald endlich das dringende Interesse nachgewiesen, das
Preußen für sich selbst am Zollverein habe, und das ihm verbiete, mit seiner
Drohung Ernst zu machen. Die Witzigen setzten hinzu: "Bange machen gilt nicht".
Die Freunde des Vertrags wehrten sich tapfer. Da die Fehde zum Theil zwi¬
schen politischen Gesinnungsgenossen geführt wurde, war sie doppelt erbittert.
Das Organ der Opposition, das bisher geschwankt hatte, ging eben in dieser
Zeit völlig in das Lager der Vertragsfreunde über. Dennoch war angesichts
jener rührigen, fast betäubenden Agitation Grund vorhanden, mit einiger Be-
sorgniß dem Ausfall der Versammlung vom 3. Januar entgegenzusehen.

Diese Besorgnisse sollten sich nicht erfüllen. Die Versammlung fiel, sowohl
was Zahl und Bedeutung der Anwesenden als was den Geist der Berathung
betrifft, über Erwarten günstig aus. Es war ähnlich wie in Eßlingen. Waren
dort.die Anhänger der Nationalpartei selbst überrascht, sich in so weit über¬
wiegender, geschlossener Majorität zu finden, so schienen auch hier die Anwe¬
senden überrascht, daß sich in dem schutzzöllnenschcn Schwaben eine so ansehn¬
liche stille Gemeinde für die Annahme des Vertrags gebildet hatte. Alle
Theile des Landes waren vertreten, am schwächsten verhältnißmäßig die Stadt
Stuttgart, am stärksten der Schwarzwald, der für seine bedeutende Ausfuhr von
Holz und Vieh ein besonderes Interesse an der Erhaltung des Zollvereins hat.
Viele waren im ausdrücklichen Auftrag der gewerblichen Vereine erschienen.
Die Industrie und der Handel waren in den verschiedensten Zweigen reprä-
sentirt. Einen politischen Charakter trug die Versammlung nicht, wie auch in den
Verhandlungen der sachliche Charakter durchaus gewahrt blieb. Daß eine
Anzahl Abgeordneter Theil nahm, konnte nicht überraschen. Das Finanzmini¬
sterium bewies sein Interesse an der Versammlung durch die Absendung des¬
jenigen Beamten, der das Referat über den Vertrag geführt und an den
Münchener Konferenzen Theil genommen hatte.

Das Nähere der Debatte ist aus den Tagesblättern bekannt. Es wurden
theils die einzelnen Vertragsbestimmungen, theils die Eventualität der Aus¬
lösung des Zollvereins eingehend besprochen. In ersterer Beziehung zeigte der
Vortrag G.Müllers, der das Hauptreferat übernommen hatte, daß diejenigen
Bestimmungen, welche am lautesten den Wunsch nach Abänderung hervor¬
gerufen, sich, sofern sie für Würtemberg von Bedeutung seien, auf eine sehr kleine
Zahl reducirten. und daß auch diese keineswegs ein solches Gewicht hätten, daß
ihretwegen sich die Gefährdung des Zollvereins rechtfertigen lasse. Niemand


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gelassen geführt worden. Auch in dieser Beziehung suchte man durch die Masse
— der eingesandten Artikel zu wirken. Bald wurde der diplomatische Schleier ein
wenig gelüftet und aus Depeschenauszügen gezeigt, wie unredlich Preußen
an seinen Bundesgenossen gehandelt, bald wurden die Gefahren heraufbeschworen,
die aus dem Vertrag für Württembergs Industrie und landwirthschaftliche Pro-
duction erwüchsen, bald endlich das dringende Interesse nachgewiesen, das
Preußen für sich selbst am Zollverein habe, und das ihm verbiete, mit seiner
Drohung Ernst zu machen. Die Witzigen setzten hinzu: „Bange machen gilt nicht".
Die Freunde des Vertrags wehrten sich tapfer. Da die Fehde zum Theil zwi¬
schen politischen Gesinnungsgenossen geführt wurde, war sie doppelt erbittert.
Das Organ der Opposition, das bisher geschwankt hatte, ging eben in dieser
Zeit völlig in das Lager der Vertragsfreunde über. Dennoch war angesichts
jener rührigen, fast betäubenden Agitation Grund vorhanden, mit einiger Be-
sorgniß dem Ausfall der Versammlung vom 3. Januar entgegenzusehen.

Diese Besorgnisse sollten sich nicht erfüllen. Die Versammlung fiel, sowohl
was Zahl und Bedeutung der Anwesenden als was den Geist der Berathung
betrifft, über Erwarten günstig aus. Es war ähnlich wie in Eßlingen. Waren
dort.die Anhänger der Nationalpartei selbst überrascht, sich in so weit über¬
wiegender, geschlossener Majorität zu finden, so schienen auch hier die Anwe¬
senden überrascht, daß sich in dem schutzzöllnenschcn Schwaben eine so ansehn¬
liche stille Gemeinde für die Annahme des Vertrags gebildet hatte. Alle
Theile des Landes waren vertreten, am schwächsten verhältnißmäßig die Stadt
Stuttgart, am stärksten der Schwarzwald, der für seine bedeutende Ausfuhr von
Holz und Vieh ein besonderes Interesse an der Erhaltung des Zollvereins hat.
Viele waren im ausdrücklichen Auftrag der gewerblichen Vereine erschienen.
Die Industrie und der Handel waren in den verschiedensten Zweigen reprä-
sentirt. Einen politischen Charakter trug die Versammlung nicht, wie auch in den
Verhandlungen der sachliche Charakter durchaus gewahrt blieb. Daß eine
Anzahl Abgeordneter Theil nahm, konnte nicht überraschen. Das Finanzmini¬
sterium bewies sein Interesse an der Versammlung durch die Absendung des¬
jenigen Beamten, der das Referat über den Vertrag geführt und an den
Münchener Konferenzen Theil genommen hatte.

Das Nähere der Debatte ist aus den Tagesblättern bekannt. Es wurden
theils die einzelnen Vertragsbestimmungen, theils die Eventualität der Aus¬
lösung des Zollvereins eingehend besprochen. In ersterer Beziehung zeigte der
Vortrag G.Müllers, der das Hauptreferat übernommen hatte, daß diejenigen
Bestimmungen, welche am lautesten den Wunsch nach Abänderung hervor¬
gerufen, sich, sofern sie für Würtemberg von Bedeutung seien, auf eine sehr kleine
Zahl reducirten. und daß auch diese keineswegs ein solches Gewicht hätten, daß
ihretwegen sich die Gefährdung des Zollvereins rechtfertigen lasse. Niemand


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/105>, abgerufen am 25.11.2024.